Dschemal Chaschuqdschi
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Causa Chaschukdschi

Riad laut CNN vor Eingeständnis

Der Fall Dschamal Chaschukdschi steht möglicherweise vor einer Wende. US-Medien zufolge will Saudi-Arabien eine Erklärung zum Schicksal des in der Türkei verschwundenen Journalisten abgeben. Der Plan sei gewesen, Chaschukdschi zu entführen, aber nicht, ihn zu töten. Sein Verhör soll schiefgegangen sein.

Der US-Nachrichtensender CNN beruft sich bei seinem Bericht auf zwei Quellen. Demnach könnte Saudi-Arabien erklären, Chaschukdschi sei bei einem schiefgelaufenen Verhör während eines Entführungsversuchs gestorben. Eine Quelle sagte, in dem Bericht dürfte festgehalten werden, dass die gegen Chaschukdschi gerichtete Operation ohne Genehmigung von oben abgelaufen sei – und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Auch die US-Zeitungen „New York Times“ und „Wall Street Journal“ berichteten, Riad erwäge zu erklären, Chaschukdschi sei versehentlich während eines Verhörs getötet worden.

US-Präsident Donald Trump sagte nach einem Telefongespräch mit dem saudi-arabischen König Salman, dieser habe vehement bestritten, dass die Führung des Königreichs etwas mit Chaschukdschis Verschwinden zu tun habe. Das Dementi des Königs sei „sehr, sehr stark“ gewesen, sagte Trump. Es habe sich für ihn so angehört, als könnten vielleicht „allein handelnde Killer“ (rogue killer) am Werk gewesen sein.

Polizisten beim Einsatz
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Türkische Polizisten suchen im saudischen Konsulat nach Hinweisen auf den verschwundenen Journalisten

Polizisten durchsuchten Konsulat

Chaschukdschi, der Kolumnen für die „Washington Post“ geschrieben hatte, war im September 2017 aus Furcht vor einer Festnahme in die USA ins Exil gegangen. Am 2. Oktober wollte er Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten im saudischen Konsulat in Istanbul abholen und ist seitdem verschwunden. Drei Tage zuvor hatte er in einem Interview mit der BBC die Sorge geäußert, bei einer Rückkehr nach Saudi-Arabien festgenommen zu werden.

Zur Aufklärung des Falls durchsuchten türkische Polizisten und Staatsanwälte in der Nacht auf Dienstag erstmals das Konsulat. Sie nahmen dabei mehrere Proben mit – unter anderem von Erde des Konsulatsgartens, wie ein Behördenvertreter sagte. Auch die Residenz des saudi-arabischen Konsuls werde durchsucht, meldete unterdessen der türkische Sender NTV. Das Konsulat solle im Laufe des Tages erneut durchsucht werden.

Saudi-arabisches Konsulat in Istanbul
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Das Konsulat in Istanbul ist weiträumig abgeriegelt

Es war das erste Mal, dass türkische Beamte seit dem Verschwinden Chaschukdschis das Konsulat betraten. Der Durchsuchung des Konsulats und den damit zusammenhängenden Ermittlungen war ein tagelanges Tauziehen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien vorausgegangen.

Ruf nach Aufklärung

Chaschukdschis Familie forderte eine internationale Untersuchung zum Verschwinden des Journalisten. Ein unabhängiges und objektives Team müsse die Umstände zu seinem Verschwinden und die Berichte zur Tötung aufklären, schrieb die Familie in einer Stellungnahme, die in der Nacht zum Dienstag veröffentlicht wurde. Man verfolge die Nachrichten über das Schicksal Chaschukdschis mit Angst und versuche, den Schock zu überwinden.

Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, forderte die Aufhebung der Immunität von Diplomaten in der Türkei. Bachelet bezog sich nach Angaben ihres Sprechers auf alle saudischen Diplomaten, die Ermittler befragen wollen. Sie rief am Dienstag saudische und türkische Behörden auch auf, sämtliche Fakten zügig auf den Tisch zu legen. „Zwei Wochen ist eine lange Zeit, in der ein wahrscheinlicher Tatort nicht forensisch untersucht worden ist“, so Bachelet.

Unter anderem die USA und europäische Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien verlangten von Saudi-Arabien Aufklärung. Erwartet werde „eine detaillierte und umfassende Antwort“ der saudi-arabischen Regierung, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Es bedürfe „glaubhafter Ermittlungen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und gegebenenfalls jene zu identifizieren, die für das Verschwinden von Dschamal Chaschukdschi verantwortlich sind“.

US-Außenminister Pompeo in Riad

Am Wochenende hatte Trump erstmals die Vermutung geäußert, dass Chaschukdschi tot ist und schloss nicht aus, dass Saudi-Arabien dafür verantwortlich sein könnte. Er drohte Riad mit einer „schweren Strafe“. Laut der US-Zeitung „Washington Post“ informierten türkische Regierungsvertreter US-Vertreter über Audio- und Videoaufnahmen, auf denen zu sehen und zu hören sei, wie Chaschukdschi im Konsulat verhört, gefoltert und ermordet worden sei. Anschließend sei seine Leiche zerteilt worden, berichtete das Blatt.

Dass Trump nach dem Telefonat mit dem saudischen König nun wieder mildere Töne anschlägt, könnte mit den Geschäftsinteressen Trumps in Saudi-Arabien zu tun haben. Washington ist ein enger Verbündeter und zugleich ein wichtiger Handelspartner Saudi-Arabiens: Kein Staat kauft so viele amerikanische Waffen. Auch aufgrund seiner Ölressourcen hat Riad ein Druckmittel gegenüber Washington in der Hand.

Am Dienstag traf US-Außenminister Mike Pompeo in Saudi-Arabien ein, um dort mit der Führung des Landes über das mysteriöse Verschwinden von Chaschukdschi zu sprechen. Am Mittwoch soll er dann in die Türkei reisen und dort Außenminister Mevlüt Cavusoglu treffen, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu.