Jair Bolsonaro
Reuters/Sergio Moraes
Stichwahl in Brasilien

Ultrarechter Bolsonaro greift nach der Macht

Eine chaotische Vorwahlzeit in Brasilien geht am Sonntag mit einer Stichwahl zu Ende: Der Ex-Militär und rechte Demagoge Jair Messias Bolsonaro geht als eindeutiger Favorit aus einem unerbittlichen Wahlkampf hervor, der das krisengeschüttelte Land gespalten hat. Er wolle „den Saustall ausmisten“, so Bolsonaro – auch mit „Säuberungen“.

Bosonaro setzt Provokation gezielt als Mittel ein: Einen homosexuellen Sohn könnte er nicht lieben. „Mir wäre lieber, er würde bei einem Unfall sterben“, so Bolsonaro in einem Interview. Eine Kollegin sei so hässlich, dass sie eine Vergewaltigung nicht wert sei. Die „roten Verbrecher“ würden per „Säuberung“, „wie sie in Brasiliens Geschichte noch nie vorgekommen“ ist, vertrieben, sagte er kürzlich.

Mit seinen extremen Ansichten hat der ehemalige Militärangehörige Erfolg: Aus der ersten Wahlrunde am 7. Oktober ging er als Favorit hervor, er blieb knapp unter der absoluten Mehrheit. Die Umfragen sagen ihm auch einen bequemen Vorsprung bei der Stichwahl am Sonntag vorher. Nach der Erhebung des Instituts IBOPE wollen 57 Prozent für Bolsonaro stimmen und nur 43 Prozent für seinen Gegner Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei.

Schlechte Karten für die Linke

Der Erfolg Bolsonaros, der als „Trump Brasiliens“ bezeichnet wird, kommt nicht von ungefähr: Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in einer schweren Krise. Durch große Korruptionsskandale ist fast die gesamte politische Klasse des Landes diskreditiert. Nach einer schweren Rezession erholt sich die Wirtschaft nur langsam, gleichzeitig nimmt die Gewalt zu. Über 60.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr getötet – in den Armenvierteln liefern einander Drogenbanden und Sicherheitskräfte regelmäßig stundenlange Schießereien.

Fernando Haddad
APA/AFP/Mauro Pimentel
Fernando Haddad sprang als Kandidat für die Arbeiterpartei ein

Der 55-jährige Haddad, einst Bürgermeister der Metropole Sao Paulo, hat im Kampf um Stimmen die schlechteren Karten: Seine Arbeiterpartei befindet sich in einem Korruptionsskandal. Während die ärmeren Bevölkerungsschichten weiterhin auf die Linken setzen, misstrauen ihr Mitte und Oberschicht. Zudem wurde Haddad nur Kandidat der Arbeiterpartei, weil Brasiliens früherer Präsident Luiz Inacio Lula da Silva wegen Korruption im Gefängnis sitzt. Nach langem juridischen Tauziehen wurde entschieden, dass Lula da Silva nicht erneut antreten darf.

Bolsonaro präsentiert sich hingegen als Anti-Establishment-Kandidat. „Ich werde den Saustall Brasilia ausmisten“, sagte der 63-Jährige in Bezug auf die Hauptstadt des Landes. Selbst ist er allerdings auch seit fast drei Jahrzehnten in der Politik. Mehrmals wechselte er die Parteien, bei der Präsidentschaftswahl trat er für die Sozial-Liberale Partei (PSL) an.

Rückkehr des Militärs

Der Korruption und der grassierenden Kriminalität will Bolsonaro mit umstrittenen Mitteln den Kampf ansagen: Den Bürgerinnen und Bürgern will er das Tragen von Waffen erlauben und die Armee einsetzen. „Wenn der Kongress seine Zustimmung gäbe, würde ich die Streitkräfte auf die Straßen schicken“, so Bolsonaro.

Beim Durchgreifen setzt der ehemalige Hauptmann der Reserve auf Vertraute: Etliche frühere Armeemitglieder stehen auf der Liste der möglichen Minister. So ist der Viersternegeneral Antonio Hamilton Mourao sein möglicher Vizepräsident. Das stellt eine Abkehr dar von der bisherigen Praxis, dass sich Armeeangehörige nach der 21 Jahre dauernden Militärdiktatur (1964–1985) von Brasiliens Politik fernhalten.

„Gefährlicher Augenblick“

Bolsonaro aber macht kein Hehl aus seiner Bewunderung für die Militärdiktatur. Immer wieder verherrlichte er sie, bedauerte, dass die Verantwortlichen „nur“ gefoltert und nicht getötet hätten. Solche Äußerungen machen Bolsonaro bei vielen Brasilianerinnen und Brasilianern beliebt. Sie erhoffen sich Ordnung nach den Korruptionsfällen und ein Eindämmen der außer Kontrolle geratenen Straßenkriminalität.

Bei seinen Gegnerinnen und Gegnern schrillen hingegen die Alarmglocken. Viele fürchten die Rückkehr der Militärs an die Schaltstellen der Macht und einen Abschied von der Demokratie. Brasilien befinde sich „in einem gefährlichen Augenblick“, so der Brasilien-Experte Michael Albertus von der Universität Chicago gegenüber Reuters. Bolsonaros Regierung „würde dem Militär einen Blankoscheck für alle möglichen Dinge ausstellen. Es wäre weit mächtiger als jemals, seit Brasilien eine Demokratie geworden ist“, so Albertus.

Vorwürfe abgeprallt

Die Spaltung der Gesellschaft wurde eine Woche vor der Stichwahl augenscheinlich: Große Demozüge für und gegen Bolsonaro wurden abgehalten, um noch Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. Bolsonaros Gegner Haddad gelobte, „bis zum Schluss für die Demokratie zu kämpfen“. Am Dienstag sagte er, er wolle den „Faschismus“ in Brasilien verhindern. Bolsonaros Pläne würden „wirklich Angst machen“.

Bolsonaros größte Fans sehen in ihm hingegen „o mito“ (einen Mythos). Dieses Image hat sich noch verstärkt, als der Rechtsaußen bei einer Wahlkampfveranstaltung Anfang September Opfer einer Messerattacke wurde. Bolsonaro musste drei Wochen im Spital bleiben – seinem Wahlkampf tat das dank der Sozialen Netzwerke keinen Abbruch. Auch Vorwürfe über die gezielte Verbreitung von Falschinformationen sowie Ermittlungen zu unrechtmäßigen Wahlkampfhilfen sind an Bolsonaro bisher abgeprallt.

Der Ultrarechte hat trotz allem beste Chancen am Sonntag. Für seine Zeit im Präsidentenpalast Palacio da Alvorada hat Bolsonaro schon längst Pläne geschmiedet: Er will die Köpfe in vielen hohen Ämtern ebenso austauschen wie in den staatlichen Unternehmen, etwa beim Ölriesen Petrobras. Im Falle eines Sieges würde Bolsonaro am 1. Jänner 2019 Präsident.