Neutrale Gegensprechanlage in Wien
ORF.at/Christian Öser
Datenschutz

Namensschilder dürfen laut EU bleiben

Die EU-Kommission hat am Donnerstag Medienberichte dementiert, wonach die DSGVO Namensschilder an Klingeln und Postkästen verbietet. Anderslautende Behauptungen seien „einfach falsch“. In Wien, wo die Debatte ins Rollen gebracht wurde, will man die Namensschilder trotzdem tauschen.

Denn die städtische Bauverwaltung Wiener Wohnen setzt trotz Entwarnung den Austausch der Namensschilder durch Top-Nummern auf den Klingelbrettern der Gemeindebauten fort. „Es stimmt, es ist nicht explizit verboten, aber wir brauchen trotzdem die Zustimmung der Mieter, dass wir die Daten verarbeiten dürfen, und die haben wir nicht“, begründete ein Sprecher das Vorgehen. Vergangene Woche ist die für Datenschutz zuständige Magistratsabteilung zur Erkenntnis gelangt, dass die Verbindung von Nachname und Türnummer gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoße.

Ein Sprecher der EU-Kommission trat am Donnerstag Medienberichten – allen voran in Deutschland –, die der EU-Kommission quasi die Schuld an der Anonymisierung gaben, entgegen. Weder reguliere die EU-Verordnung, die seit 25. Mai alle 28 EU-Staaten anwenden müssen, diesen Bereich. Noch sei erfordere sie, dass Namen von Klingeln und Postkästen entfernt werden müssen. Durch die DSGVO wurde die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Unternehmen, Vereine und Behörden strenger geregelt als bisher. Deshalb sind Organisationen vorsichtiger mit dem Umgang von Daten geworden.

Debatte in Wien schwappte nach Deutschland

Zuständig für die Auslegung der Datenschutzverordnung seien die nationalen Datenschutzbehörden. In Österreich weisen Fachleute der ARGE Daten darauf hin, dass das Verbot der Kenntlichmachung ohnehin schon seit 1980 bestehe. Seit Mai 2018 seien jedoch die Sanktionsmöglichkeiten verschärft worden, heißt es. Die Pflicht der Geheimhaltung betrifft nach der Überzeugung österreichischer Datenschützer auch private Vermieter und Genossenschaften.

Postkasten in einem Mietshaus in Wien
ORF.at/Carina Kainz
Laut EU gibt es derzeit keinen datenschutzrechtlichen Grund, die Namen auf Türschildern bzw. Postkästen abzumontieren

Pikant an der Interpretation der DSGVO ist, dass die Debatte in Wien entfacht und schließlich in Deutschland ausgefochten wurde. Denn dort berichtete am Donnerstag die „Bild“-Zeitung über einen „Datenschutz-Irrsinn“, der dazu führe, dass „unsere Klingelschilder“ abgenommen werden müssen. In der Onlineausgabe der „Bild“-Zeitung wurde von einem „Klingelschild-Chaos“ gesprochen. Befragt wurde der deutsche Immobilieneigentümerverband Haus & Grund. Dieser empfehle seinen Mitgliedern, vorsorglich die Namensschilder zu entfernen.

Nur so könne sichergestellt sein, dass die Privatsphäre der Mieter und Mieterinnen gewährleistet und Bußgelder in Millionenhöhe für den Vermieter und die Vermieterin vermieden würden, zitierte die Zeitung Verbandspräsidenten Kai Warnecke. Ohne explizite Einwilligung der Mieter und Mieterinnen seien die Namen an den Klingelschildern „möglicherweise unzulässig“, hieß es von Haus & Grund. Gegenüber der „Zeit“ (Onlineausgabe) sagte der Eigentümerverband, dass das aber nicht bedeute, „dass jetzt alle Vermieter sofort alle Klingelschilder abmontieren müssen“. Der Verein wolle seine Mitglieder aber dafür sensibilisieren, dass entsprechende Maßnahmen nach Wunsch des Mieters nötig seien.

Datenschützer geben Entwarnung

Datenschützer und Datenschützerinnen in Deutschland halten das Abmontieren der Namensschilder ohnehin für übertrieben. Die deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff empfiehlt Verbänden und Institutionen, sich vor etwaigen öffentlichen Ratschlägen bei den zuständigen Aufsichtsbehörden erst einmal nach der Rechtslage zu erkundigen. Ein Klingelschild mit Namen falle in der Regel gar nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO. Damit ist sie auf einer Linie mit der EU-Kommission.

„Wir halten die DSGVO hier nicht für anwendbar, da es sich um keine automatisierte Datenerfassung handelt“, sagte Jana Schönefeld, Sprecherin der Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk. Das Regelwerk greife nur bei automatisierten Datenverarbeitungen und Dateien. Auch der deutsche Rechtsanwalt und Datenschutzexperte Niko Härting schreibt auf seinem Blog CRonline, dass bei der DSGVO entscheidend sei, ob die Daten (in diesem Fall: die Namen auf den Klingelschildern) Teil einer „strukturierten Sammlung“ und ob sie „nach bestimmten Kriterien zugänglich sind“.

„Das Haus, in dem ich wohne, ist ‚old school‘, was die Klingelschilder angeht. Sie sind in Messing geprägt und so angeordnet, dass man nicht erkennen kann, wer in welchem Stockwerk wohnt. Es fehlt somit an jeder ‚Struktur‘. Datenschutzrechtliche Fragen stellen sich nicht. Das Datenschutzrecht bleibt vor der Tür“, schreibt Härting weiter. Wenn die Klingelschilder so angeordnet seien, dass sich das Stockwerk des Bewohners erkennen lässt, fehle es zwar nicht an einer Struktur. „Wohl aber stellt sich die Frage einer weitergehenden ‚Zugänglichkeit‘.“