House of Lords in London
Reuters/Victoria Jones
„#MeToo“ in Großbritannien

Politiker demaskiert britischen Unternehmer

Ein britischer Politiker hat am Donnerstag im Oberhaus des Parlaments (House of Lords) von seinem Recht der freien Rede Gebrauch gemacht und einen Unternehmer identifiziert, der unter anderem der sexuellen Belästigung beschuldigt wird. Brisant dabei ist, dass der Unternehmer zuvor erwirkt hatte, dass Medien seinen Namen nicht veröffentlichen dürfen.

Davon ließ sich Peter Hain, Mitglied der Labour Party, nicht abhalten. „Ich halte es unter meinem parlamentarischen Vorzugsrecht für meine Pflicht, Philip Green als die betreffende Person zu nennen, da Medien einer einstweiligen Verfügung unterliegen, die die Veröffentlichung aller Einzelheiten einer eindeutig im öffentlichen Interesse liegenden Geschichte verhindert“, so Hain. Er ist wie alle Mitglieder im House of Lords durch das „parlamentarische Privileg“ vor Strafverfolgung geschützt. Hain sei laut eigenen Aussagen von einer Person kontaktiert worden, die in diesem Fall involviert sei.

Philip Green ist ein bekannter Einzelhandelstycoon und gehörte laut dem „Forbes Magazine“ zu den reichsten Personen auf der britischen Insel. Am Dienstag veröffentlichte der „Telegraph“ einen Bericht, dass ein „führender Geschäftsmann“ Geheimhaltungsverträge aufgesetzt hatte, um fünf Ex-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen, die ihn der sexuellen Belästigung und rassistischen Verhaltens beschuldigen, zum Schweigen zu bringen. Der Unternehmer soll laut „Telegraph“ per einstweiliger Verfügung erwirkt haben, dass das britische Medium seinen Namen nicht veröffentlichen darf.

Reform von Geheimhaltungsverträgen gefordert

Nach dem Outing durch Hain soll laut „Guardian“ Stille im Oberhaus geherrscht haben. Der konservative Politiker James Cleverly twitterte danach, dass Menschen nun verstehen, dass Verfügungen „nicht mehr sind als ein guter Weg, um sich von großen Geldsummen zu trennen, und ein schlechter Weg, um Dinge geheim zu lassen“. Der Labour-Politiker Dawn Butler forderte, die Geheimhaltungsverträge zu reformieren. „Wenn die aktuelle Regierung die Stimmen von Opfern nicht schützt, dann wird es die nächste Labour-Regierung tun.“

Labour-Abgeordneter Peter Hain
APA/AFP
Peter Hain sprach von seiner „Pflicht“, als er den Namen des Unternehmers aussprache

Die Debatte über die Verwendung von Geheimhaltungsverträgen und Verschwiegenheitserklärungen tauchte in der „#MeToo“-Bewegung rund um den US-Filmmogul Harvey Weinstein auf. Mit diesen Verträgen versuchte er, mutmaßliche Opfer sexueller Gewalt daran zu hindern, gegen ihn auszusagen. Mehrmals war die Rede davon, dass Weinstein die Frauen, die ihn beschuldigten, bis in den Ruin treiben könne.

Acht Monate Recherche

Schon am Mittwoch sagte die britische Premierministerin Theresa May, dass ihre Regierung diese Praxis reformieren werde. „Geheimhaltungsverträge können Menschen nicht daran hindern, sich zu melden, aber es ist klar, dass einige Arbeitgeber sie unethisch verwenden“, sagte May. Damit reagierte sie auf eine Frage eines Labour-Politikers, der den Fall von Green erwähnte. „Es scheint, dass unsere Gesetze den reichen und mächtigen Männern erlauben, zu tun, was sie wollen, solange sie nur bezahlen, damit es ruhig bleibt.“

Geheimhaltungsverträge bzw. Verschwiegenheitsklauseln wurden häufig in Unternehmen eingesetzt, um das Geschäftsgeheimnis zu schützen. Seit Jahren gibt es aber Bedenken, dass sie jetzt missbraucht werden, um Fehlverhalten zu verschleiern und potenzielle Opfer von Straftaten davon abzuhalten, zur Polizei zu gehen. So schrieb etwa der „Telegraph“, dass man die vergangenen acht Monate damit verbrachte, die Vorwürfe sexueller Belästigung gegen Green zu untersuchen. „Am Dienstag wurden wir daran gehindert, den Namen zu nennen.“

Britischer Unternehmer Philip Green
Reuters/Brendan McDermid
Green ist ein bekannter britischer Unternehmer, laut Forbes gehört er zu den reichsten Personen in Großbritannien

Laut dem Medienbericht hatte Green ein Team von mindestens sieben Anwälten angeheuert und annähernd 500.000 Pfund bezahlt, um das Berufungsgericht davon zu überzeugen, dem „Telegraph“ zu verbieten, den Namen zu nennen. Green werde von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten, die auch mit Cristiano Ronaldo, Lance Armstrong und Ryan Giggs zusammengearbeitet hat, also Personen, die sich kontrovers über Geheimhaltungsverträge bzw. Verfügungen geäußert haben. Green selbst wies die Vorwürfe von „ungesetzlichem sexuellem oder rassistischem Verhalten“ zurück.