Zentralamerikanische Flüchtlinge
AP/Moises Castillo
Test für Trump

Flüchtlingsmarsch als Wahlkampfmotor

Für US-Präsident Donald Trump steht bei den kommenden Zwischenwahlen einiges auf dem Spiel: Die Mehrheit im Repräsentantenhaus wackelt. Für die Republikaner scheint da ein großes Wahlkampfthema willkommen: der Marsch Tausender Flüchtender aus Zentralamerika mit dem Ziel USA. Schuld daran seien die oppositionellen Demokraten, sagte der US-Präsident.

Am 6. November stehen die Wahlen zum Kongress an, 435 Abgeordnete und 35 Senatorinnen und Senatoren stellen sich dem Votum in den beiden Kammern. Damit stellt sich auch Trump seinem ersten Wahltest zwei Jahre nach seinem eigenen Sieg. Im Senat dürften laut Umfragen Trumps Republikaner zulegen. Die Kontrolle über das Repräsentantenhaus dürften sie aber an die Demokraten verlieren. Hier könnten sie etwa 40 Sitze dazugewinnen und damit das Mehrheitsverhältnis umdrehen.

Das große Wahlkampfthema für die Midterms hat sich für Trump erst kürzlich ergeben: der Flüchtlingszug, der sich seit mehr als einer Woche von San Pedro Sula im Norden von Honduras Richtung US-Grenze bewegt. Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der Menschen auf mehr als 7.000.

Viele Fluchtgründe

Sie folgten einem Aufruf in Sozialen Netzwerken zu einem „Migrantenmarsch“ und machten sich zu Fuß auf die rund 3.000 Kilometer lange Reise. „Wir gehen nicht, weil wir wollen, sondern weil wir von Gewalt und Armut vertrieben werden“, hieß es in dem Aufruf.

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Flüchtlinge überqueren einen Fluss auf dem Weg in die USA
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Viele versuchen, auf selbst gebauten Flößen den Grenzfluss Rio Suchiate zwischen Guatemala und Mexiko zu überqueren
Flüchtlinge auf dem Weg in die USA
AP/Moises Castillo
Bilder, die an Europa 2015 erinnern: Der Trek auf dem Weg durch Zentralamerika
Flüchtlinge auf dem Weg in die USA halten sich an Fahrzeugen an
Reuters/Ueslei Marcelino
Mit allen Mitteln versuchen die Menschen voranzukommen
Flüchtlinge in einem Lkw auf dem Weg in die USA
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Auf der teils gefährlichen Reise gab es schon erste Todesopfer
Flüchtlinge in einem Lkw auf dem Weg in die USA
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Blick in einen Lkw: Die Zustände sind miserabel
Flüchtlinge auf dem Weg in die USA
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Besonders für die vielen Kinder ist der Marsch strapaziös
Ein Kind wird medizinisch versorgt
APA/AFP/Johan Ordonez
Oftmals brauchen sie medizinischen Beistand
Flüchtlinge auf dem Weg in die USA
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Am Wochenende mussten Tausende die Nacht an einem Grenzübergang zwischen Guatemala und Mexiko verbringen
Flüchtlinge auf dem Weg in die USA sitzen vor einem Zelt
APA/AFP/Pedro Pardo
Was die Menschen an der US-Grenze erwartet, ist offen

Am Dienstag stoppte ein Großteil des Zugs vor Erschöpfung in der südmexikanischen Stadt Huixtla. Die Frauen, Männer und Kinder versammelten sich auf dem Hauptplatz der Stadt. Sie wollen einen Tag lang neue Kräfte sammeln, teilten mehrere Sprecher mit. Die Gruppe hatte Huixtla in der Nacht zum Dienstag erreicht und unter freiem Himmel geschlafen.

Die Menschen fliehen vor der schlechten Wirtschaftslage in ihren Heimatländern und vor der grassierenden Kriminalität, für die maßgeblich Jugendbanden – die Maras – verantwortlich sind. Zwei Menschen ließen inzwischen auf dem Marsch ihr Leben.

Drohungen Richtung Süden

Trump reagierte rigoros und kündigte an, Hilfen für Guatemala, Honduras und El Salvador zu kürzen. Die drei Länder hätten nicht genügend getan, die Menschen an einer illegalen Einreise in die USA zu hindern.

Grafik zum Marsch durch Mittelamerika
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Er bezeichnete die Marschbewegung als Attacke auf die USA: „Wir können nicht zulassen, dass so etwas mit unserem Land passiert“, so Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Texas. „Das ist ein Angriff auf unser Land.“ Unter Jubel des Publikums sagte er weiter: „Die kriminellen Drogenhändler, Raubtiere und Terroristen“ dürften keinesfalls amerikanischen Boden betreten. Er sei jedenfalls bereit, so viele Streitkräfte wie nötig an die Grenze zu schicken, um die Menschen abzuhalten.

Zuvor hatte Trump auf Twitter geschrieben, auch Unbekannte aus dem Nahen Osten hätten sich unter die Migrantinnen und Migranten gemischt – Belege dafür gibt es laut UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) nicht. Es hätten aber viele der Menschen wohl Anspruch auf Asyl: „Menschen, die vor Verfolgung und Gewalt fliehen, müssen die Chance haben, Asyl zu beantragen“, sagte UNHCR-Sprecher Adrian Edwards am Dienstag in Genf.

„Denkt an die Zwischenwahlen“

Die Schuldigen an der Flüchtlingsbewegung sind für Trump klar: die Demokraten. Diese hätten „unsere erbärmlichen Einwanderungsgesetze“ zu verantworten. Jedes Mal, wenn man über illegale Einreise erfahre, solle man an die Demokraten denken und sie auch beschuldigen, appellierte Trump via Twitter. „Denkt an die Zwischenwahlen! So unfair den legal Einreisenden gegenüber.“ Auch legte er wiederholt den Gedanken nahe, die Demokraten würden honduranische Jugendliche dafür bezahlen, am Marsch teilzunehmen.

Trumps Erinnerung an die Midterms kommt nicht von ungefähr. Dabei geht es für ihn um einige seiner zentralen Versprechen: Denn eine mögliche Mehrheit im Repräsentantenhaus reicht den Demokraten, um Trumps Politik zu blockieren. Das Ende der bei den Republikanern verhassten Gesundheitsreform „Obamacare“ von Trumps Vorgänger wäre vom Tisch, auch die geplante Mauer an der Grenze zu Mexiko würde sich für Trump nicht mehr ausgehen.

Grafik: Sitze in US-Senat und Repräsentantenhaus dargestellt in zwei Tortengrafiken
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Daher mischt Trump auch kräftig mit im Wahlkampf für seine republikanischen Abgeordneten. Rund vier Auftritte pro Woche legt er derzeit hin, um seine Anhängerinnen und Anhänger zu mobilisieren. Zuletzt trat er am Montag in Texas auf, wo der republikanische Senator Ted Cruz um seine Wiederwahl kämpft. Obwohl Cruz in einem erzrepublikanischen Bundesstaat antritt, hat er dort ein Beliebtheitsproblem. Auch mit Trump hatte er sich zeitweise überworfen. Nun, kurz vor den Midterms, scheinen Zwistigkeiten vergessen, gemeinsam wird um Stimmen gekämpft.

Flüchtlingstrek Richtung USA

Tausende Menschen aus Lateinamerika – mehrheitlich aus Honduras – haben sich kürzlich auf eine lange Reise mit ungewissem Ausgang gemacht. Sie hoffen auf Trumps Einlenken.

Und gerade in Texas war das angrenzende Mexiko Trumps Angriffen doppelt ausgeliefert: Neben Anschuldigungen, die Flüchtlingsbewegung nicht aufhalten zu wollen, bestand Trump in der Vergangenheit wiederholt darauf, dass Mexiko zur Grenzmauer dazuzahlen soll, um illegale Einreise aus dem Süden zu bekämpfen. In Texas sagte Trump, Länder in Zentralamerika erhielten „unglaubliche Summen“ als Auslandshilfen von den USA, „und sie tun nichts für unser Land“. Die Ursache liege freilich im anderen Lager: „Demokraten produzieren Mobs, Republikaner produzieren Jobs.“