Proteste in Pakistan
AP/Fareed Khan
Blasphemie-Freispruch

Proteste legen Pakistan lahm

Der Freispruch einer Christin, die wegen Blasphemie acht Jahre in der Todeszelle verbringen musste, hat in ganz Pakistan zu Protesten geführt, die das Land lahmlegen. Aus Angst vor Ausschreitungen blieben landesweit Schulen geschlossen und Straßen menschenleer. Radikalislamische Gruppen kündigten an, die Proteste fortzuführen.

„Wir werden unser Leben opfern, aber wir werden niemals weichen“, sagte der radikalislamische Prediger und Anführer der Gruppe Tehreek-e-Labaik Pakistan (TLP), Khadim Rizvi, am Donnerstag in Lahore. Auch einen Tag nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die 2010 wegen Blasphemie zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi freizusprechen, ist es in dem vorwiegend muslimischen Land wieder zu Straßenprotesten radikalislamischer Gruppen gekommen.

Ausgebrochen waren die Proteste am Mittwoch, nachdem die Richter in Islamabad die sofortige Freilassung der 51-Jährigen angeordnet hatten. Tausende blockierten daraufhin wichtige Gleisverbindungen und Straßen, darunter auch eine der Hauptzufahrten in die Hauptstadt Islamabad, und plünderten Regierungsgebäude, wie die Behörden mitteilten.

Regierung schickt Militär in Städte

Die Regierung entsandte Soldaten zum Schutz von Amtsgebäuden in die größeren Städte des Landes. Das Militär schützte das Parlamentsgebäude und die Gerichte in der Hauptstadt Islamabad. Soldaten wurden auch in die östlich gelegene Großstadt Lahore entsandt. Dort hatten TLP-Mitglieder versucht, das regionale Parlament zu stürmen.

Proteste in Pakistan
Reuters/Faisal Mahmood
In der Hauptstadt Islamabad wurden wichtige Straßen blockiert

Imran Khan rief am Mittwochabend in einer Fernsehansprache zur Ruhe auf und warnte Demonstranten davor, den pakistanischen Staat anzugreifen. Zugleich begann die pakistanische Regierung Gespräche mit den radikalislamischen Gruppen. Vizeinnenminister Shehryar Afridi sagte, die Regierung wolle eine friedliche Lösung finden.

Aktivisten appellierten an die Regierung, den Islamisten keine Zugeständnisse zu machen. Das würde eine „Kapitulation durch den Staat“ bedeuten, schrieb der Aktivist Jibran Nasir auf Twitter. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main begrüßte den Mut der Richter und bezeichnete deren Entscheidung als „Meilenstein“.

Islamistische Hardliner bedrohen Richter

Die Anführer von TLP forderten indes den Tod der drei Richter. Diese hatten entschieden, dass die Vorwürfe gegen Bibi auf schwacher rechtlicher Grundlage stünden und es keinen Grund gebe, sie zu bestrafen. Bibi soll inzwischen auf freiem Fuß sein. Ihr war vorgeworfen worden, sich bei einem Streit mit muslimischen Frauen in ihrem Dorf abfällig über den Propheten Mohammed geäußert zu haben.

Asia Noreen (Bibi)
APA/AFP/DGPR Punjab
Asia Bibi nach ihrer Verurteilung zum Tode 2010

Die fünffache Mutter war 2009 festgenommen und im Jahr darauf nach einem umstrittenen Blasphemiegesetz zum Tode verurteilt worden. 2014 bestätigte ein Gericht in Lahore das Todesurteil. Im Juli 2015 wurde die vorläufige Aussetzung der Vollstreckung angeordnet. Das erneute Berufungsverfahren wurde in den vergangenen Jahren immer wieder verzögert. Laut pakistanischen Medien hatten islamistische Hardliner die Richter bedroht.

Blasphemiegesetze als Einschüchterung

Blasphemie gilt im islamisch geprägten Pakistan als Kapitalverbrechen. In der Praxis werden unter Blasphemie nur verächtliche Äußerungen und Taten gegen den Islam, den Koran und den Propheten Mohammed verstanden, so die katholische Nachrichtenagentur KNA am Mittwoch. 2011 wurde der liberale Gouverneur von Pakistans größter Provinz Punjab erschossen, weil er Bibi verteidigt und die Blasphemiegesetze kritisiert hatte.

Proteste in Pakistan
AP/Fareed Khan
Heftige Proteste dauerten auch am Tag nach der Aufhebung des Todesurteils an

Kritiker sagen, gerade mit Hilfe der Blasphemiegesetze seien Angehörige anderer Religionen in der Vergangenheit von Muslimen eingeschüchtert worden. Die Gerichte, aber auch das Parlament und das Militär des Landes hatten sich in der Vergangenheit gescheut, Entscheidungen zu treffen, die gewalttätige islamistische Gruppen erzürnen könnten. Beobachter gingen davon aus, dass die Proteste zunächst weitergehen werden.