RAF Camora
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13-mal in Top 15

RAF Camora sprengt Ö3-Charts

Der österreichische Hip-Hop-Star RAF Camora und sein deutscher Kollege Bonez MC belegen mit Songs aus ihrem gemeinsamen neuen Album „Palmen aus Plastik 2“ 13 Plätze der Top 15 der Ö3-Charts. Jetzt werden die Regeln geändert – damit ein bunter Mix in den Charts garantiert ist.

Ganz neu ist das Phänomen nicht. Vor rund einem Jahr belegte Ed Sheeran in Großbritannien 14 Plätze der ersten 15, damals mischten sich nur The Chainsmokers und Coldplay mit einem gemeinsamen Song unter die Topplätze. Ähnlich liegt der Fall diesmal in Österreich. Auf Platz eins liegt „Nummer unterdrückt“, gefolgt von „Kokain“ und „500 PS“. Nur auf Platz fünf hat sich Dynaro mit Gigi D’Agostino („In My Mind“) geschummelt, bis inklusive Platz 14 finden sich sonst nur RAF Camora und Bonez MC.

13 der ersten 14 Plätze – das ist fraglos eine Sensation, aber auch eine, die sich recht leicht erklären lässt. Früher kamen Songs in die Charts, wenn sich Fans die einzelne Single gekauft hatten. Die Verkaufszahlen waren eine einfach zu handhabende Vergleichsgröße. Doch das hat sich geändert. Zuerst wurden Singles von Downloads abgelöst, was bereits zu Verschiebungen führte, weil man sich einen billigen Song auch einmal unbedacht zulegte im Vergleich zu einer früher viel teureren Vinyl- oder CD-Single.

Einmal durchklicken – schon wird gezählt

Doch so richtig durchgemischt wird die Welt der Charts erst heute – weil bereits Streamingdienste den Musikkonsum bestimmen, wie Andy Zahradnik gegenüber ORF.at sagt, der die Charts im Auftrag des Verbandes der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria) und des ORF erstellt. Früher zählte jeder Single-Kauf ein einziges Mal. Außerdem wurde damals bei Weitem nicht jeder Song eines Albums zum Einzelverkauf angeboten. Streamingdienste sind aber Abspielplattformen – hier zählt jedes Mal, wenn man sich den Song anhört. Natürlich zählt nicht jedes Anhören genauso viel wie ein Single-Kauf oder Download. Berechnet wird nach einem Schlüssel, mit dem versucht wird, zu einer fairen Bewertung zu kommen.

Und dennoch: Kommt ein starkes neues Album heraus, und gibt es in der entsprechenden Woche keine ähnlich prominente Konkurrenz, kann das zu einer Sensation wie bei Sheeran und RAF Camora führen. Sehr, sehr viele Menschen klicken sich durch das Album, um jeden Song zumindest einmal kurz gehört zu haben. Da jeder Klick zählt, reicht das, um gleich ganz viele Songs auf Spitzenplätze zu bringen – obwohl natürlich nicht ganz Österreich rund um die Uhr RAF Camora hört.

Die neuen Regeln

So sensationell das Abschneiden RAF Camoras sein mag, auf Dauer wäre es nicht wünschenswert, wenn in den Charts regelmäßig eine Monokultur vorherrschen würde. Die Hitparade, so Zahradnik, lebe schließlich von der Vielfalt – und die ist dahin, wenn ein einzelnes Genre, diesmal deutscher Hip-Hop, in so großem Ausmaß dominiert. Also hat man sich zu einer Regeländerung entschlossen, die sich bereits in Großbritannien nach der Dominanz von Sheeran bewährt hat.

In Zukunft werden nur noch die Top-Drei-Songs eines Albums in die Wertung aufgenommen, der Rest bleibt unberücksichtigt. Einfach so weitermachen hätte man nicht können, so Zahradnik, das hätte das Prinzip Hitparade ad absurdum geführt. Ö3 reagiert schon diese Woche. Der Sender wird die neun Titel am Freitag nicht alle spielen, sondern bringt eine Spezialausgabe der Charts. Motto: „Die Ö3 Austria Top 40 der Rekorde – heute wird Chartgeschichte geschrieben (– das gab es noch nie …).“ Ö3-DJ Elke Rock hat Chartexperten Zahradnik zu Gast und spricht mit ihm über die diversen „Ausreißer“ der Hitparade in den letzten Jahren und Jahrzehnten.

Die Zählweise der Briten

In den britischen Charts werden bereits seit Juni 2014 Streams von Spotify und Co. in die Berechnung einbezogen. Zunächst wurden 100 Abrufe eines Songs als verkaufte Einheit gewertet, später wurde auf 150 aufgestockt. Heuer im Sommer wurden die Regeln noch einmal geändert. Auch Videoabrufe, etwa auf YouTube, werden gewertet. Allerdings zählen 600 Aufrufe auf kostenlosen, werbefinanzierten Plattformen als verkaufte Einheit, auf kostenpflichtigen Plattformen sind es 100.

Ähnlich in Österreich: Auch hier ist es unerheblich, ob es sich um ein physisches oder digital verkauftes Produkt handelt. Werden etwa von einem Titel 200 CDs verkauft und 100 Downloads, dann ergibt das in Summe 300 verkaufte Einheiten, die so für die Chartermittlung herangezogen werden. Für Streams gilt folgende Regel: Gewertet werden alle Titel, die in bezahlten Premium-Abos nach einer Auswahl durch den Konsumenten zumindest 30 Sekunden gestreamt werden. Streams werden im Verhältnis 100:1 (aktueller Stand) zu den physischen und den Download-Verkäufen hinzugerechnet.

„Erfolgreichster Start des Jahres“

RAF Camora und Bonez MC ist die Sensation übrigens auch in Deutschland gelungen: Dort besetzen die beiden – unter anderem – die Plätze eins bis drei. Neben „500 PS“ auf Platz eins stehen die Songs „Kokain“ auf Platz zwei und „Nummer unterdrückt“ auf Rang drei. Die beiden stellen 13 Songs der Top 20 in Deutschland. Das Album habe „den erfolgreichsten Start des Jahres (Basis: physische Verkäufe, Downloads und Streams)“ geschafft, teilte die deutsche GfK Entertainment letzte Woche in Baden-Baden mit.

ABD0185_20180817 – WIEN – …STERREICH: Die Rapper „Raf Camora & Bonez MC“ während eines Konzertes
APA/Herbert P. Oczeret
RAF Camora und Bonez MC heuer beim Frequency Festival

Auch, wenn die Zahlen aus Österreich im Vergleich zu Deutschland nicht ins Gewicht fallen, dürfte es für RAF Camora eine besondere Genugtuung sein, gerade hier die Charts zu sprengen. Der Rapper mit italienischen und österreichischen Wurzeln übersiedelte mit seiner Familie in seinem 13. Lebensjahr von der Schweiz in den Wiener Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus. Schon damals begann er zu rappen. Als 15-Jähriger lebte er ein Jahr lang auf der Straße, rappte zunächst nur auf Französisch und machte sich schon früh von Österreich aus einen Namen innerhalb der Szene.

Heimkehr – aber richtig

Nach und nach stellte sich der Erfolg ein – allerdings erst so richtig, als RAF Camora auf Deutsch zu rappen begann und 2007 nach Berlin ging. Diesen September wurde bekannt, dass sein Gig in der Wiener Stadthalle zur Gänze ausverkauft ist. Ein Zusatztermin wurde gebucht.

Für den Künstler eine besondere Freude mit Blick auf die Vergangenheit, wie er auf Facebook schreibt: „2007 bin ich nach Berlin gegangen weil die Österreichische-Industrie kein Bock hatte. Nur 3% der Bevölkerung hört Hiphop haben sie gesagt. Wen interessiert Fünfhaus haben sie gesagt. I was net ob des so Leinwand is, haben sie gesagt. Ihr könnt euch nicht vorstellen was es für mich Bedeutet heute zu verkünden, dass die WIENER STADTHALLE Ausverkauft ist.“