Eindrücke vom BVT-U-Ausschuss
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BVT-U-Ausschuss

Belastungszeuge mit Gedächtnislücken

Einer der vier Belastungszeugen, der mit seinen Aussagen bei der Staatsanwaltschaft die Razzia im BVT und an vier Privatadressen ins Rollen gebracht hatte, hat am Mittwoch für Staunen gesorgt. An Treffen und Äußerungen konnte er sich nicht erinnern. Von einer allfälligen Hausdurchsuchung will er gar nicht gesprochen haben.

Konkret geht es um eine Gesprächsaufzeichnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) über eine „Besprechung“ mit dem ehemaligen Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Anton H. Dieser habe einen WKStA-IT-Experten abseits der Einvernahme (nicht unter Wahrheitspflicht, Anm.) vor einer Möglichkeit der Fernlöschung gewarnt. Es sei nämlich damit zu rechnen, dass Mechanismen installiert sind, welche eine Löschung aller Daten anstoßen könnten, heißt es da. Geräte dürften weder ein- noch ausgeschaltet werden. Für die WKStA bestand aufgrund dieses Gesprächs Gefahr in Verzug, die Razzia musste baldigst stattfinden.

Am Mittwoch sagte H. zwar, dass es sein kann, dass er mit dem IT-Experten der WKStA gesprochen habe. Er selbst sei aber kein Experte. Allerdings müsse man kein IT-Professor sein, um zu wissen, dass ein Systemadministrator „alle Rechte hat“, sagte H. vor dem Ausschuss. Dass ein Datenlöschvorgang protokolliert wird, wie eine andere IT-Auskunftsperson dem U-Ausschuss vor Wochen geschildert hat, bestätigte der Datenforensiker, der heute nicht mehr im BVT tätig ist.

Laut H. keine Vorbesprechung

Auch dass der Ex-BVT-Beamte angab, an keinen Vorbesprechungen im Innenministerium teilgenommen zu haben, sorgte bei den Abgeordneten für eine gewisse Irritation. Denn Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte bei einer parlamentarischen Anfragebeantwortung genau das Gegenteil angegeben. Da könne es sich nur um ein Missverständnis handeln, sagte H., der eigenen Angaben zufolge Kickls Kabinettsmitglied Udo Lett seit mehr als 20 Jahren kennt. Deshalb habe er Lett auch als Vertrauensperson zur WKStA mitgenommen.

Vieles, so H., beruhe aber auf Vermutungen. Teilweise bezog er sein Wissen aus Google-Recherchen. Der Satz „Mobiltelefone, Schlüsselanhänger, USB-Sticks u. s. w. müssen unmittelbar nach Eintreffen abgenommen werden“, der beim Gespräch abseits der Einvernahme gefallen ist und auf eine bevorstehende Razzia hindeutet, stamme nicht von ihm. H. könne das „nicht nachvollziehen. Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat“, sagte er weiter. An etwaige Treffen mit Lett könne er sich auch nicht erinnern. „Ich kann mich überhaupt nicht mehr erinnern an irgendwas“, platzte es schließlich aus der Auskunftsperson raus.

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Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ) übernahm am Mittwoch den Vorsitz im BVT-U-Ausschuss

Pikant an der Rolle von H. ist auch, dass er bei der WKStA zunächst einen seiner früheren Chefs im BVT belastet hatte, aber bei der Razzia an dessen Privatadresse als Vertrauensperson agierte. „Ja, man hat mich dazu bestimmt“, erklärte H. auf Frage des ÖVP-Fraktionschefs Werner Amon. Dort sei er aber im Vorzimmer stehengeblieben und habe nach eigenen Angaben stundenlang gewartet.

Parteigünstlinge im BVT

Am Mittwochvormittag war der ehemalige BVT-Chef Gert-Rene Polli geladen. Er konnte zwar weniger zur Aufklärung der Razzia Ende Februar beitragen. Er erzählte aber über Personen im Staatsschutz, die nur über ein Parteibuch an ihre Jobs gekommen sind. Namen wollte Polli, der für die FPÖ als Berater bei den Koalitionsverhandlungen tätig war, nicht nennen. Lediglich, dass der Ex-Leiter der BVT-Spionage unter diese Parteigünstlinge fallen würde. Nach langem Hin und Her entschied sich der nun im Innenministerium arbeitende Polli, dass seine Aussage überspitzt gewesen sei und er diese zurücknehme.

Insbesondere Amon mokierte sich über die Äußerungen von Polli. Es sei traurig, dass ein ehemaliger BVT-Chef ein so „schlechtes Gedächtnis“ habe. Just nach der Befragung von Polli vermeldete die APA, dass eben der Ex-Leiter der BVT-Spionage Amon dienstlich als „Informanten“ behandelt habe. Aus Ermittlungsakten gehe hervor, dass gemeinsame Kaffeehausrechnungen als „Verbindungskosten“ abgerechnet worden seien. Verwiesen wurde auf die Ermittlungen zu kasachischen Nachrichtendiensten.

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Amon berät sich während der Ausschusspause mit seiner Fraktion

FPÖ-Fraktionschef Hans-Jörg Jenewein legte Amon indirekt den Rückzug nahe. In einer Ausschusspause sprach er von einer „groben Problematik“ und einer möglichen Unvereinbarkeit. Er gab zu bedenken, dass Amon jetzt selbst als Auskunftsperson geladen werden könnte. Amon selbst reagierte auf das Vorgehen der FPÖ gelassen: „Koalitionspartner sind, wie sie sind.“ Das sei ein übliches Spiel, wie es manchmal vorkomme. Dass er mit dem früheren Spionagechef befreundet sei, sei nichts Neues, das habe er ja auch im U-Ausschuss bei dessen Befragung selbst bekanntgegeben.

„Bashing ist Volkssport“

Die vier Belastungszeugen, die am Dienstag und Mittwoch befragt wurden, brachten laut Opposition das Konstrukt, das für die Razzia relevant war, zum Einstürzen. Zwar gebe es im BVT persönliche Befindlichkeiten, Neid und Missgunst. Strafrechtlich Relevantes hätten die vier Belastungszeugen aber nicht konkretisieren können. Vieles basiere auf Flurfunk und Gerüchten. „Bashing ist Volkssport“, sagte der BVT-Beamte Markus M.

Auch die von Ria-Ursula P., einer ehemaligen Bediensteten im BVT, erwähnte obszöne WhatsApp-Gruppe stellte er in Abrede. Eine dienstliche WhatsApp-Gruppe, wie sie von P. beschrieben wurde, würde das BVT als nicht sicher erachten. Wenig konnten die Zeugen zur Nichtlöschung von Daten des SPÖ-nahen Anwalts Gabriel Lansky sagen. Aber auch er selbst hatte sich am Dienstag zwar laut, aber wortkarg gegeben. In einem Entschlagungsmarathon führte er den Ausschuss an der Nase herum. Eine zweite Ladung für Lansky könnte folgen.