Start eines F-18 Super Hornet-Jets auf dem Flugzeugträger USS Harry S. Truman
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NATO-Großmanöver

Militärische Muskelspiele in Norwegen

Seit Donnerstag hält die NATO in Norwegen ihr größtes Militärmanöver seit dem Kalten Krieg ab. Offiziell geht die Übung von keinem bestimmten Aggressor aus. Einen Adressaten hat die militärische Machtdemonstration aber wohl trotzdem vor Augen.

In den kommenden zwei Wochen wird es laut in, über und um Norwegen: 50.000 Soldatinnen und Soldaten, 10.000 Panzer und andere Fahrzeuge, 250 Flugzeuge und Hubschrauber und 65 Schiffe sollen in den kommenden zwei Wochen den Ernstfall üben. Für das Bündnis ist das ein Angriff auf ein Mitgliedsland und die Anrufung der Beistandsklausel nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags. In der Folge müssten dann die anderen Bündnispartner gemeinsam Beistand leisten.

Im Szenario von „Trident Juncture 18“, so der Name des Großmanövers, trifft der Angriff Norwegen. Übungsgebiet ist fast das gesamte skandinavische Land, außerdem Gebiete im Nordatlantik und der Ostsee sowie große Teile des Luftraums über Schweden. Norwegens östlicher Nachbar ist zwar keine NATO-Mitglied aber ein Partnerstaat der Militärallianz.

NATO: Nicht gegen Russland gerichtet

„In den vergangenen Jahren hat sich das Sicherheitsumfeld in Europa deutlich verschlechtert“, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel. „Es ist wichtig zu zeigen, dass wir in der Lage sind, jeden Bündnispartner gegen jede Art von Gefahr zu verteidigen.“ Von wem diese Gefahr im Speziellen ausgehen könnte, ließ die NATO offiziell offen. Stoltenberg versicherte am Mittwoch erneut, dass sich das Manöver nicht gegen Russland richte. Laut dem NATO-Generalsekretär haben Russland und Weißrussland auch die Einladung der NATO angenommen, Beobachter zu der Übung zu schicken.

Eine Grafik zeigt den Übungsraum des NATO-Manövers „Trident Juncture“
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/dpa

Bereits zuvor hatte der für die Übung zuständige General Rune Jakobsen bestritten, dass sich das Militärszenario gegen Russland richte. Das „Kerngebiet“ der Übung liege „1.000 Kilometer“ von der russischen Grenze entfernt. Die Manöver der Luftwaffe fänden immer noch im Abstand von 500 Kilometern zu Russland statt. „Es sollte keinen Grund für die Russen geben, Angst zu bekommen“, sagte der General.

Bündnisfall seit 2014 wieder verstärkt Thema

Dass die Übung Moskau zumindest Respekt abringen soll, lässt sich aber schwer von der Hand weisen. Für den Bündnisfall wurde seit dem Ende des Kalten Krieges Ende kaum noch intensiv geübt. Dann kam das Jahr 2014. Russland annektierte die Krim und begann – wenn auch nie offiziell – Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen. Vor allem die osteuropäischen NATO-Staaten drängen seither darauf, sich wieder besser für den Angriff auf ein Mitgliedsland zu wappnen.

Seit Beginn des Ukraine-Konflikts verschärften sich die Spannungen zwischen Russland und der NATO deutlich. Beide Seiten verstärkten ihre Präsenz an den Grenzen in Europa. Das führt regelmäßig zu militärischen Zwischenfällen. Die NATO meldete in den vergangenen Jahren immer wieder, sie habe russische Kampfflugzeuge „abgefangen“, die sich ihren Verbänden auf „aggressive Weise“ genähert hätten.

USA schicken Flugzeugträger

Ein Folge der Ukraine-Krise war auch die Gründung der als „Speerspitze“ bezeichneten Very High Readiness Joint Task Force (VJTF). Ab 2019 soll Deutschland die Führung dieser schnellen Eingreiftruppe übernehmen. Das ist einer der Gründe, warum das Land für die nunmehrige Großübung ordentlich in die Kassa greift: 90 Mio. Euro lässt sich Berlin die Teilnahme an dem Manöver kosten. Rund 10.000 Soldatinnen und Soldaten werden im Einsatz sein, 8.000 davon im skandinavischen Übungsgebiet selbst. Nur Gastgeber Norwegen wird mehr Truppen stellen.

NATO-Chef Jens Stoltenberg auf dem US-Flugzeugträger USS Harry S. Truman
APA/AFP/Johan Falnes
Bereits vor zwei Wochen stattete Stoltenberg dem US-Fluzeugträger „Harry S. Truman“ einen Besuch ab.

Eine Machtdemonstration kommt auch aus den USA. Zwar warf US-Präsident Donald Trump den europäischen Bündnispartner zuletzt wiederholt vor, zu wenig Mittel für die Rüstung bereitzustellen. Und er drohte damit, die US-Zahlungen für das Bündnis drastisch zurückzufahren. Für das Großmanöver entsandten die USA nun aber mit der atombetriebenen „Harry S. Truman“ einen ihrer größten Flugzeugträger.

Moskau beklagt Provokation

Russland spielte im Vorfeld des Manövers die betont besorgte Karte. Das geplante NATO-Manöver trage zur Destabilisierung in der Region bei, sagte jüngst die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Moskau werde „die notwendigen Maßnahmen“ ergreifen, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Details nannte Sacharowa keine. Doch hatte Russland selbst erst vor wenigen Wochen ein riesig dimensioniertes Manöver abgehalten.

Knapp 300.000 Armeeangehörige nahmen laut Moskau an der Übung im Nordosten des Landes teil. Die Zahl sei zwar vermutlich völlig übertrieben, heißt es im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Dass das Manöver sehr groß gewesen sei, wird aber nicht bestritten. Vielmehr verweist das Militärbündnis darauf, dass eben auch Russland zuletzt wieder intensiv für großformatige Konflikte trainiert habe.

Parallel zu „Trident Juncture“ halten einige NATO-Mitglieds- und Partnerstaaten auch noch eine Übung ab, die deutlich näher an Russland liegt. Von Freitag weg findet zwei Wochen lang das Manöver „Northern Coast 2018“ statt. Vor der Küste Finnlands in der Ostsee trainieren 40 Schiffe und 4.000 Militärangehörige aus elf NATO-Staaten sowie Finnland und Schweden.