Justizminister Josef Moser, Landeshauptmann Hans Niessl
APA/Herbert Pfarrhofer
Verwaltungsreform

Kleiner Schritt getan, große Schritte offen

Versuche, die Verwaltung zu reformieren und die Aufgaben zwischen Bund und Ländern besser zu verteilen, hat es immer wieder gegeben. Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat sich den Abbau von Parallelstrukturen ebenfalls auf die Fahnen geheftet. In einigen Punkten gibt es nun Fortschritte. Die großen Baustellen sind aber weiterhin offen.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach im Ministerrat am Mittwoch hinsichtlich der „Kompetenzbereinigung“ von der „größten Verfassungsreform seit 1929“. Mit dem verabschiedeten ersten Kompetenzbereinigungspaket soll die Abgrenzung der Zuständigkeiten von Ländern und Bund klarer werden. Die Zustimmung der Länder überbrachte der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) als Vorsitzender der Landeshauptleute-Konferenz.

Damit trat erstmals ein SPÖ-Politiker bei einem Pressefoyer nach dem Ministerrat der aktuellen ÖVP-FPÖ-Regierung auf. Ein nicht ganz unwesentliches Symbol, denn die Regierung braucht für den Parlaments- und Bundesratsbeschluss zu dieser Materie eine Zweidrittelmehrheit und damit die Zustimmung der SPÖ.

Blockaden abschaffen

Seit drei Jahrzehnten gebe es dazu Versuche, alle seien bisher gescheitert. Mit dieser Reform sollen Situationen, wo sich Bund und Länder gegenseitig blockiert haben, der Vergangenheit angehören, so Kurz. Das Übergangsgesetz aus dem Jahr 1920 soll fallen. Darin wird die wechselseitige Zustimmung von Bund und Ländern geregelt.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, Justizminister Josef Moser, Landeshauptmann Hans Niessl und Vizekanzler Heinz-Christian Strache
APA/Herbert Pfarrhofer
Mit Landeshauptmann Niessl trat erstmals in der ÖVP-FPÖ-Regierung ein SPÖ-Politiker nach dem Ministerrat auf

Diese gegenseitigen Zustimmungsrechte sollen reduziert werden und damit auch die Blockademöglichkeiten. So soll etwa ein Landesamtsdirektor künftig auch ohne den Segen des Bundes bestellt werden können. Auch die gegenseitigen Zustimmungsrechte in Bezug auf eine Änderung in den Sprengeln der politischen Bezirke sowie der Bezirksgerichte entfallen. ÖVP-Justiz- und -Reformminister Josef Moser sieht in Österreich ein Strukturproblem aufgrund der „aufgeteilten Kompetenzen“ auf Ebene von Bund, Ländern und Gemeinden: „Es gibt keine klare Ergebnisverantwortung, die Kompetenzen sind zersplittert, das Geld versickert in den Strukturen.“

Jugendfürsorge als Ländersache

Der Artikel 12 der Bundesverfassung soll nach Wunsch der Regierung abgeschafft werden. Darin ist die Grundsatzgesetzgebung des Bundes und die Ausführungsgesetze der Länder geregelt. Dadurch habe sich in manchen Fällen niemand zuständig gefühlt, so Moser. Die darin genannten Bereiche sollen auf Länder und Bund aufgeteilt werden.

Regierung will schlanken Staat

Die Regierung hat am Mittwoch ihre Vorschläge für einen schlanken Staat präsentiert, den sie mit einer Verfassungsreform bewirken will. Entscheidungsprozesse sollen schneller werden, die Standards aber überall gleich hoch sein, sagten unisono Regierung und Länder.

Den Ländern sollen etwa die Kinder- und Jugendfürsorge, die Volkspflegegestätten und Fragen rund um die Bodenreform übertragen werden. Laut Niessl wird derzeit an einem einheitlichen Kriterienkatalog für die Jugendfürsorge gearbeitet. Damit trat er Kritik entgegen, dass durch die Zuständigkeit der Länder bei der Jugendhilfe unterschiedliche Qualitätsstandards entstehen. Der Bund soll sich etwa um Bevölkerungspolitik und um öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten kümmern. Auch der Datenschutz soll nur noch auf Bundesebene geregelt werden, so Moser.

Heikle Themen noch offen

„Die Zeit des Misstrauensprinzips zwischen Ländern und Bund ist vorbei“, betonte Moser. Der Vorteil für Niessl liegt in der beschleunigten Umsetzung von Entscheidungen: „Klare Kompetenzen schaffen rasche Entscheidungen.“ Es gebe allerdings noch weiter Bereiche, „die zu bearbeiten sind“. Offen sind noch heikle Themen wie das Spitalswesen, die Mindestsicherung und das Elektrizitätswesen.

Derzeit bestimmen etwa die Länder über Höhe, Grenzen und Zuschüsse für Wohnkosten bei der Mindestsicherung. Moser würde diesen Bereich gerne in die Bundeskompetenz bringen. Niessl gibt sich von Länderseite zu den offenen Themen vorsichtig optimistisch. Man sei bereit, sich auch hier konstruktiv einzubringen: „Das ist nicht sehr einfach, aber auch hier gibt es Ansätze.“

Moser hatte schon vergangene Woche erklärt, zu diesen Materien eine Einigung im ersten Halbjahr 2019 zu erreichen. Man sei schon „sehr weit“. Es sollen aber „sehr wohl regionale Bedürfnisse abgedeckt werden“. Knackpunkt wird wohl vielfach die Finanzierung werden und die Frage, was der Bund und was die Länder finanziell übernehmen. Die Finanzierung wurde im Pressefoyer nach dem Ministerrat am Mittwoch nicht thematisiert.

NEOS vermisst großen Wurf, WKO zufrieden

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) begrüßte den Vorstoß der Regierung jedenfalls. Vor allem die Beseitigung des „Faktors zehn“ in der Gesetzgebung sei dringend geboten – also neun Landes- und ein Bundesgesetz. Allerdings ist es auch für die WKÖ damit noch nicht erledigt. Die weiteren Kompetenzmaterien des Artikels 12 der Bundesverfassung wie das Elektrizitätswesen und das Krankenanstaltenrecht müssten von Minister Moser „möglichst rasch gelöst werden“, forderte WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf.

Aufseiten der ÖVP zeigten sich Tirols Landeshauptmann Günther Platter als auch sein oberösterreichischer Amtskollege Thomas Stelzer naturgemäß hocherfreut. Beide sahen aber bei den Bereichen Mindestsicherung, Heil- und Pflegeanstalten und Elektrizitätswesen die nächsten notwendigen Schritte.

NEOS hält eine Entflechtung von Bund-Länder-Kompetenzen für „lange überfällig“. Der stellvertretende Klubobmann Niki Scherak sieht in dem vorgestellten Paket aber „keinen großen Wurf“.

SPÖ für einheitliche Qualitätskriterien

Die SPÖ pocht auf einheitliche Qualitätskriterien bei der „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe und will einen Runden Tisch. SPÖ-Kinder- und Jugendsprecherin Eva-Maria Holzleitner erklärte in einer Aussendung, ihre Partei wolle beim Thema Kinder- und Jugendhilfe „einheitliche höchste Qualitätskriterien für alle neun Bundesländer“ sowie die „Einbindung aller wesentlichen ExpertInnen und NGOs“. Die Verländerung dürfe „keine negativen Auswirkungen auf das Schicksal von zigtausenden Kindern und Jugendlichen“ haben.