Deutsche Kanzlerin Merkel
Reuters/Fabrizio Bensch
Deutschland

Berichte: Merkel gibt CDU-Vorsitz ab

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nach den großen Stimmenverlusten ihrer Partei bei der Landtagswahl in Hessen bereit, auf den CDU-Vorsitz zu verzichten. Das habe Merkel am Montag in einer Sitzung des Parteipräsidiums angekündigt, berichteten mehrere deutsche Medien. Offenbar will sie nach der Wahlperiode auch das Kanzleramt abgeben.

„Sie tritt nicht mehr an“, zitierte etwa die Nachrichtenagentur AFP aus Parteikreisen. Kanzlerin wolle sie aber bleiben. Die Nachfolge an der Parteispitze könnte schon am CDU-Parteitag Anfang Dezember in Hamburg geregelt werden. Merkel ist seit 18 Jahren CDU-Chefin. Sie hatte bisher immer betont, dass für sie Parteivorsitz und Kanzlerschaft zusammengehören. Aber in der Sitzung soll Merkel auch gesagt haben, das sei ihre letzte Amtszeit als Kanzlerin. Sie wolle auch keinen Posten in Brüssel übernehmen. Eine offizielle Bestätigung gibt es noch nicht.

Der „Spiegel“ (Onlineausgabe) berichtete, Merkel habe ursprünglich am Parteitag in Hamburg erneut antreten wollen. Unter anderem im Februar hatte Merkel in der Sendung „Berlin direkt“ des ZDF gesagt: „Für mich gehören diese beiden Ämter in eine Hand, um auch eine stabile Regierung bilden zu können. Dabei bleibt es.“ Nun soll die CDU-Chefin aber die Konsequenzen aus dem anhaltenden Abwärtstrend der Partei ziehen.

Union als Verlierer bei Landtagswahlen

Wie zuvor schon in Bayern fuhr die Union am Sonntag in Hessen zweistellige Verluste ein. In der CDU wurde danach der Ruf nach personellen Konsequenzen laut. Im Laufe des Montags wollen die Parteigremien in Wiesbaden und Berlin über Konsequenzen aus dem Ergebnis beraten.

Bei der Wahl in Hessen verlor die CDU mit Ministerpräsident Volker Bouffier an der Spitze nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 11,3 Punkte im Vergleich zur Wahl 2013 und kam auf 27,0 Prozent. Die SPD mit Thorsten Schäfer-Gümbel an der Spitze erzielte 19,8 Prozent (minus 10,9). Großer Wahlgewinner wurden die Grünen mit ebenfalls 19,8 Prozent (plus 8,7).

Ex-Rivale als neuer CDU-Chef?

Der frühere CDU-CSU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz will unterdessen offenbar für den CDU-Vorsitz kandidieren, berichtete die deutsche Nachrichtenagentur dpa. Der einstige Rivale Merkels hatte sich in den vergangenen Jahren aus der aktiven Politik zurückgezogen. Gegenüber Vertrauten habe Merz geäußert, er sei bereit, sich dieser Verantwortung zu stellen, berichtete auch die „Bild“-Zeitung (Onlineausgabe) unter Berufung auf das Umfeld des 62-Jährigen. Voraussetzung sei, dass die Partei das wolle.

Deutsche Kanzlerin Merkel
APA/AFP/Tobias Schwarz
Bundeskanzlerin Merkel vor dem Treffen des Parteipräsidiums

Der Jurist und Finanzexperte stand von 2000 bis 2002 an der Spitze der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU – bis Merkel ihn aus diesem Amt verdrängte. Merz gilt nach wie vor als ein Kopf der Konservativen in der Partei. Als möglicher Nachfolger gilt auch Gesundheitsminister Jens Spahn. Dieser kommt wie Merz und der neue Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus aus Nordrhein-Westfalen. Genannt wurden auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Laut den Parteikreisen ließ Spahn seine Kandidatur durchklingen.

Ämtertrennung in CDU Thema

Bereits am Sonntagabend hatte es in der CDU nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters geheißen, eine Ämtertrennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz solle auf der Klausurtagung des Bundesvorstandes diskutiert werden. In der CDU selbst ist diese Frage umstritten. Traditionell sind CDU-Kanzler und -Kanzlerinnen ebenfalls Parteivorsitzende.

Im Juni hatte CSU-Chef Horst Seehofer in der auch parteiinternen Diskussion über seinen Kurs in der Asylpolitik seinen Rücktritt angeboten, der aber vom Führungsgremium seiner Partei abgelehnt wurde. Allerdings war Seehofer im März vom damaligen Finanzminister Markus Söder als bayrischer Ministerpräsident abgelöst worden. Auch wenige Wochen später soll Seehofer laut mehreren Medienberichten seinen Rückzug angeboten haben.

Keine klare Position zur Wiederwahl

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, die ebenfalls als mögliche Nachfolgerin Merkels gilt, hatte sich nach der Hessen-Wahl nicht klar zur Wiederwahl der Kanzlerin als Parteivorsitzende positioniert. „Die Bundesvorsitzende hat ganz klar erklärt, dass sie auf dem Parteitag noch einmal antreten wird. Und ich habe bis zur Stunde keine anderen Signale“, sagte die frühere saarländische Ministerpräsidentin, die laut Parteikreisen ihre CDU-Vorsitzkandidatur bereits bekundete.

Grafik zeigt die Zustimmung für Angela Merkel auf den CDU-Parteitagen 2000-2016
Grafik: ORF.at

Als sie im ZDF erneut gefragt wurde, was das bedeute und ob sie selbst Merkel unterstütze, verwies Kramp-Karrenbauer lediglich darauf, dass es in der CDU-Spitze eine gemeinsame Verantwortung gebe, die Partei programmatisch zu erneuern. Dass sich Merkel bisher noch nicht zu einer Nichtkandidatur geäußert hat, ist für einige CDU-Landeschefs kein Grund, nicht selbst einige Wortmeldungen abzugeben.

Nach Ansicht von Hamburgs CDU-Chef Roland Heintze verdient Merkel für ihre Entscheidung „allergrößten Respekt“. Thüringens CDU-Chef Mike Mohring sprach von einer „Zeitenwende für die CDU“. Aber man müsse nun erst einmal sehen, wer alles im Dezember für den Parteivorsitz kandieren wolle. Der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann will die Nachfolge von Merkel schnell geklärt haben. Ansonsten würde die Partei in eine lange Personaldiskussion schlittern.