Andreas Schieder (SPÖ)
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SPÖ

Schieder soll Kandidat für EU-Wahl werden

Die SPÖ hat Andreas Schieder als Kandidaten für die EU-Wahl vorgeschlagen. Das teilte die Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner am Sonntag nach der Präsidiumsklausur auf dem Wiener Kahlenberg mit. Schieder ersetzt damit Christian Kern, der am Samstag überraschend seinen vollständigen Rückzug aus der Politik verkündet hatte.

Der ehemalige geschäftsführende Klubobmann der SPÖ galt bereits im Vorfeld als klarer Favorit. Der Beschluss erfolgte laut Rendi-Wagner einstimmig. Schieder sei als erfahrener Politiker und außenpolitischer Sprecher für die Rolle bestens geeignet, so Rendi-Wagner. Listenzweite soll die Abgeordnete Evelyn Regner werden, die seit zehn Jahren im EU-Parlament sitzt. Es handle sich um ein „Spitzenduo“.

Gewählt wird die Liste der SPÖ für die Europawahl bei einem Parteitag in Wels. Dort soll am 24. November zunächst Rendi-Wagner zu neuen Parteivorsitzenden bestimmt und das Parteiprogramm abgesegnet werden. Am Tag darauf soll über die Kandidatenliste bei der EU-Wahl und das Wahlprogramm abgestimmt werden. Bis 13. Oktober sollen die Länder noch andere Kandidaten und Kandidatinnen für die hinteren Listenplätze vorschlagen können.

Ludwig: „Sehr für ihn eingesetzt“

Schieder selbst erklärte in einer ersten Stellungnahme, sich voll auf das Thema Soziales konzentrieren zu wollen: „Wer soziale Gerechtigkeit will, wird die SPÖ ankreuzen müssen.“ Ein Handicap, nur ein Ersatzkandidat zu sein, sieht Schieder nicht. Wahlkampf sei ohnehin immer schwer, man müsse nun eben die Frage des sozialen Zusammenhalts in den Vordergrund stellen.

Schieder soll vor allem die Unterstützung seiner Wiener Landesgruppe gehabt haben. Bürgermeister Michael Ludwig habe sich „sehr für ihn eingesetzt“, wie er gegenüber dem ORF sagte – mehr dazu in wien.ORF.at. Rund um seinen Rückzug als Klubchef hatte Schieder bereits erklärt, dass er sich eine Wechsel nach Brüssel grundsätzlich vorstellen könne.

Kern: „Schlussstrich als Berufspolitiker“

Kern hatte am Samstag bei einer Pressekonferenz überraschend erklärt, nun doch nicht als Spitzenkandidat bei der EU-Wahl am 26. Mai antreten zu wollen. Mit Rendi-Wagner habe er das abgesprochen. „Für mich ist das ein Schlussstrich als Berufspolitiker“, sagte Kern. Seine Zukunft liege in der Privatwirtschaft, da „komme ich her“.

SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner
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Rendi-Wagner zufolge habe man die Turbulenzen der vergangen Tage „hinter sich gebracht“

Die Turbulenzen rund um Kerns Abgang aus der Politik will die SPÖ möglichst rasch hinter sich lassen. Rendi-Wagner sagte, sie halte sich nicht lange damit auf zurückzublicken. Stattdessen habe das Präsidium drei zentrale Schwerpunkte für die kommenden Wochen festgelegt, nämlich Pflege, Wohnen und eine Facharbeiteroffensive.

Auf die Frage, ob sie Angst vor Intrigen innerhalb der SPÖ habe, antwortete sie mit einem Verweis auf die gute Stimmung innerhalb der Länder. So habe sie etwa in Niederösterreich, Wien und der Steiermark viel Unterstützung gespürt.

Politikprofi mit zahlreichen Funktionen

Der 49-jährige Schieder gilt als passionierter Außenpolitiker. Er ist fast seit Beginn seiner Karriere im Nationalrat 2006 außenpolitischer Sprecher der Partei, davor war er zudem in seinen 20ern Vizepräsidenten der Sozialistischen Jugendinternationalen sowie später Präsident der Europäischen Jungsozialisten.

Auf Bundesebene war Schieder ab 2008 Staatssekretär, zunächst im Kanzleramt, danach im Finanzministerium, ab Oktober 2013 Klubobmann der SPÖ und nach der Wahlniederlage im vergangenen Herbst von November 2017 bis Oktober 2018 geschäftsführender Klubobmann. Nach Rendi-Wagners Parteiübernahme musste er Platz machen, weil sie den Klub alleine führen will.

Vor seinem Wechsel in den Bund war Schieder mehr als zehn Jahre lang im kommunalpolitischen Bereich tätig, bis heute ist er Bezirksvorsitzender SPÖ Wien-Penzing. Allerdings stand ihm der politische Aufstieg seiner Lebensgefährtin Sonja Wehsely im Weg. Diese zog sich im vergangenen Jahr aus der Wiener Stadtpolitik zurück und wechselte zu Siemens. Im Jänner versuchte er sein Glück im Kampf um den Wiener Parteivorsitz und den Bürgermeisterposten, verlor aber gegen Ludwig.

Vilimsky: „In Bobo-Sektor abgekapselt“

FPÖ-Generalsekretär und EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky freut sich bei der EU-Wahl auf die Auseinandersetzung mit Schieder. Die Entscheidung der SPÖ kommentierte der freiheitliche EU-Spitzenkandidat ansonsten mit Häme. „Mit Schieder geht ein wirklich würdiger Nachfolger des gescheiterten Kurzzeitpolitikers Kern ins Rennen um die EU-Wahl“, so Vilimsky. Schieder stehe Kern „in Sachen Niederlagen als gescheiterter Bürgermeisterkandidat und abgesetzter Klubobmann in kaum etwas nach“.

Von den Sorgen und Bedürfnissen der normalen Bevölkerung sei Schieder „meilenweit entfernt und in seinem Bobo-Sektor von jeder Realität abgekapselt“, meinte der FPÖ-Politiker. Vielleicht sei seine Nominierung aber auch nur dem Umstand geschuldet, dass man ihn in das „außenpolitische Exil“ verabschieden möchte.

Wiener Genossen bringen Statutenreform zu Fall

Unterdessen geht es in der Partei turbulent weiter: Bei der Präsidiumsklausur wurde laut „Standard“ (Onlineausgabe) auf Drängen der Wiener SPÖ still und heimlich die unter Kern erarbeitete Organisationsreform abgesagt. Nach APA-Informationen wurde in der Präsidiumssitzung beschlossen, die Organisationsreform auf den nächsten Parteitag in zwei Jahren zu verschieben.

Ursprünglich sollten die geplanten Änderungen am SPÖ-Parteitag am 24. und 25. November in Wels verabschiedet werden. Ziel der Organisationsreform waren die Erneuerung der Partei, klarere Entscheidungsstrukturen und eine Öffnung der SPÖ.

Gegen Zehnjahresfrist

Wiens SPÖ-Chef Ludwig opponierte in den vergangenen Wochen vor allem gegen jenen Passus, der eine Zweidrittelschwelle für öffentliche Ämter vorsah, wenn das entsprechende Mandat bereits zehn Jahre ausgeübt wurde. Ludwig sprach sich in Interviews mehrfach gegen eine solche Zehnjahresfrist aus. Im letzten Entwurf war die Zweidrittelschwelle deshalb nur für Nationalrats- und EU-Abgeordnete der SPÖ vorgesehen, Bundesräte und die Landesebene waren ausgenommen.

Weitere Punkte der geplanten Reform betrafen eine Mitgliederabstimmung über Koalitionsabkommen, niedrigere Quoren für die Initiierung von Mitgliederbefragungen sowie die Einschränkung der Anhäufung von Ämtern – Mehrfachbezüge durch Mandate sollten durch höhere Solidaritätsabgaben zurückgedrängt werden.

Pläne waren bereits von Gremien abgesegnet

Von den SPÖ-Mitgliedern gab es für die Vorhaben im Rahmen einer Mitgliederbefragung vor dem Sommer bereits grünes Licht. Durchgehend über 70 Prozent der rund 38.000 Teilnehmer stimmten für die im Fragebogen abgetesteten Organisationsthemen. Auch die Parteigremien segneten die Pläne ab, nun wurde die Organisationsreform aber vorerst abgesagt. Rendi-Wagner soll einen überarbeiteten Vorschlag ausarbeiten, der am nächsten Parteitag in zwei Jahren beschlussreif sein soll.