Thinktank für Kurz keine „Nudge Unit“

Eine eigene Denkfabrik für den Kanzler – das war eine der ersten auch nach außen wahrgenommenen Neuerungen im Bundeskanzleramt nach dem Einzug von ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Ein Dreivierteljahr später werden die Konturen der „Think Austria“ genannten Institution langsam sichtbar: So konnte Kurz prominente Ideengeber an Bord holen. Inhaltlich soll er über globale Trends gebrieft werden. Eine „Nudge Unit“, um mit Mitteln der Verhaltensökonomie Politik zu machen, soll es, betont das Bundeskanzleramt explizit, nicht sein.

Erklärtes Ziel ist es laut Bundeskanzleramt, globale Trends frühzeitig zu erkennen und in anderen Ländern funktionierende Lösungsansätze nach Österreich zu holen.

Beraten werden den Thinktank prominente Personen: der ehemalige UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, der künftig in Kanada arbeitende Genetiker Josef Penninger, Andreas Schleicher (Leiter der PISA-Studien bei der OECD), der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, und die frühere grüne Politikerin Monika Langthaler.

Sieben „neue“ Themenfelder

Dieser Beirat und auch „Think Austria“-Chefin Antonella Mei-Pochtler, die beim Beratungsunternehmen Boston Consulting Group arbeitet, würden ehrenamtlich tätig sein, wie das Kanzleramt auf ORF.at-Anfrage sagte.

Sieben Themenfelder wurden definiert, allesamt „neu“, aber sehr allgemein gefasst: Das reicht von „Neue Wettbewerbsfähigkeit“ über „Neue Leistung und Verantwortung“ bis zu „Neue Identität“ und „Neues Leben“.

Keine Konkurrenz zu Ministerien

Publikationen oder öffentliche Veranstaltungen sind derzeit nicht vorgesehen. Primär sollen Befunde, Analysen und Vorschläge Kurz in Form von Briefings direkt zur Verfügung gestellt werden. Als Konkurrenz zur Expertise in den einzelnen Ministerien will das Kanzleramt die Einrichtung nicht verstanden wissen. Neben „nationalen und internationalen externen Experten“ solle „natürlich auch auf die Expertise in den Ministerien“ zurückgegriffen werden.

„Nicht mit Nudge Unit vergleichbar“

„Mit einer Nudge Unit, die sich ganz auf Verhaltensökonomie spezialisiert, sind wir nicht vergleichbar“, so das Kanzleramt auf Nachfrage gegenüber ORF.at.

Grundidee der von Richard Thaler und Cass Sunstein in den USA entwickelten Idee ist es, durch leichtes „Anschubsen“ (engl. „Nudging“) das Verhalten der Bevölkerung in die von der Politik gewünschte Richtung zu lenken: Menschen etwa durch eine Erinnerung per Mail dazu zu bringen, pünktlich Steuern zu zahlen, und durch Warnungen auf Zigarettenpackungen vom Rauchen abzuhalten. Mittlerweile gibt es laut einem OECD-Bericht von Frühjahr 2017 mindestens 70 solcher staatlicher „Nudging“-Einheiten weltweit.

„Think Austria“ orientiert sich laut Kanzleramt jedoch an Strategiestäben wie France Strategie, Strategy Group in Singapur und EPSC, der von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker eingerichteten Denkfabrik in der Kommission. Besonders der von Angela Merkel im deutschen Kanzleramt ins Leben gerufene Stab für politische Planung habe als Vorbild gedient.

Tatsächlich kommt dieser Trend eher mit Verspätung nach Österreich. Schon 2002 hatte etwa der damalige britische Labour-Premier Tony Blair eine solche Stabsstelle eingerichtet. Bekannt wurde später dessen Nachfolger, das Behavioural Insights Team, inoffiziell auch „Nudge Unit“ genannt, das vom früheren konservativen Premier David Cameron eingerichtet wurde.

Anfrage von NEOS

Anfang September brachte die NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon eine Anfrage zum kanzlereigenen Thinktank mit einer ganzen Liste an Detailfragen – zu Zweck, Inhalt und Kosten – ein. Das Kanzleramt muss darauf binnen zwei Monaten antworten – also bis Anfang November.