SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
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SPÖ „mitten in Aufräumarbeiten“

Einstimmig ist Pamela Rendi-Wagner am Montag zur neuen Klubobfrau der SPÖ bestimmt worden. Alle 60 anwesenden Funktionäre und Funktionärinnen stimmten geschlossen für sie. Doch die neue SPÖ-Chefin hat weiterhin mit parteiinternen Konflikten zu kämpfen.

Der Start Rendi-Wagners an der Spitze der Partei sei „holprig“ verlaufen, analysierte Politikberater Thomas Hofer gegenüber ORF.at. Mit dem völligen Rückzug von Ex-Bundeskanzler Christian Kern aus der Partei am Wochenende sei Rendi-Wagner nun eine „Hypothek“ losgeworden.

Doch die Partei befinde sich noch „mitten in Aufräumarbeiten“: „Nach drei Chaoswochen liegt einiges in Schutt und Asche. Rendi-Wagner will das in Wallung gekommene Blut insbesondere in der Wiener und der steirischen SPÖ beruhigen.“

„Auf Balkon gestritten“

Zudem sei es für Rendi-Wagner ein „unhaltbarer Zustand gewesen, dass Ludwig (Wiener Bürgermeister Michael, Anm.) mehrmals offen de facto Skepsis durchklingen hat lassen“. Für den Politikberater sind die „wiederholten Unfreundlichkeiten von Ludwig nicht nachvollziehbar.“ Als neuer Wiener Bürgermeister müsse er Stärke zeigen. Doch Ludwig habe in der Öffentlichkeit Druck aufgebaut, das Verschieben der Parteireform werde nun als Umfaller gesehen, erklärte Hofer.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)
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Der Wiener Bürgermeister Ludwig baute mit „wiederholten Unfreundlichkeiten“ gegen Rendi-Wagner öffentlichen Druck auf

Schon der frühere Wiener Bürgermeister Michael Häupl habe die Devise ausgegeben, dass im Wohnzimmer und nicht auf dem Balkon gestritten werden solle. Hofer: „Hier wurde aber auf dem Balkon gestritten. In der öffentlichen Wahrnehmung muss es nun Gewinner und Verlierer geben. Das hätte man vermeiden können.“

Wiener SPÖ gegen Zweidrittelregelung

Mit der Verschiebung der unter Kern in Angriff genommenen Organisationsreform der Partei kam Rendi-Wagner nun vor allem der Wiener SPÖ entgegen. Kritische Stimmen etwa von der Sektion 8 seien bei der Entscheidung für die Verschiebung einkalkuliert worden, so Hofer. Allerdings sei die Kommunikation nicht geglückt. Die SPÖ komme nicht aus der permanenten Defensive, so der Politikberater: „Jeder Parteichef hätte diese Signale an die Partei senden müssen. Rendi-Wagner hab es aber sehr defensiv ausgelegt.“

Ludwig opponierte schon seit mehreren Wochen gegen die Reform, die die SPÖ erneuern und öffnen sollte. Vor allem die geforderte Zweidrittelmehrheit im jeweiligen Wahlkreis für Nationalrats- und EU-Abgeordnete nach einer Amtszeit von zehn Jahren war Ludwig und der Wiener SPÖ sauer aufgestoßen – mehr dazu in wien.ORF.at. „Diese Regelung hätte die Macht der Zentrale bei der Erstellung der Kandidatenliste beschränkt. Das sieht man in einer straff geführten Organisation wie der Wiener SPÖ nicht gern“, so Hofer.

Thomas Langpaul von der SPÖ-Klubklausur

ORF-Redakteur Langpaul sieht die Konfliktlinien innerhalb der SPÖ vor allem zwischen einer jungen, kritischen Parteibasis und etablierten Funktionären im Parteimittelbau.

Auch die Nominierung des bisherigen Klubobmanns Andreas Schieder für die EU-Wahl sei ein Zugeständnis an die Wiener Parteiorganisation gewesen. Die EU-Wahl bleibe aber weiterhin eine Baustelle für die SPÖ. Die Partei habe traditionell ein Mobilisierungsproblem bei der Europawahl. Die Entscheidung für Schieder sei aus parteiinterner Sicht pragmatisch, so Hofer, im Wahlkampf sei mit Schieder aber eher kein offensives Spektakel zu erwarten.

Reform „in Stein gemeißelt“

70 Prozent der 38.000 SPÖ-Mitglieder, die an der Umfrage teilgenommen hatten, gaben der Parteireform grünes Licht. Von den SPÖ-Jugendorganisationen und der Sektion 8 gab es heftige Kritik an der Verschiebung der Reform. Die SPÖ-Jugendorganisationen, darunter die Sozialistische Jugend, die SPÖ-Studierendenorganisation VSStÖ und die Roten Falken, kündigten Widerstand in den Parteigremien an. Die Reform sei „in Stein gemeißelt“: „Die Mitglieder der SPÖ sind ihr Rückgrat, und dieses Rückgrat darf nicht gebrochen werden.“

Die Sektion 8 sieht „keinen inhaltlichen oder organisatorischen Grund, diesen Minimalkompromiss zu kübeln“. Es gebe nur einen machtpolitischen und, „mit Verlaub, den haben wir satt“, so die kritische SPÖ-Sektion auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Auch für den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler ist die Parteireform noch nicht vom Tisch: „Wenn die Bundespartei den Antrag zum neuen Parteistatut nicht einbringen will, wird es halt wer anderer tun.“ Das sei eine Frage des Respekts gegenüber den Parteimitgliedern, die in dieser Frage bereits aktive Mitbestimmung gelebt haben, erklärte Babler am Montag.

Drozda sieht keinen Kniefall

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda will die Verschiebung der Parteireform allerdings nicht als Kniefall Rendi-Wagners verstanden wissen – mehr dazu in oe1.ORF.at. Es seien am Wochenende klare Prioritäten wie ein neues Parteiprogramm und Weichenstellungen für die EU-Wahl gesetzt worden. Die Organisationsreform werde ohne Zeitdruck fortgesetzt. Andere SPÖ-Mitglieder sehen Rendi-Wagner als neue Vorsitzende schon als „Signal der Öffnung“ an sich.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda
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SPÖ-Geschäftsführer Drozda will Organisationsreform ohne Zeitdruck fortsetzen

Ludwig argumentierte die Verschiebung der Reform damit, dass man nun den Fokus auf die neue Vorsitzende und die inhaltliche Ausrichtung der Partei und nicht auf „Vereinsmeierei“ legen wolle. Im Vordergrund stehe nun, „dass wir in der Öffentlichkeit deutlich machen, dass wir hinter unserer neuen Bundesparteivorsitzenden“ stehen und dass es ein klares Programm gebe, betonte Ludwig – mehr dazu in wien.ORF.at.

„Husch-Pfusch-Aktion“ vermeiden

Die meisten SPÖ-Landesorganisationen stehen hinter der Entscheidung – auch wenn die Organisationsreform von einigen im Sommer noch befürwortet worden war. Einer der Befürworter war etwa der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl. Nun sieht er eine Verschiebung positiv, weil dadurch eine „Husch-Pfusch-Aktion“ vermieden werden könne. Für Oberösterreichs SPÖ-Geschäftsführerin Bettina Stadlbauer ist die Strukturreform nicht abgesagt. Es werde vielmehr im Bundesparteivorstand in der kommenden Woche eine „Feinjustierung“ geben.

In den meisten Parteiorganisationen in den Ländern wird die Verschiebung „nicht so dramatisch“ gesehen – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl rechnet nicht mit großen Protesten der Mitglieder. Auch in Tirol und Vorarlberg gibt man sich gelassen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Die Tiroler SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik hält genauso wie ihr steirischer Kollege Michael Schickhofer eine neuerliche Diskussion über die Reform für „legitim“. Eine Diskussion in der Sozialdemokratie sei immer ein „gutes Zeichen“.