EU-Parlament in Brüssel
ORF.at/Peter Prantner
Sexuelle Belästigung

„MeTooEP“ macht im EU-Parlament mobil

Aus Angst vor beruflichen Konsequenzen und persönlichen Anfeindungen bleiben viele Opfer sexueller Belästigung still – auch im Europaparlament. Die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins Leben gerufene Initiative „MeTooEP“ will das Schweigen brechen. Am Dienstag wurde ein Blog präsentiert, in dem Opfer über ihre Erfahrungen berichten.

In einem kleinen Notizbuch hat die französische Parlamentsmitarbeiterin Jeanne Ponte die Erfahrungen von überwiegend Frauen gesammelt – anderen Parlamentsmitarbeiterinnen, politischen Beraterinnen, Praktikantinnen, aber auch dem Servicepersonal der Kantine im EU-Parlament. Seit Dienstagfrüh sind die Geschichten in anonymisierter Form auf Metooep.com öffentlich zugänglich.

Eine Praktikantin berichtet über einen fremden Mann, der sich im Lift an sie gedrängt habe und sie aufgefordert habe, seine „Palatschinken zu kosten“. Eine Mitarbeiterin schreibt über die Einladung eines Europaabgeordneten, das sich als „romantisches Dinner“ herausstellte. „Es ist unglaublich, dass eine wunderschöne Frau sich für diese Art der Arbeit entscheidet“, habe er ihr gesagt.

Die Täter waren immer Männer

Das Blog, gestartet von 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des EU-Parlaments, soll die Aufmerksamkeit für das Thema erhöhen, sagt Ponte: „Wir sind keine Richter, wir sagen auch nicht: ‚Geh‘ zur Polizei.“ Zugleich soll es ein „sicherer Ort sein“, an dem Opfer ihre Erfahrungen teilen können. Auf der Website können die Geschichten über ein Formular übermittelt werden. Die E-Mail-Adresse muss nicht notwendigerweise mitgesandt werden.

Screenshot von metooep.com
Screenshot von metooep.com
Screenshot aus dem Blog: Aus Angst um die Karriere bleiben viele Opfer still

Um der Gefahr falscher Anschuldigungen und Denunziation vorzubeugen, werden die eingelangten Berichte geprüft, ehe sie online gestellt werden. Auf die Nennung von Namen wird sowohl auf Täter- als auch auf Opferseite verzichtet. Weiters auf dem Blog finden sich allgemeine Informationen zu sexueller Belästigung und aktuelle Nachrichten zum Thema.

Unter den Berichten ist auch einer eines männlichen Praktikanten. Die Opfer seien Frauen und Männer, sagte der britische Parlamentsmitarbeiter Alfiaz Vaiya in Brüssel vor der Presse, „es sind aber immer Männer, die ihre Macht und Privilegien gegen Männer und Frauen missbrauchen“.

Hohe Hemmschwelle

Nach dem Aufkommen der „#MeToo“-Debatte im Vorjahr hat sich das Europaparlament des Themas angenommen. Ende Oktober 2017 wurde eine Resolution zur Bekämpfung von sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch in der EU verabschiedet – passiert ist seither nichts. Die „MeTooEP“-Kampagne nahm daraufhin heuer am 8. März, dem Weltfrauentag, ihre Arbeit auf. Auf einer Demonstration wurden 1.000 Unterschriften gesammelt. Wenige Tage später wurde die entsprechende Petition EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani übergeben. Mit dem Blog soll der Druck nun weiter erhöht werden.

Für Betroffene gibt es im Europaparlament zwei Stellen, an die sie sich wenden können. Eine davon ist zuständig für Vorfälle, die die Administraton betreffen, die andere für Vorfälle mit Abgeordneten. Sie wird von drei Abgeordneten koordiniert. Hier seien im Vorjahr elf Fälle verzeichnet worden, sagte Ponte. Alle hätten psychologische Belästigung betroffen.

Pressekonferenz im EU-Parlament
ORF.at/Philipp Pfleger
Das Team von „MeTooEP“ stellte in Brüssel das gleichnamige Blog vor

Die deutsche Parlamentsmitarbeiterin Miriam Lena Horn kritisiert dieses Modell. Die Angst, den Job zu verlieren, sei für Betroffene zu groß: „Diejenigen, die Schwierigkeiten mit Parlamentariern haben – sei es psychologische oder sexuelle Belästigung –, werden nicht zu einem anderen Parlamentarier gehen, um sich dort zu beschweren.“

Neue Stelle gefordert

Die Initiative fordert die Überprüfung der beiden Beschwerdestellen im Parlament durch unabhängige Fachleute. Trainings zu Respekt und Würde sollen verpflichtend werden für Politik und Personal im Europaparlament. Zudem plädieren sie für die Einrichtung einer neuen Stelle. Horn: „Es braucht Unabhängigkeit. Also Leute, die völlig außerhalb der Hierarchien stehen, Therapeuten, Juristen, Ärzte, die von außen kommen.“