Aus für Popmagazin „Spex“

„Spex“, das einflussreichste deutschsprachige Popmagazin, steht vor dem Aus. Nur noch zwei Ausgaben des zuletzt zweimonatlich erscheinenden Hefts, das gesellschaftlichen und musikalischen Subkulturen eine Stimme verlieh, wird es geben, dann ist es vorbei.

Auf der Website wurde gestern das Editorial publiziert: „Jens Friebe hat leider recht, liebe Leser_innen. ‚Vermutlich ist es heute schwieriger, über Pop zu schreiben, als selbst Pop zu machen‘, sagt er im Interview in der neuen SPEX-Ausgabe. Was er und sein Gesprächspartner Maximilian Sippenauer zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Besagte Ausgabe ist zugleich die vorletzte von SPEX. Nach 38 Jahren und 384 Heften wird das Magazin zum Ende des Jahres eingestellt.“

Befund: Dringender denn je

Am 17. Dezember erscheine die letzte Ausgabe. Als Grund für die Einstellung nennt Chefredakteur Daniel Gerhardt die Werbekrise. Der Anzeigenmarkt im Printbereich befinde sich im „Sinkflug“. Aber auch die Gatekeeper-Funktion des Popjournalismus habe sich „weitgehend erledigt“.

Eine Stimme wie das „Spex“ (oder die „Spex“, wie es in Deutschland heißt) sei heute wichtig wie eh, befindet Gerhard freilich: „Weil jemand die Stimmen aufzeigen und stärken muss, die für übersehene und unterdrückte, versponnene, abseitige und revolutionäre Positionen im Pop stehen – oder sich, ganz aktuell, gegen einen in Deutschland aufblühenden neuen rechten Mainstream in Stellung bringen.“

Mehr als nur Musik

„Spex“ wurde 1980 gegründet und entwickelte sich bald zum einflussreichsten Popmagazin im deutschsprachigen Raum. Das Magazin widmete sich nicht nur Musik, sondern auch gesellschaftlichen und poptheoretischen Themen. 1993 manifestierte sich das auch im Untertitel: Aus „Musik zur Zeit“ wurde „Magazin für Popkultur“.

Auch die Karriere von zahlreichen bekannten Theoretikern wie Schriftstellern ist mit „Spex“ verbunden: Diedrich Diederichsen, Dietmar Dath, Hans Nieswandt, Mark Terkessidis und Tom Holert schrieben für das Blatt, waren Chefredakteure oder Mitherausgeber.

Immer wieder Turbulenzen

Einen ersten großen wirtschaftlichen Umbruch gab es zum Jahreswechsel 1999/2000. Die Selbstherausgeberschaft endete, die eigene Verlagsgesellschaft wurde an den Münchner Piranha-Verlag verkauft. Mit einem Bruch in der Belegschaft näherte sich das Magazin wieder an die traditionelle Musikberichterstattung an, doch immer wieder gab es wirtschaftliche Turbulenzen und Streitigkeiten über die Ausrichtung. Gegen den Willen großer Teile des Magazins wurde der Redaktionssitz 2007 von Köln nach Berlin verlegt.

Einstellung kein Einzelschicksal

Der neue Chefredakteur Max Dax versuchte die Gratwanderung: Einerseits wollte er mit gesellschaftlichen Themen und Poptheoretisierungen an die Blütezeit anschließen, andererseits aber auch den Lifestyle-Bereich bedienen. 2010 gab Dax auf, die Chefredaktion wechselte in den folgenden Jahren mehrmals. Die Einstellung des „Spex“ ist nun aber kein Einzelschicksal: Im Juli stellte das deutsche Zeitschrift „Intro“ ihr Erscheinen ein, ebenfalls heuer verschwand die Printausgabe des britischen „NME“, die neben dem „Rolling Stone“ als Mutter aller Musikzeitschriften galt.