Eindrücke vom BVT-U-Ausschuss
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BVT-U-Ausschuss

Pollis Tanz auf der „Asche des BVT“

Der ehemalige Chef des BVT, Gert-Rene Polli, hat am Mittwoch die Lage, in der sich der Staatsschutz heute befindet, als „Katastrophe“ bezeichnet. „Wir tanzen auf der Asche des BVT“, sagte der 58-Jährige vor dem Untersuchungsausschuss. Schuld daran sei nicht nur die umstrittene Razzia Ende Februar, sondern auch die medienöffentliche Befragung – in der er sich manchmal nicht an Namen erinnern konnte.

Polli leitete von 2002 bis 2008 das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Der gelernte Tischler, der beim Auslandsnachrichtendienst Karriere machte, bezeichnete den BVT-Chefposten selbst als einen „der größten Schleudersitze der Republik“. Polli wird eine FPÖ-Nähe attestiert. Bei den Regierungsverhandlungen war er als Berater des nunmehrigen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) in Erscheinung getreten. Heute arbeitet der Kärntner als Referent in Kickls Ressort, eine Rückkehr in das BVT wurde medial kolportiert.

Allen voran dreht sich die Befragung am Mittwoch um das anonyme Konvolut mit teils haltlosen Vorwürfen gegen BVT-Beamte. Laut Peter Pilz (Liste Pilz) hatte Polli das Dossier am 20. September 2017 um 20.56 Uhr erhalten. Polli kann sich an das Datum nicht genau erinnern, allerdings gab er an, das 39 Seiten dicke Konvolut über einen Mittelsmann bekommen zu haben. Mehrmals habe der Ex-BVT-Chef das Papier „studiert“, daran mitgeschrieben habe er aber nicht. „Ich kenne niemanden in Österreich, der in der Lage wäre, so was zu schreiben. Es handelt sich um Detailwissen, auch über die Landespolitik“, so Polli.

„Zufälliges“ Treffen mit Martin W.

Deshalb vermutet der 58-Jährige, dass mehrere Personen das Dossier verfasst haben. Dass sich Polli Ende 2017 dann mit dem ehemaligen BVT-Abteilungsleiter Martin W. in einem Wiener Hotel getroffen habe, sei Zufall gewesen. Es wird gemutmaßt, dass W., der laut Medienberichten frustriert war, weil er bei einer Beförderung übergangen wurde, hinter dem Konvolut steckt. Polli habe W. das auch gefragt. Dieser wies, wie am Dienstag vor dem Ausschuss, die Autorenschaft zurück.

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Der frühere Chef des Staatsschutzes, Gert-Rene Polli, auf dem Weg in den BVT-Untersuchungsausschuss

Polli übte in seiner Befragung Kritik an der Gesamtsituation, in der sich der Staatsschutz nun befinde. „Das BVT ist zerstört“, sagte der frühere BVT-Leiter. Schuld daran seien die umstrittene Hausdurchsuchung Ende Februar, das anonyme Konvolut und die medienöffentliche Befragung im Ausschuss. Er kenne nämlich keinen Staat, in dem unter anderem „so ein Ausschuss in aller Öffentlichkeit möglich gewesen wäre“. Es sei eine „Katastrophe“, was mit dem Bundesamt passiere. Nach wie vor sei das BVT „sein Baby“, sagte Polli, der in der Ära von Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) aus der Staatspolizei das BVT bastelte.

Bevor er wieder im Innenministerium tätig wurde, drehte er nach eigenen Angaben immer wieder ein paar Runden. Polli wollte nicht in Vergessenheit geraten, weil er doch Bundesbeamter sei und auch mal ein Comeback wagen wollte. Die Frage von FPÖ-Fraktionsschef Hans-Jörg Jenewein, ob es zu seiner Zeit im BVT je zu Verdachtsmomenten zu Mobbing oder Sexismus gekommen sei, verneinte Polli. Die Vorwürfe gegen BVT-Beamte, die im Konvolut enthalten sind, haben ihn zuerst „geschockt“, wie er klarmachte. Heute wisse er, dass es „in vielen Bereichen überzogen sei“, aber die „Tendenz“ des Papiers stimme.

Namen von BVT-Parteigünstlingen „vergessen“

Über sein Verhältnis zur Leiterin des BVT-Extremismusreferats, Sybille G., sagte Polli, dass dieses angespannt gewesen sei. G. – in ihrem Büro wurden bei der Hausdurchsuchung Ende Februar mehrere Datenträger beschlagnahmt – sei „sehr stark gegen alles aufgetreten, was mit E1 zu tun hat, also mit Offizieren“, die allerdings „als Kriminalbeamte und Leitungspersonen“ eine wichtige Funktion hätten. Polli wollte Politik „aus der Organisation BVT draußen halten“, aber die Referatsleiterin habe damals als Gleichbehandlungsbeauftragte auch bei Besetzungen von Posten mitzureden gehabt. Niemand hat laut Polli eine derartige „Bilderbuchkarriere“ hingelegt wie die Chefermittlerin.

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Polli antwortet ruhig auf die Fragen der Abgeordneten und sorgt sich nach eigenen Angaben um das BVT

Dass Polli nur wenige Tage nach der Razzia im BVT in einem Interview angemerkt hat, dass es im Staatsschutz auch Personen gebe, „die außer dem Parteibuch keine Qualifikation aufweisen“, war auch im Ausschuss Thema. Pilz wollte die Namen solcher „Parteigünstlinge“ wissen. „Sie erwarten von mir nicht, dass ich die Personen nenne? Sonst würde ich auch Ihre jahrelangen Informanten im BVT aufdecken, das wollen Sie sicher nicht. Ich wäre bereit dazu“, sagte Polli und ergänzte: „Ich werde keine Namen nennen.“

Vorsitzende Doris Bures (SPÖ) wies Polli auf die Bestimmungen zur Aussageverweigerung hin. Wenn er sich der Antwort entschlagen will, muss er das auch begründen. Wenn er keine Begründung vorlegen kann: „Ich fordere Sie auf, die Frage zu beantworten, wenn Sie noch wissen, wen Sie bei diesem Interview gemeint haben“, erklärte Bures. „Ich kann mich an die Namen nicht erinnern, aber an die Situation“, so Polli. So seien „zehn Akademiker“ im Jahr 2006 „parteipolitisch“ im BVT „aufgeschlagen“, darunter der Ex-Leiter der Spionage (Bernhard P., Anm.). Der Name wurde von Polli nicht genannt.

Polli relativierte Aussagen – keine Antwort

Das hartnäckige Nachfragen von NEOS-Fraktionsschefin Stephanie Krisper, die die Namen der Parteigünstlinge wissen wollte, blieb ohne Erfolg. Polli begründete seine Entschlagung mit „Kreditschädigung“. Es seien auch nicht die Namen wichtig, sondern: „Die Masse der Leute, die in das BVT gekommen sind, ist zu groß und zu einseitig. Von mir werden sie die Namen nicht bekommen“, pochte der frühere BVT-Chef auf seine Antwort. Nach einer Unterbrechung durch Vorsitzende Bures änderte Polli seine Antwort und zog Aussagen aus dem Interview von damals zurück. „Das war etwas übers Ziel hinausgeschossen“, sagte er.

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Nach dem Ausschuss stellte sich Polli auch den Fragen der Medien. Auch hier betonte er abermals den Imageverlust des BVT

Damit umschiffte der Ex-Staatsschutzchef die Frage nach Parteibüchern im BVT. Auf die Frage, ob Abteilungsleiter W. mit parteipolitischer Unterstützung in das BVT gelangt ist, verneint Polli. W. sei eine Art Gründungsmitglied gewesen. „Ich habe den Eindruck, es gab eine politische Wunschliste, wer was wird. Gesehen habe ich diese Wunschliste aber nie“, drehte er die Spindel weiter. Die Personalhoheit obliege dem Innenministerium und nicht dem BVT-Chef, ergänzte Polli.

Der vielseitige Berater bestätigte auch seine Vorwürfe gegen das BVT, dass es dort auf der einen Seite nach Korruption rieche und auf der anderen Seite nach Führungslosigkeit. Damit meine er aber nicht ausschließlich den aktuellen BVT-Chef Peter Gridling, der auch sein Nachfolger ist. Diese Aussage betreffe alle Leitungsfunktionen im Staatsschutz. Dass Polli sich nicht an Namen erinnern könne, lässt den ÖVP-Fraktionschef Werner Amon ratlos zurück: „Das ist traurig, dass jemand, der BVT-Chef war, so ein schlechtes Gedächtnis hat.“