Aiwander (Freie Wähler) und Söder (CSU) auf Plakaten
APA/dpa/Michael Kappeler
Bayern

Freie Wähler als Königsmacher

Schon kurz nach den ersten Hochrechnungen am Sonntag hat sich die Koalition abgezeichnet: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wie auch CSU-Chef Horst Seehofer sprachen sich für eine Koalition mit den Freien Wählern aus. Bereits zuvor hatte sich deren Chef Hubert Aiwanger als Partner angeboten. Nun versucht er sein Fell nicht zu billig zu verkaufen – während die CSU sich verdächtig einträchtig zeigt.

Die Freien Wähler gehen mit der Forderung nach mindestens drei Ministerien in die Koalitionsverhandlungen mit der CSU in Bayern. Partei- und Fraktionschef Aiwanger sagte am Montag in München, die Freien Wähler strebten „drei große oder fünf kleine“ Ministerien an. Bisher besteht die bayrische Staatsregierung aus 13 Ministern und fünf Staatssekretären.

Aiwanger geht von zügigen Verhandlungen aus. Schon für Mittwoch seien erste Sondierungsgespräche geplant, die „sehr schnell in Koalitionsverhandlungen münden“ sollten. Er gehe davon aus, dass Freie Wähler und CSU die maximale Frist von vier Wochen für die Regierungsbildung nicht ausschöpfen. „Ich glaube, dass wir in 14 Tagen 80 Prozent ausverhandelt haben.“

Eine Grafik zeigt die Sitzverteilung im Bayrischen Landtag
Grafik: ORF.at; Quelle: landtagswahl.br.de

Aiwanger will sich nicht unter Wert verkaufen

Aiwanger sagte, die Landesregierung müsse sich um die Alltagsprobleme der Bürger kümmern, um den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Seiner Partei gehe es um einen neuen Politikstil. „Wir werden uns nicht unter Wert verkaufen. Aber wir haben keine unerfüllbaren Forderungen“, sagte Aiwanger. Er warnte die CSU davor, die Freien Wähler zu übervorteilen. „Sollte es sich herausstellen, dass die CSU mit uns Schlitten fahren will, sind wir die Ersten, die vom Schlitten absteigen und die anderen gegen die Wand fahren lassen.“

Wenige Streitpunkte

Inhaltlich scheint es nur wenige Knackpunkte zu geben: Die Freien Wähler wenden sich allerdings strikt gegen eine dritte Startbahn auf dem Flughafen München. Der von den Behörden genehmigte, politisch wegen des Vetos der Stadt München aber auf Eis liegende Ausbau ist ein CSU-Anliegen. Söder hält den Ausbau für einen wichtigen Wirtschaftsimpuls, zeigte zuletzt aber wenig Ehrgeiz bei der Realisierung.

Ein zweiter strittiger Punkt ist die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten. Die Freien Wähler drängen auf Kostenfreiheit. Die CSU setzt hingegen darauf, lieber mehr Geld in die Qualität der Betreuung zu investieren. Bei anderen Themen gibt es wenige Widersprüche, die Freien Wähler gelten in einigen Themen als konservativer als die CSU. Besonders in der von der CSU vehement im Bund vertretenen Flüchtlingspolitik gibt es praktisch Deckungsgleichheit.

Bisher eher One-Man-Show

Man geht auch davon aus, dass die Freien Wähler ein verlässlicher Partner sind. Allerdings: Die Partei gilt als One-Man-Show, Aiwanger ist in Personalunion Bundesvorsitzender, Landesvorsitzender, Fraktionschef im bayrischen Landtag – und künftig nun möglicherweise auch Staatsminister in der bayrischen Landesregierung. Wie dick die Personaldecke der Partei ist, bleibt abzuwarten.

Aiwanger hatte es geschafft, die Freien Wähler von dem Image zu befreien, das Sammelbecken für Politiker zu sein, die in der CSU keine Chance hätten. Für Aufsehen sorgte etwa vor zehn Jahren das Überlaufen der schillernden CSU-Abtrünnigen Gabriele Pauli zu den Freien Wählern

Söder will „gemeinsamen Geist“

In der CSU versuchte man unterdessen möglichst sachlich mit dem Wahlergebnis umzugehen. Söder betonte, dass er als Landesregierung kein Zweckbündnis eingehen wolle. Inhalte sollten im Mittelpunkt stehen und Personalien erst am Ende besprochen werden. „Ganz entscheidend ist, dass es einen gemeinsamen Geist geben muss.“ CSU-Chef Seehofer lässt Söder bei den Gesprächen in München den Vortritt und will sich nach eigenen Worten selbst um eine Stabilisierung der Großen Koalition in Berlin bemühen. „Dass der Ministerpräsident eine zentrale Rolle spielt, ist doch klar“, sagte er.

Markus Söder
APA/dpa/Kay Nietfeld
Söder und Seehofer bisher ohne gegenseitige Anschuldigungen

Söder holte sich unterdessen in der CSU-Vorstandssitzung am Montag die Zustimmung für seine Kandidatur zum Ministerpräsidenten, präsentierte Ilse Aigner als kommende Landtagspräsidentin und Thomas Kreuzer als Fraktionschef und veröffentlichte einen äußerst flotten Zeitplan. Kritik wurde in der Sitzung kaum laut – und auch öffentlich versucht die CSU sich demonstrativ geschlossen zu zeigen. Dabei war gerade nach den Streitereien schon im Vorfeld der Wahl erwartet worden, dass nach dem Absturz die Grabenkämpfe schnell beginnen könnten.

„Jeder ist ersetzlich – ich schon allemal“

CSU-Chef Seehofer will erst nach einer Regierungsbildung in Bayern über personelle Konsequenzen diskutieren, erklärte sich aber bereit, sich der Verantwortung zu stellen. „Jeder ist ersetzlich – ich schon allemal“, sagte Seehofer am Montagabend im ZDF. Zum derzeitigen Zeitpunkt führe er aber keine Personaldiskussion, auch nicht über sich selbst.

Die CSU habe sich darauf verständigt, den Regierungsauftrag anzunehmen, sagte Seehofer. Dann werde man überlegen, welche weiteren Schritte notwendig seien. Bis zu diesem Zeitpunkt werde er aber keine Schuldzuweisungen betreiben. Auf die Frage, ob er überzeugt sei, dass er Ende des Jahres noch Parteichef sein werde, antwortete Seehofer: „Ja, ich habe immer große Hoffnung im Herzen, aber ich bin (…) ergebnisoffen. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich etwas angekündigt habe.“

Keine Rücktritte nach Wahlschlappe

Trotz der herben Verluste bei CSU und SPD hat es bis jetzt keinen Rücktritt gegeben.

Der frühere CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer rechnet mit einer automatischen Führungsdebatte in der CSU. Söder sitze aber fest im Sattel. Wenn es um die Nachfolge für Seehofer gehe, dann könne sich Söder „den Parteivorsitz nicht nehmen lassen“. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel erinnerte an seinen eigenen Rücktritt als Parteichef 1998, und der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, Manfred Weber, forderte eine Rückbesinnung der CSU „auf eine Partei der Mitte“.

Merkel ortet Vertrauensverlust

Die CSU wehrte sich gegen vereinzelte Zurufe aus der Schwesterpartei CDU wie die des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther, der personelle Konsequenzen gefordert hatte. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einem „Versuch der Provokation“.

Und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) meldete sich zu Wort: Nach ihrer Ansicht sei ein Vertrauensverlust der Wähler in die Politik für den Ausgang der bayrischen Landtagswahl verantwortlich. Auch gute Wirtschaftsdaten und Vollbeschäftigung reichten den Menschen nicht, „wenn etwas nicht da ist, was ebenso wichtig ist – und das ist Vertrauen, Vertrauen in die politischen Akteure“, sagte die CDU-Chefin am Montag in Berlin, ohne Namen zu nennen.