Der designierte Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro
AP/Silvia Izquierdo
Brasilien

Ultrarechter Bolsonaro gewinnt Stichwahl

Der Ex-Militär Jair Messias Bolsonaro hat am Sonntag in Brasilien die Stichwahl zum Präsidenten gewonnen. Das teilte das Wahlamt am Sonntag mit. Auf Bolsonaro entfielen nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen rund 55,5 Prozent, sein Gegner Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei erhielt 44,5 Prozent.

Der Wahlsieg des 63-Jährigen könnte einen radikalen Politikwechsel in Brasilien nach sich ziehen. Bolsonaro kündigte im Wahlkampf an, er wolle das Waffenrecht liberalisieren, gegen die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare und Abtreibung eintreten sowie die Rechte indigener Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet beschneiden. Beobachter befürchten eine Zunahme der Gewalt sowie negative Auswirkungen auf den internationalen Klimaschutz und die soziale Lage im größten Land Südamerikas.

Bolsonaro ist bekannt für rassistische, frauenfeindliche und homophobe Äußerungen. Einen homosexuellen Sohn könnte er nicht lieben. „Mir wäre lieber, er würde bei einem Unfall sterben“, so Bolsonaro in einem Interview. Eine Kollegin sei so hässlich, dass sie eine Vergewaltigung nicht wert sei. Die „roten Verbrecher“ würden per „Säuberung“, „wie sie in Brasiliens Geschichte noch nie vorgekommen“ ist, vertrieben, sagte er kürzlich.

Jubel bei Anhängern von Jair Bolsonaro
AP/Leo Correa
Anhänger Bolsonaros feiern seinen Wahlsieg

Bolsonaro sagte in einer ersten Stellungnahme, er werde alle seine Wahlversprechen umsetzen. Er gelobe, „Verfassung, Demokratie und Freiheit“ zu verteidigen. Das sei nicht das Versprechen einer Partei oder das Wort eines Mannes, sondern „ein Schwur vor Gott“, sagte er in seiner Siegesrede. Er zeigte sich auch versöhnlich und sprach von einem „Brasilien der unterschiedlichen Meinungen, Farben und Orientierungen“.

Zugleich kündigte er einen klaren Rechtskurs an: „Wir können nicht länger mit dem Sozialismus, dem Kommunismus, dem Populismus und dem Linksextremismus flirten.“ Er sagte, er „werde das Schicksal des Landes verändern“. Nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses strömten zahlreiche jubelnde Anhänger Bolsonaros zum Haus des 63-Jährigen in Rio de Janeiro. Sie zündeten Feuerwerkskörper und schwenkten brasilianische Flaggen.

Tiefe politische Krise

Der Erfolg Bolsonaros, der als „Trump Brasiliens“ bezeichnet wird, kommt nicht von ungefähr: Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in einer schweren Krise. Durch große Korruptionsskandale ist fast die gesamte politische Klasse des Landes diskreditiert. Über alle Parteigrenzen hinweg sind die meisten Politiker in Schmiergeldaffären verwickelt. „Lava Jato“ (Autowäsche) gilt als der größte Korruptionsskandal Lateinamerikas und hat auch Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hinter Gitter gebracht, den politischen Ziehvater Haddads. Bolsonaro hingegen gilt als einigermaßen sauber.

„Werde Saustall ausmisten“

Auch wirtschaftlich kämpft das Land. Nach einer schweren Rezession erholt sich die Wirtschaft nur langsam, gleichzeitig nimmt die Gewalt zu. Über 60.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr getötet – in den Armenvierteln liefern einander Drogenbanden und Sicherheitskräfte regelmäßig stundenlange Schießereien.

Bolsonaro präsentierte sich in dem harten Wahlkampf als Anti-Establishment-Kandidat. „Ich werde den Saustall Brasilia ausmisten“, sagte der 63-Jährige in Bezug auf die Hauptstadt des Landes. Selbst ist er allerdings auch seit fast drei Jahrzehnten in der Politik. Mehrmals wechselte er die Parteien, bei der Präsidentschaftswahl trat er für die Sozial-Liberale Partei (PSL) an.

„Gefährlicher Augenblick“

Wirtschaftlich steht Bolsonaro für einen eher neoliberalen Kurs, der ihn zum bevorzugten Kandidaten für die Wirtschaft machte. Bei seinem Auftritt nach der ersten Wahlrunde Anfang Oktober versprach er eine Senkung der Lohnsteuer. Staatsbetriebe würden unter seiner Präsidentschaft privatisiert oder „ausgelöscht“. Fabrikbesitzer will er von staatlichem Druck befreien und sein Kabinett auf maximal 15 Minister begrenzen.

Bolsonaro macht zudem kein Hehl aus seiner Bewunderung für die Militärdiktatur. Immer wieder verherrlichte er sie, bedauerte, dass die Verantwortlichen „nur“ gefoltert und nicht getötet hätten. Solche Äußerungen machen Bolsonaro bei vielen Brasilianerinnen und Brasilianern beliebt. Sie erhoffen sich Ordnung nach den Korruptionsfällen und ein Eindämmen der außer Kontrolle geratenen Straßenkriminalität.

Präsidentschaftskandodat Fernando Haddad
AP/Andre Penner
Fernando Haddad, ehemaliger Bürgermeister von Sao Paolo, unterlag bei der Wahl

Bei seinen Gegnerinnen und Gegnern schrillen hingegen die Alarmglocken. Viele fürchten die Rückkehr der Militärs an die Schaltstellen der Macht und einen Abschied von der Demokratie. Brasilien befinde sich „in einem gefährlichen Augenblick“, so der Brasilien-Experte Michael Albertus von der Universität Chicago gegenüber Reuters. Bolsonaros Regierung „würde dem Militär einen Blankoscheck für alle möglichen Dinge ausstellen. Es wäre weit mächtiger als jemals, seit Brasilien eine Demokratie geworden ist“, so Albertus.

Vorwürfe abgeprallt

Die Spaltung der Gesellschaft wurde eine Woche vor der Stichwahl augenscheinlich: Große Demozüge für und gegen Bolsonaro wurden abgehalten, um noch Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. Bolsonaros Gegner Haddad gelobte, „bis zum Schluss für die Demokratie zu kämpfen“. Er wolle den „Faschismus“ in Brasilien verhindern. Bolsonaros Pläne würden „wirklich Angst machen“.

Bolsonaros größte Fans sehen in ihm hingegen „o mito“ (einen Mythos). Dieses Image hat sich noch verstärkt, als der Ultrarechte bei einer Wahlkampfveranstaltung Anfang September Opfer einer Messerattacke wurde. Bolsonaro musste drei Wochen im Spital bleiben – seinem Wahlkampf tat das dank der Sozialen Netzwerke keinen Abbruch. Auch Vorwürfe über die gezielte Verbreitung von Falschinformationen sowie Ermittlungen zu unrechtmäßigen Wahlkampfhilfen sind an Bolsonaro bisher abgeprallt.

Bolsonaro tritt am 1. Jänner die Nachfolge von Michel Temer von der rechtskonservativen Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) an. Temer gilt wegen seiner Verwicklung in Intrigen und Korruptionsaffären als unpopulärster Staatschef der modernen brasilianischen Demokratie.