Google-Angestellte bei einem Protestmarsch
AP/PA/Niall Carson
Protest bei Google

Belegschaft steht gegen Sexismus auf

Weltweit haben am Donnerstag Tausende Google-Angestellte ihre Arbeit niedergelegt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter protestierten damit gegen Sexismus, Diskriminierung und unkontrollierte Macht von Managern in ihrem Konzern. Erst vergangene Woche hatte ein Zeitungsbericht Google vorgeworfen, sexuelle Übergriffe von Managern unter den Teppich gekehrt zu haben.

Nicht das erste Mal sieht sich der US-Technologiekonzern mit Widerstand aus den eigenen Reihen konfrontiert. Wenige Wochen nach seinem 20. Geburtstag ist das Unternehmen jetzt aber einem Protest bisher unbekannten Ausmaßes konfrontiert. Um jeweils 11.11 Uhr Ortszeit verabredeten sich die Beschäftigten, ihre Büros zu verlassen. Die Protestwelle schwappte rund um den Globus – von Asien über Europa bis nach Nordamerika. Die Teilnehmenden forderten mehr Gleichberechtigung.

„Walkout for Real Change“ (in etwa „Aufstehen für echte Veränderung“) hat die Belegschaft ihren Protest übertitelt – und mit konkreten Forderungen verknüpft. Ganz oben auf der Liste steht dabei das Ende von „Zwangsschlichtungen“ in Fällen von Belästigung und Diskriminierung. In vielen US-Konzernen ist es üblich, dass Konflikte durch einen vom Unternehmen bestimmten Schlichter hinter verschlossenen Türen geregelt werden. Ein Hauptkritikpunkt an dem Vorgehen ist die mangelnde Transparenz.

Google-Angestellte bei einem Protestmarsch
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Dublin war nur eine von mehreren Städten, in denen die Google-Belegschaft auf die Straße ging

Außerdem fordern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Google-Mutterkonzern Alphabet, bei Bezahlung und Aufstiegschancen keine Unterschiede zu machen. Die Angestellten treten überdies für ein Verfahren ein, in dem sexuelle Übergriffe sicher und anonym gemeldet werden können. Darüber hinaus soll der Konzern ein Mitglied aus der Belegschaft in seinen Verwaltungsrat aufnehmen.

Vorwürfe unter den Teppich gekehrt

Die Protestaktionen folgen monatelangen Diskussionen über Gleichberechtigung, Sexismus und Rassismus in dem Technologiekonzern. Erst vergangene Woche befeuerte ein Artikel der „New York Times“ („NYT“) die Debatte erneut. Die Zeitung berichtete, dass der Erfinder der Handy-Betriebssoftware Android, Andy Rubin, 2014 Google nach dem Vorwurf sexueller Belästigung verlassen musste, aber eine Abfertigung von 90 Millionen Dollar erhielt. Rubin bezeichnete die Vorwürfe in einem Tweet zwar als unrichtig, Google bzw. die Konzernmutter Alphabet widersprachen dem Bericht allerdings nicht.

In dem gleichen Artikel berichtete die „NYT“ über sexuelle Übergriffe anderer Manager des Unternehmens – und die Versuche Googles, die Vorfälle unter den Teppich zu kehren. Namentlich genannt wurde Richard DeVaul. Er war in leitender Funktion bei Google X tätig, einem für Forschung und Entwicklung zuständigen Unternehmenszweig. Vor einigen Jahren soll er gegenüber einer jungen Bewerberin zudringlich geworden sein.

Entschuldigung vom Chef

Am Mittwoch teilte der Google-Mutterkonzern Alphabet mit, DeVaul habe das Unternehmen verlassen. Abfindung habe es keine gegeben. Gründe für das Ausscheiden des Managers nannte der Konzern allerdings keine. Einen Tag zuvor hatte sich Google-Chef Sundar Pichai in einer E-Mail an die Belegschaft für „vergangene Handlungen“ des Unternehmens entschuldigt. Er verstehe „den Ärger und die Enttäuschung, die viele von euch empfinden“, schrieb Pichai. Ihm gehe es genauso, und „ich fühle mich verpflichtet, Fortschritte bei einem Thema zu machen, das in unserer Gesellschaft schon viel zu lange existiert – ja, auch hier bei Google“.

1,3 Mio. Dollar pro Kopf

Insgesamt arbeiten für die Google-Konzernmutter Alphabet und alle Tochterunternehmen 85.050 Menschen.

Sie erwirtschafteten gemeinsam im vergangenen Jahr einen Umsatz von 110 Mrd. Dollar (96,4 Mrd. Euro). Pro Kopf macht das einen Umsatz von 1,3 Mio. Dollar pro Jahr.

Auf die expliziten Vorwürfe der vergangenen Tage ging Pichai allerdings nicht ein. Dafür hatten Pichai und Eilleen Naughton, Vizepräsidentin der Personalverwaltung von Google, bereits vergangene Woche in einer E-Mail offengelegt, dass Google in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 48 Mitarbeiter wegen Vorwürfen der sexuellen Drangsalierung entlassen habe. Unter ihnen seien 13 leitende Angestellte gewesen, keiner von ihnen habe Abfindungen erhalten, hieß es in der Nachricht an die Belegschaft.

Für die Belegschaft waren die Erklärungen wohl zu wenig, wie die Proteste am Donnerstag zeigten. Unterstützung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kam auch aus der US-Politik. „Warum glauben sie, es ist okay, Täter zu belohnen und Opfer weiter zu verletzen“, schrieb die Kongressabgeordnete Jackie Speier auf Twitter. Die Demokratin vertritt einen Wahlbezirk San Francisco, in dem viele Google-Angestellte leben.