Frau posiert auf dem Boden für ein Foto
APA/AFP/HO/Wen Siyuan
„Falling Stars“ in China

Internetwitz mit Propagandanutzen

Seit Wochen kursieren in Chinas populärstem Sozialen Netzwerk Weibo Bilder von jungen Leuten, die scheinbar hingefallen sind. Es handelt sich um eine Internet-Challenge, individuell inszenierte Fotos, mit denen sich die Nutzerinnen und Nutzer auf lustige Weise messen. Für Chinas Behörden, sind die als „Falling Stars“ bezeichneten Bilderwitze eine Gelegenheit, der Jugend näherzubringen, was für sie erstrebenswert sein sollte.

Eine junge Frau, die offenbar von den Stufen eines Privatjets auf die Nase gefallen ist – der teure Inhalt ihrer noch teureren Handtasche auf dem Boden verstreut. So und in ähnlicher Form eroberten in den vergangenen Wochen die „Falling Stars“ via Internet ganz China. Tausende Menschen posten Fotos von sich selbst, die zeigen sollen, dass sie gerade der Länge nach hingefallen sind. Um sie herum liegen Gegenstände, mit denen sie meist scherzhaft angeben wollen: Markenartikel, Luxusgüter, Einkaufstaschen.

Die Internet-Challenge, auch „Zeig deinen Reichtum“ genannt, nahm ihren Ausgang wohl im Sommer in Russland, wie das Onlinemagazin The Verge berichtet. Der Trend verbreitete sich weitflächig unter den „Rich Kids of Instagram“, jenen Kindern reicher Eltern, die gerne ihren Luxus auf der Fotoplattform zur Schau stellen. In China aber wurden die „Falling Stars“ besonders populär. Hier wurde der Sinn der Bilder auch gerne abgewandelt – nicht nur die reichen Kinder machen mit, auch die durchschnittlichen Userinnen und User fallen absichtlich für ein gutes Foto von Treppen, aus Autos oder über die eigenen Füße.

Für die chinesische Regierung, Behörden und regimetreue Medien stellen die Bilderwitze eine willkommene Gelegenheit dar, in Kontakt mit jungen Menschen zu kommen, nicht ohne Botschaft im Sinne der Kommunistischen Partei (KP). So stellte etwa das Onlineportal Sina Bilder reicher Russinnen und Russen jenen aus China gegenüber. Während die russischen Instagram-Fotos voller Luxusgüter waren, inszenierten sich die chinesischen Nutzer mit Alltagsgegenständen und stellten ihre täglichen kleinen Kämpfe auf den Bildern dar. Das sei „viel kreativer“, hieß es dazu laut BBC.

Screenshot von weibo.com
Screenshot/weibo.com

„Wahrhaft positive Energie“

Auch die Behörden mischen in den Sozialen Netzwerken mit und versuchen selbst, mit „Falling Stars“ witzig zu sein. Sicherheitskräfte, Feuerwehr und Beamte nehmen mit eigenen, regimekonformen Versionen an der Challenge teil. Aus ganz China posteten sie Fotos von sich auf dem Boden liegend, umgeben von Arbeitswerkzeugen, Dokumenten oder Ehrungen. „Das ist wahrhaft positive Energie der Menschen“, schrieb etwa das chinesische Katastrophenschutzministerium bei einem Bild der Feuerwehr. „Es ist schmerzhaft zu sehen, dass junge Menschen sich mit der Jagd nach Geld und Macht beschäftigen. Nur wenn wir die hart arbeitenden jungen Leute unterstützen, wird unser Vaterland Hoffnung haben“, zitiert CNN das Ministerium.

Screenshot von weibo.com
Screenshot/weibo.com
Ein Mitarbeiter des Außenministeriums zeigt, was laut Behörden wichtig sein sollte: die Arbeit.

Auch das Sprachrohr der KP, die „People’s Daily“, beschäftigte sich ausführlich mit dem Netzphänomen. Die Zeitung stellte eine Collage zusammen mit Bildern von Studierenden und Behördenangestellten, die an der Challenge teilgenommen hätten, aber wüssten, „was im Leben wirklich von Wert“ sei. So etwa ein Student der Hainan-Universität, der auf dem Boden liegt, umringt von Büchern über Karl Marx, Mao Zedong und Deng Xiaoping. Auch ein Mitarbeiter des Außenministeriums wurde dafür gelobt, stolz auf seine Arbeit zu sein. Er hatte ein Bild geteilt, das ihn auf dem Boden liegend auf einem Haufen Dokumenten zeigt.

„Weichere Propaganda“

„Diese Bilder mögen inszeniert erscheinen, aber sie zeigen eine Generation, die sich traut, sich auszudrücken. Sie stellen ihre Liebe und ihren Einsatz für ihre Arbeit zur Schau“, so „People’s Daily“.

Die chinesische Medienexpertin Haiqing Yu von der RMIT University in Melbourne sagte gegenüber CNN, die Regierung nutze das Meme bewusst. Damit wolle man beeinflussen, dass manche Inhalte im Internet den Ansichten der Regierung entsprechen. „Das Zurschaustellen von Wohlstand wird von der Regierung als schädlich für die Gesellschaft angesehen", so Haiqing. Also sehen wir jetzt eine Fülle von Menschen mit unterschiedlichen Berufen, Altersgruppen, männlich und weiblich, die alle das Gleiche tun. Chinas Propaganda ist nicht mehr so scharf wie früher, sie ist weicher geworden“, so Haiqing.