Bewaffnete Sicherheitsbeamte vor einem Wahllokal in Kabul
AP/Massoud Hossaini
Afghanistan

Chaos und Gewalt überschatten Wahl

Die Parlamentswahl in Afghanistan wird von Gewalt und groben organisatorischen Schwierigkeiten überschattet. Bei Angriffen der radikalislamischen Taliban kamen am Samstag landesweit Dutzende Menschen ums Leben. Zugleich blieben Wahllokale auch Stunden nach dem offiziellen Wahlbeginn geschlossen. Jetzt soll die Wahl verlängert werden.

Die meisten Opfer gab es dem afghanischen Gesundheitsministerium zufolge in der Hauptstadt Kabul. Bei einem Selbstmordattentat seien 15 Menschen ums Leben gekommen, hieß es. Unter den Toten befänden sich mindestens acht Polizisten. Mindestens 60 Personen seien verletzt worden. Auch bei Explosionen an anderen Orten seien mindestens vier Menschen getötet und 78 weitere verletzt worden, erklärte Ministeriumssprecher Muhibullah Seer.

Auch von außerhalb der Hauptstadt wurden Anschläge mit Toten und Verletzten gemeldet. In der Provinz Takhar feuerten Taliban nach Angaben des Provinzrats Esmatullah Kurbani in mehreren Bezirken Mörsergranaten ab, um die Wahlen zu stören. In der Folge seien Wahlstationen geschlossen worden. Im Bezirk Ishkamish sei ein Haus getroffen worden. Dabei sei ein Mensch getötet worden, weitere acht seien verletzt worden.

Wahlpersonal nicht erschienen

Zugleich gingen erste Wählerinnen und Wähler am Vormittag unverrichteter Dinge wieder nach Hause, nachdem Wahllokale auch Stunden nach offiziellem Beginn der Parlamentswahl immer noch nicht geöffnet waren. In anderen Wahllokalen fehlten die Wahlbeisitzer. Nach Angaben der Kandidatin für die Provinz Kabul, Mariam Suleimancheil, waren im Kabuler Stadtteil Dehsabs zwar die Wahlbeobachter pünktlich eingetroffen, nicht aber das Wahlpersonal. Bei Twitter veröffentlichte sie Bilder, die auf dem Boden liegende Wahlurnen zeigten. „Niemand weiß, was mit dieser Wahlstation ist – totales Chaos“, schrieb sie.

Wähler stehen vor einem Wahllokal in Kabul Schlange
Reuters/Omar Sobhani
Vor manchen Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen – bewacht von Sicherheitskräften

Ähnliches berichtete die Kandidatin Saleha Soadat aus Westkabul. Laut der Politikerin funktionierten überdies die Geräte zur biometrischen Wählererfassung nicht. Lokale Medien berichteten von Protesten verärgerter Menschen vor mehreren Wahlstationen. Eine Sprecherin der Unabhängigen Wahlkommission (IEC), Shaima Soroush, nannte technische Probleme als Grund für die Verzögerungen. Die Kommission entschuldige sich dafür. Man arbeite mit Hochdruck daran, diese Probleme zu lösen.

Drohung der Taliban

Erstmals werden bei Wahlen in Afghanistan biometrische Geräte zur Wählererfassung verwendet. Wähler müssen unter anderem Fingerabdrücke abgeben. Im Vorfeld der Wahl hatte es jedoch keinen Testlauf für die Geräte gegeben. Neben den technischen Problemen seien auch viele Lehrer, die als Wahlpersonal eingeteilt waren, nicht in die Wahllokale gekommen, sagte Soroush.

Wie der Provinzrat aus Kunduz, Ghulam Rabbani, mitteilte, lief auch dort die Wahl sehr langsam an. Erst wenige Wahllokale seien am Vormittag geöffnet gewesen, auch weil Wahlpersonal nicht rechtzeitig oder gar nicht zu den Stationen gekommen war. Die Taliban hatten am Mittwoch Lehrern und Schulleitern im Gewalt gedroht, sollten sie ihre Schulen als Wahlbüros zur Verfügung stellen.

Wegen der angespannten Sicherheitslage waren bereits im Vorfeld mehr als 2.000 Wahllokale geschlossen worden. Rund 70.000 Sicherheitskräfte waren am Wahltag im Einsatz. Viele der Wahlberechtigten zeigten sich in der Früh jedoch unbeirrt von den Hindernissen. In der Provinz Baghlan bildeten Männer und Frauen eine Menschenkette, um Selbstmordattentäter vor sechs Wahllokalen fernzuhalten.

Wahllokale auch am Sonntag geöffnet

Laut der Sprecherin der Wahlkommission soll die Wahl nun teilweise um einen Tag verlängert werden. Wahllokale, die erst nach 13.00 Uhr Ortszeit (10.30 Uhr MESZ) mit den nötigen Materialien beliefert würden, sollten auch am Sonntag öffnen, sagte Soroush. Wahllokale, die das Material erst am Vormittag erhalten hätten, sollten zumindest am Abend vier Stunden länger geöffnet bleiben.

Ursprünglich sollte die Stimmabgabe am Samstag um 16.00 (Ortszeit) enden. Mit ersten Ergebnissen wird erst im November gerechnet. Mehr als 2.500 Kandidaten bewerben sich um 250 Sitze in der Wolesi Jirga (Haus des Volkes). Dazu kommt noch ein Sitz, der für die Minderheit der Sikh reserviert ist. Insgesamt sind rund 8,8 Millionen Wahlberechtigte registriert, Schätzungen zufolge könnten jedoch mehr als 50 Prozent falsch oder in betrügerischer Absicht in das Wahlregister eingetragen sein. Die Wahl war aufgrund von Verzögerungen bei der Wahlrechtsreform über drei Jahre immer wieder verschoben worden.