Deutscher Innenminister Horst Seehofer (CSU) und der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU)
APA/AFP/Christof Stache
Landtagswahl

Auch Berlin blickt gespannt nach Bayern

9,5 Millionen Menschen sind am Sonntag aufgerufen, ihre Stimme bei der bayrischen Landtagswahl abzugeben. Umfragen sehen einen Absturz der seit Jahrzehnten regierenden CSU voraus. Die Wahl könnte damit nicht nur eine Verschiebung der politischen Tektonik im Freistaat bringen, sondern auch große Auswirkungen auf die deutsche Regierung haben – in welche Richtung, darüber scheiden sich die Geister.

Kurz nach Wahlschluss um 18.00 Uhr werden deshalb nicht nur in Bayern die Augen auf die ersten Prognosen und Hochrechnungen gerichtet sein. Das nicht ganz einfache bayrische Wahlsystem mit Erst- und Zweitstimme sowie Überhang- und Ausgleichsmandaten könnte dann noch zu einem spätabendlichen Wahlkrimi führen – denn bei etlichen Entscheidungen könnten es sehr eng werden.

Allen voran stellt sich die Frage, wie gut – oder wie schlecht – die CSU tatsächlich abschneidet. Zuletzt sahen Umfragen sie bei unter 33 Prozent. Dass die absolute Mehrheit verloren geht, davon wird mittlerweile schon ausgegangen. Fraglich ist aber, ob die Christlich-Sozialen einen oder gar zwei Koalitionspartner brauchen werden.

Knappes Rennen auf den Plätzen erwartet

Auf Platz zwei werden die Grünen erwartet, die versuchen wollen, ihre guten Umfrageergebnisse auch tatsächlich am Wahlabend einzufahren. Bei Platz drei scheint alles offen, bei drei Parteien kommt es darauf an, wer die prognostizierten zehn Prozent am deutlichsten überschreitet: Die rechtspopulistische AfD könnte aus dem Stand diesen Platz erobern. Der SPD wird ein Absturz von rund 20 Prozent von 2013 auf zehn Prozent vorhergesagt.

Grafik zeigt  Umfragewerte der Parteien im Vergleich zum Wahlergebnis 2013, Sitze im Landtag
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Die Freien Wähler dürften ebenfalls in diesem Bereich abschneiden – und das ist auch für die CSU interessant: Ähnlich konservativ und politisch einigermaßen flexibel, gelten sie als der ideale Regierungspartner – wofür sich allerdings diese Zweierkoalition ausgehen müsste. Fehlen Mandate, könnte die FDP einspringen, die allerdings genauso wie die Linke erst einmal die Fünfprozenthürde schaffen muss. Auch da könnte es ganz knapp werden.

Das „Maximilianeum“ in München
Reuters/Michaela Rehle
Wer darf in den Landtag und damit ins Maximilianeum einziehen?

Schwierige Koalitionssuche steht bevor

Neben eine Koalition aus CSU und Freien Wählern oder der Dreiervariante mit der FPD gilt auch eine Zusammenarbeit der CSU mit den Grünen als denkbar. Laut Umfragen werden die als „Realos“ geltenden bayrischen Grünen bei ihrem erwarteten Wahlerfolg auch etliche Wählerinnen und Wähler der CSU gewinnen. Anknüpfungspunkte sollte es also geben, allerdings liegen die beiden Parteien in zentralen Fragen – Flüchtlinge, Dieselfahrverbote, Polizeibefugnisse und Landwirtschaft – sehr weit auseinander.

Eine Regierungsbeteiligung der SPD wäre eine große Überraschung, eine in einigen Umfragen theoretisch mögliche Mehrheit abseits der CSU ist in Bayern quasi undenkbar. Die AfD ins Boot zu holen hat die CSU ausgeschlossen, auch wenn es vereinzelt Stimmen gab, diese Position zu überdenken.

Kritik an Seehofer wuchs

Sosehr die deutsche Bundespolitik wohl Einfluss auf das Wahlergebnis haben wird, so sehr wird auch der Wahlabend deutliche Folgen für die Koalition in Berlin zeitigen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wer in der CSU für das schlechte Abschneiden verantwortlich gemacht wird – und damit entscheidet sich das politische Schicksal von CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer.

In den vergangenen Wochen und Monaten wuchs auch in der Partei die Kritik an Seehofer. Mit seiner harten Linie in der Flüchtlingsfrage und seinem Festhalten am umstrittenen Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen hatte er nicht nur die Regierung in Berlin mehrmals an den Rand des Koalitionsbruchs gebracht, sondern auch in der Heimat zumindest für Irritation gesorgt.

Söder stichelt gegen „Berlin“

Seehofers Auftreten wurde – zumindest anfangs – immer vor der nahenden Bayern-Wahl und den schlechten CSU-Umfragewerten aus betrachtet. Er versuche das Profil zu schärfen, hieß es zumeist. Dass diese Versuche eher kontraproduktiv waren, sah man bald auch in der CSU.

Ministerpräsident und CSU-Spitzenkandidat Markus Söder gab zuletzt der Koalition in Berlin Mitschuld an den desaströsen Umfragewerten in Bayern – und meinte damit auch Seehofer. Der Machtkampf der beiden, der im März in der Postenaufteilung Ministerpräsident Söder und Parteichef Seehofer nur kurz beigelegt wurde, flammte rasch wieder auf – und nach der Wahl könnte es wieder recht brutal werden.

Geht Seehofer?

Söder scheint – auch aufgrund mangelnder Konkurrenz – fest im Sattel zu sitzen, während Seehofers Rückhalt zunehmend schwand. Dennoch machte er zuletzt mehr als deutlich, dass er sich nicht allein für eine Wahlniederlage verantwortlich machen lassen will. Auch ein Rückzug scheint für ihn nicht infrage zu kommen: „Ich habe ein großes Werk zu verrichten.“ Ob man ihn das auch lässt, steht auf einem anderen Blatt. Wird er als CSU-Chef gestürzt, dürfte ihn das wohl auch den Ministerposten in Berlin kosten.

Erleichterung oder Belastung der Koalition?

In Kommentaren und Analysen deutscher Medien werden für diesen Fall allerdings zwei völlig gegensätzliche Szenarien entworfen. Zum einen wird spekuliert, dass ein Gerangel um Seehofers Ablöse und auch eine mögliche Nachfolgedebatte die Berliner Koalition in die nächste Krise stürzen könnte. Die ohnehin wacklige Regierung könnte von solchen Turbulenzen weiteren Schaden nehmen.

Zum andern heißt es in Kommentaren, eine Ablöse Seehofers könnte den unionsinternen Streit abflauen lassen und die tiefen Risse zwischen CDU und CSU kitten. Die Regierung könnte sich dann wieder vermehrt um inhaltliche Arbeit kümmern – und vielleicht würde auch der Koalitionspartner SPD zur Ruhe kommen. Parteichefin Andrea Nahles war ja zuletzt – auch auf Druck der Parteibasis – auf Konfrontationskurs zur CSU gegangen.