Saudi Arabiens König Salman und US-Außenminister Mike Pompeo
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Causa Chaschukdschi

Pompeo bei König Salman in Riad

Das Verschwinden des saudischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi hat die Führung in Riad in Erklärungsnöte gebracht. US-Präsident Donald Trump hat nun seinen Außenminister Mike Pompeo in das Königreich geschickt, um Licht in den rätselhaften Fall zu bringen.

Bilder zeigten Pompeo am Dienstag zusammen mit dem saudischen König Salman in dessen Palast in Riad. Über die genauen Inhalte des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt. Am Wochenende hatte Trump erstmals die Vermutung geäußert, dass Chaschukdschi tot ist, und schloss nicht aus, dass Saudi-Arabien dafür verantwortlich sein könnte. Er drohte Riad mit einer „schweren Strafe“.

Laut der US-Zeitung „Washington Post“ informierten türkische Regierungsvertreter US-Vertreter über Audio- und Videoaufnahmen, auf denen zu sehen und zu hören sei, wie Chaschukdschi im Konsulat verhört, gefoltert und ermordet wird. Anschließend sei seine Leiche zerteilt worden, berichtete das Blatt.

Trump: Dementi „sehr, sehr stark“

Am Montag schlug Trump nach einem Telefonat mit König Salman wieder mildere Töne an. Salman habe vehement bestritten, dass die Führung des Königreichs etwas mit Chaschukdschis Verschwinden zu tun habe, so Trump. Das Dementi des Königs sei „sehr, sehr stark“ gewesen, sagte Trump. Es habe sich für ihn so angehört, als könnten vielleicht „allein handelnde Killer“ (rogue killer) am Werk gewesen sein.

Washington ist ein enger Verbündeter und zugleich ein wichtiger Handelspartner Saudi-Arabiens: Kein Staat kauft so viele amerikanische Waffen. Auch aufgrund seiner Ölressourcen hat Riad ein Druckmittel gegenüber Washington in der Hand. Die USA haben die Teilnahme von Finanzminister Steven Mnuchin an einer geplanten Investmentkonferenz in der saudischen Hauptstadt indes weiter offen gelassen. Der Finanzminister werde an diesem Freitag entscheiden, ob er nach Riad reisen werde oder nicht, sagte Trump. Zuletzt hatten sich Absagen von prominenten Konzernchefs bei der als hochkarätig eingeschätzten Wirtschaftskonferenz in Riad gehäuft.

Erdogan: Suchen nach Gift

Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass der Journalist von einem aus Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando getötet wurde. Sie prüfen offenbar, ob dabei Gift eingesetzt wurde. Die Ermittler gingen „vielen Dingen nach, wie etwa toxischen Materialien und solchen Materialien, die entfernt wurden, indem sie übermalt wurden“, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag.

Polizisten beim Einsatz
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Türkische Polizisten suchen im saudischen Konsulat nach Hinweisen auf den verschwundenen Journalisten

Er bezog sich in seinen Äußerungen auf die neunstündige Durchsuchung des saudi-arabischen Konsulats in Istanbul am Montag. Er hoffe, dass so bald wie möglich Schlussfolgerungen gezogen werden könnten, „die uns eine vernünftige Meinung liefern“. Medienberichten zufolge soll das Konsulat im Laufe des Tages erneut durchsucht werden.

Die regierungsnahe Zeitung „Sabah“ berichtete, das Gelände sei auch mit Hunden abgesucht worden. Es war das erste Mal, dass türkische Beamte seit dem Verschwinden Chaschukdschis das Konsulat betraten. Der Durchsuchung des Konsulats und den damit zusammenhängenden Ermittlungen war ein tagelanges Tauziehen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien vorausgegangen. Außerdem ist Diplomatenkreisen zufolge eine Durchsuchung der Residenz des saudi-arabischen Konsuls in Istanbul geplant.

CNN: Riad vor Eingeständnis

Der US-Fernsehsender CNN sowie die Zeitungen „New York Times“ und „Wall Street Journal“ berichteten unterdessen, dass Saudi-Arabien eine Erklärung zum Schicksal Chaschukdschis abgeben wolle. Demnach soll sein Verhör schiefgegangen sein. CNN berichtete unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen, der Plan sei gewesen, den Saudi zu entführen, aber nicht zu töten. Eine Quelle sagte, in dem Bericht dürfte festgehalten werden, dass die gegen Chaschukdschi gerichtete Operation ohne Genehmigung von oben abgelaufen sei – und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden.

Saudi-arabisches Konsulat in Istanbul
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Das Konsulat in Istanbul ist weiträumig abgeriegelt

Chaschukdschi, der Kolumnen für die „Washington Post“ geschrieben hatte, war im September 2017 aus Furcht vor einer Festnahme in die USA ins Exil gegangen. Am 2. Oktober wollte er Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten im saudischen Konsulat in Istanbul abholen und ist seitdem verschwunden. Drei Tage zuvor hatte er in einem Interview mit der BBC die Sorge geäußert, bei einer Rückkehr nach Saudi-Arabien festgenommen zu werden.

Ruf nach Aufklärung

Chaschukdschis Familie forderte eine internationale Untersuchung zum Verschwinden des Journalisten. Ein unabhängiges und objektives Team müsse die Umstände zu seinem Verschwinden und die Berichte zur Tötung aufklären, schrieb die Familie in einer Stellungnahme, die in der Nacht zum Dienstag veröffentlicht wurde. Man verfolge die Nachrichten über das Schicksal Chaschukdschis mit Angst und versuche, den Schock zu überwinden.

Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, forderte die Aufhebung der Immunität von Diplomaten in der Türkei. Bachelet bezog sich nach Angaben ihres Sprechers auf alle saudischen Diplomaten, die Ermittler befragen wollen. Sie rief am Dienstag saudische und türkische Behörden auch auf, sämtliche Fakten zügig auf den Tisch zu legen. „Zwei Wochen ist eine lange Zeit, in der ein wahrscheinlicher Tatort nicht forensisch untersucht worden ist“, so Bachelet.

Unter anderem die USA und europäische Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien verlangten von Saudi-Arabien Aufklärung. Erwartet werde „eine detaillierte und umfassende Antwort“ der saudi-arabischen Regierung, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Es bedürfe „glaubhafter Ermittlungen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und gegebenenfalls jene zu identifizieren, die für das Verschwinden von Dschamal Chaschukdschi verantwortlich sind“.