Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP)
APA/Erwin Scheriau
„Don’t Smoke“

ÖVP-Bürgermeister für Volksabstimmung

Während sich die Regierungspartner ÖVP und FPÖ auch nach den fast 900.000 Stimmen des „Don’t Smoke“-Volksbegehrens gegen eine bindende Volksabstimmung in Sachen Nichtrauchen in der Gastronomie ausgesprochen haben, kommen erste Stimmen aus der ÖVP, die für einen Volksentscheid plädieren.

Der Grazer ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl, der für das Nichtrauchervolksbegehren selbst die Werbetrommel gerührt hatte, sprach sich im „Kurier“ für ein Referendum aus. „Jetzt sollte es auf jeden Fall eine Volksabstimmung geben. Wenn ein Thema politisch nicht zum Heben ist, muss man den Publikumsjoker nehmen“, so Nagl.

Auch der Salzburger ÖVP-Bürgermeister Harald Preuner meinte in der Zeitung, dass „bei einer so hohen Beteiligung ein verbindlicher Volksentscheid möglich gemacht werden“ sollte. „Ich würde dafür plädieren, dieses Volksbegehren zum Anlass zu nehmen, schon früher einen verbindlichen Volksentscheid einzuleiten, nicht erst 2021“, sagte auch der ÖVP-Bürgermeister und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl im „Kurier“.

Für „Neubewertung“ eingetreten

Riedl kommt aus der niederösterreichischen ÖVP, die der Rücknahme des Rauchverbots von Anfang an kritisch gegenüberstand. „Der Zulauf zeigt, dass unser Koalitionspartner auf Bundesebene die Situation neu bewerten sollte“, so der niederösterreichische ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. Es sei klar, „dass man den Willen der Bürgerinnen und Bürger umzusetzen hat“.

Die „Don’t Smoke“-Initiative blieb mit 881.569 Unterschriften knapp unter 900.000 – die die Initiatoren Ärztekammer und Krebshilfe immer als Ziel ausgaben, unter Hinweis darauf, dass FPÖ-Chef Vizekanzler Heinz-Christian Strache dann eine Volksabstimmung in Aussicht gestellt habe. Die SPÖ-ÖVP-Vorgängerregierung hatte ein generelles Rauchverbot bereits für Mai 2018 beschlossen. Die ÖVP-FPÖ-Regierung kippte dieses jedoch im März im Nationalrat.

Strache: Hürde nicht erreicht

Strache schrieb Montagabend via Facebook neuerlich, dass die Freiheitliche Partei „jederzeit bereit“ wäre, „direkte Demokratie als Recht des Volkes analog zur Schweiz auch früher umzusetzen“. Zugleich fügte Strache an, dass 85 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten das erfolgreichste der drei Volksbegehren nicht unterschrieben hätten und die angepeilte 900.000-Unterschriften-Hürde nicht erreicht worden sei.

Strache versprach aber, „dass alle Volksbegehren sorgfältig und intensiv im Nationalrat behandelt werden. Nicht nur das medial massiv unterstützte generelle Rauchverbot in der Gastronomie und das Frauenvolksbegehren, sondern natürlich auch das medial verschwiegene ORF-Volksbegehren zur Abschaffung der GIS-Zwangsgebühr“.

Regierung verweist auf Koalitionspapier

Es wird keine Volksabstimmung über das Rauchverbot in der Gastronomie geben. Das machten auch ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer und FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz am Montag in einer ORF-„Runder Tisch“-Sendung klar. Nehammer und Rosenkranz verwiesen hingegen jeweils auf ihre Koalitions- bzw. Pakttreue und auf das Regierungsprogramm, das die automatische Abstimmung nach erfolgreichen Volksbegehren erst ab 2022 vorsehe. Daran hätten auch 900.000 oder eine Million Unterschriften nichts geändert, stellte Rosenkranz klar.

Was ist ein Volksbegehren wert?

Nach dem Ende der Eintragungsfrist für die Volksbegehren zu den Themen Rauchverbot, Frauenrechte und ORF-Beiträge diskutierten Spitzenvertreter der fünf Parlamentsparteien über die – möglichen – Konsequenzen.

Die Anmerkung, dass es für die Nichtraucherinitiative trotz des großen Zuspruchs jetzt „ab in die Schublade“ heißt, wollten die Koalitionsklubchefs dennoch nicht gelten lassen. Man werde sich mit diesem Volksbegehren ebenso intensiv im Nationalrat auseinandersetzen wie mit dem Frauenvolksbegehren und jenem gegen die ORF-Gebühren – die auch jeweils deutlich über die 100.000er-Grenze kamen, so Nehammer und Rosenkranz. Und man werde wie im Regierungsprogramm vorgesehen die direkte Demokratie in den nächsten Jahren ausbauen.

Opposition sieht klaren Auftrag

Von der Opposition hagelte es dafür Kritik: „Von ihrer Dankbarkeit und ihren Gratulationen haben weder die, die es eingeleitet, noch die, die es unterschrieben haben, etwas“, hielt der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried den Regierungsvertretern unter Hinweis auf die „lebensgefährlichen“ Gesundheitsrisiken des Rauchens vor. Er appellierte an sie, gemeinsam einen Antrag für eine Volksabstimmung zu beschließen.

Koalitionstreue sei sicherlich „ein wichtiges Gut“, stellte NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reinsinger fest – aber: ÖVP und FPÖ sollten sich doch „einen Ruck geben und rauskommen aus der Selbstfesselung“, in die sie sich da begeben hätten. Knapp 900.000 Österreicher hätten ein „klares Signal“ gegeben, damit Österreich nicht mehr „der Aschenbecher Europas“ genannt wird. Auch Liste-Pilz-Klubobmann Wolfgang Zinggl sieht die fast 900.000 Unterschriften als „klaren Auftrag“. Wird ein dermaßen unterstütztes Volksbegehren nicht ernst genommen, sei das ein „Generator für Frustrationen“.

Für Initiatoren Strache gefordert

Auch die Initiatoren sehen die Regierung gefordert: „Vizekanzler Strache hat dem Volksbegehren eine Marke von 900.000 Unterschriften für eine verbindliche Volksabstimmung vorgegeben. Die Bevölkerung hat imposant geantwortet – nun liegt es an ihm, ob er die Stimmen von 881.569 Österreicherinnen und Österreichern auch ernst nimmt“, heißt es von den Initiatoren. Mit diesem Ergebnis ist es nun das sechsterfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte.

„Die Regierung muss endlich auf die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger achten und ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie einführen“, so der Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres. Alles andere wäre aus Sicht der beiden Initiatoren „medizinisch grob fahrlässig“. „Gerade Vizekanzler Strache, der nun wieder Vater wird, sollte besonders um das Wohlergehen der künftigen Generationen bemüht sein. Wir appellieren daher an ihn, auch im Sinne seiner eigenen Kinder ein gesünderes Morgen in der Gastronomie zu schaffen“, so die Initiatoren. Die Arbeit von „Don’t Smoke“ würde nun auch fortgesetzt werden, „bis ein Umdenken in der Politik stattfindet“, sagte Szekeres auch Dienstagfrüh im Ö1-Morgenjournal – Audio dazu in oe1.ORF.at.