Einsatzkräfte am Anschlagsort
AP/Pittsburgh Post-Gazette/Alexandra Wimley
Tote in US-Synagoge

Schütze kündigte Tat im Internet an

Mit dem Ruf „Alle Juden müssen sterben“ ist am Samstag nach Informationen von Behörden und Medien ein Mann in eine Synagoge der US-Stadt Pittsburgh gestürmt und hat dort elf Menschen erschossen. Seine antisemitisch motivierte Tat hatte er zuvor angekündigt.

Die Zahl der Todesopfer war lange unklar. Erst Stunden nach der Tat bestätigte Wendell Hissrich, Direktor für öffentliche Sicherheit bei der Stadt Pittsburgh, Medienberichte von elf Toten. Sechs Menschen wurden zudem verletzt, darunter vier Polizisten.

Das FBI hat die Untersuchung übernommen und ermittelt wegen eines Hassverbrechens. Die Tat scheint eindeutig antisemitisch motiviert: Der 48-jährige Robert B. soll auch in Sozialen Netzwerken durch antisemitische Postings und der Verherrlichung des Nationalsozialismus aufgefallen sein. Polizeibekannt war er allerdings nicht.

Einsatzkräfte am Anschlagsort
AP/Pittsburgh Post-Gazette/Alexandra Wimley
In der Synagoge sollen sich zum Tatzeitpunkt knapp 100 Menschen befunden haben

Posting in ultrarechtem Netzwerk

Im Netzwerk Gab, das als Tummelplatz der rechtsradikalen Alt-Right-Bewegung dient, wurde ein Posting entdeckt, das dem Schützen zugeschrieben wird. Nach antisemitischen Ausfällen gegen die jüdische Flüchtlingshilfsorganisation HIAS endet es mit den Worten „I’m going in“ (etwa: „Ich mache mich auf den Weg“). Die Betreiber von Gab, die sich auf das Recht zur freien Meinungsäußerung berufen, bestätigten, dass der Mann ein Profil auf der Plattform hatte. Dieses sei gesperrt worden, und die Daten habe man dem FBI übergeben, hieß es in einer Stellungnahme.

Schwer bewaffnet

Der Schütze betrat die Synagoge am Vormittag und schoss dort zunächst um sich. Laut Medienberichten war er bei dem Angriff mit einem Sturmgewehr und zwei weiteren Handfeuerwaffen ausgerüstet. Als die Polizei eintraf, lieferte er sich mit dieser ein Feuergefecht. Verletzt soll er sich dann laut Medienberichten gestellt haben. Nach ersten Erkenntnissen besaß der Schütze die Waffen legal.

Tote bei Schüssen in Synagoge

Ein Großaufgebot an Polizei und Rettungskräften riegelte die Gegend rund um die Synagoge ab, in der die Schüsse fielen.

Trump: Keine Toleranz für Antisemitismus

Auch US-Präsident Donald Trump sprach von einem antisemitischen Hintergrund. Es dürfe „keine Toleranz für den Antisemitismus“ geben, sagte Trump während eines Besuchs im Bundesstaat Indiana. Laut dem Präsidenten erfolgte der Überfall während einer Zeremonie zur Namensgebung für ein Baby. Er bezeichnete die Schüsse als „absolut böse“.

Zuvor hatte Trump bereits gemeint, die Schießerei habe wenig mit den Waffengesetzen zu tun. Im Gegenteil: Wenn es Verteidigung in der Synagoge gegeben hätte, wäre das Resultat anders. Der Präsident sprach sich für bewaffnetes Sicherheitspersonal bei Gottesdiensten aus. „Ein Verrückter ging hinein, und sie hatten keinen Schutz“, sagte Trump über die Gemeindemitglieder. „Bewaffnete Posten hätten ihn sofort stoppen können.“

Trump forderte zudem schnellere Todesurteile für Mörder. „Sie sollten wirklich den ultimativen Preis zahlen“, sagte Trump über Menschen, die Gläubige in Gotteshäusern erschießen. „Sie sollten nicht Jahre über Jahre darauf warten.“ Auf Twitter schrieb Trump, die Situation sei niederschmetternder als zunächst gedacht. Er habe dem Bürgermeister und dem Gouverneur die volle Unterstützung zugesagt.

Konservative jüdische Gemeinde

Die „Tree of Life“-Synagoge gilt als ein konservatives jüdisches Gotteshaus, das jedoch offen für Neuerungen sei, wie der Präsident der jüdischen Gemeinde im Großraum Pittsburgh, Jeff Finkelstein, am Ort des Geschehens sagte. Auch in anderen Gegenden der USA wurden sofort die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen verstärkt.

In Squirrel Hill, wo die Synagoge steht, leben seinen Angaben zufolge rund 50 Prozent der im Großraum Pittsburgh ansässigen Juden. Finkelstein zeigte sich erschüttert: „So etwas sollte nicht passieren, nicht in einer Synagoge, nicht in unserem Viertel.“

Einsatzkräfte am Anschlagsort
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Die Synagoge in Pittsburgh

„Gewalt nicht als normal hinnehmen“

Der Gouverneur des Bundesstaates Pennsylvania, der Demokrat Tom Wolf, sprach von einer „absoluten Tragödie“. Seine Gedanken seien bei den Opfern und deren Familien. Die Polizei werde alle Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Diese sinnlosen Gewaltakte würden nicht für das stehen, was Amerikaner ausmacht, so Wolf.

David Kriegleder (ORF) zum Vorfall in Pittsburgh

ORF-Korrespondent David Kriegleder berichtet aus Washington über die neuesten Erkenntnisse zur Schießerei in einer Synagoge in der US-Stadt Pittsburgh.

In Hinblick auf schärfere Waffengesetze sagte er: Dass der Vorfall einer zu viel war, habe man jetzt schon viel zu oft gesagt. „Nach dieser Tragödie müssen wir zusammenkommen und Maßnahmen ergreifen, um solche Tragödien in Zukunft zu verhindern. Wir können diese Gewalt nicht als normal hinnehmen.“

Jüdischer Weltkongress schockiert

Der Jüdische Weltkongress (WJC) zeigte sich schockiert von den Schüssen. Bei dem Vorfall handle es sich um einen „abscheulichen Terrorakt“, sagte WJC-Präsident Ronald Lauder laut Mitteilung am Samstag in New York. „Das war ein Angriff nicht nur auf die jüdische Gemeinde, sondern auf ganz Amerika.“ Lauder bedankte sich bei den Rettungskräften. „Unsere Gedanken und Gebete sind mit den Opfern, ihren Familien und allen Menschen in Pittsburgh.“ Der WJC sieht sich als Vertretung der nicht in Israel lebenden Juden.

Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte, er sei „untröstlich und erschüttert“ wegen der schockierenden Tat. Das israelische Volk trauere mit den Angehörigen. „Wir stehen der jüdischen Gemeinde in Pittsburgh bei“, sowie auch dem US-amerikanischen Volk angesichts der „entsetzlichen antisemitischen Brutalität“. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Attacke: „Ich trauere um die Toten von Pittsburgh, die offenbar Opfer von blindem antisemitischem Hass wurden“, schrieb Merkel auf Twitter. „Wir alle müssen uns dem Antisemitismus entschlossen entgegenstellen – überall.“