Antarktischer Krill
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Sorge um Krill und Co.

Antarktis droht die Überfischung

Nachdem die Pläne für das weltweit größte Schutzgebiet im Weddell-Meer gescheitert sind, droht der Antarktis zusätzlich zur Erderwärmung auch die Überfischung. Bedroht ist neben Pinguinen und Seeelefanten auch der winzige und unscheinbare Krill. Dessen Überfischung könnte schwerwiegende Folgen für das gesamte Ökosystem im Meer haben.

Bisher blieb das Weddell-Meer im Antarktischen Ozean von der Fischerei weitgehend verschont. Ein Grund dafür ist, dass große Teile des Meeres ständig von Eis bedeckt sind. Wegen des Klimawandels erwarten Fachleute jedoch, dass Fangflotten auf der Jagd nach Krill und Seehecht bald auch dorthin kommen.

Eng werden könnte es für die Bewohner des Weddell-Meers nun vor allem aufgrund der gescheiterten Pläne für eine Schutzzone. Denn auf einer internationalen Konferenz in der australischen Stadt Hobart gelang es nach zweiwöchiger Beratung am Freitag nicht, das Weddell-Meer unter besonderen Schutz zu stellen.

Vorerst kein Schutz für Krill und Co.

Deutschland hatte bereits 2016 einen ersten Fachvorschlag für eine Schutzzone im Weddell-Meer erarbeitet. Blockiert wurde das Vorhaben, das die EU bei der internationalen Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) eingereicht hat, nun von Russland und China – auch von Norwegen kam Widerstand.

Eisberg schwimmt im Meer bei der Antarktik
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Die Antarktis ist internationales Gebiet, das nur zu friedlichen Zwecken genutzt werden darf

Das Weddell-Meer ist das größte der rund 14 Randmeere des Südlichen Ozeans am antarktischen Kontinent und nach dem britischen Seefahrer James Weddell benannt. Es beheimatet eine Vielzahl an Robben- und Walarten – auch Kaiserpinguine leben dort. Die Antarktis ist internationales Gebiet. Zahlreiche Länder unterhalten dort einige Dutzend Forschungsstationen. In einem Vertrag von 1959 ist bestimmt, dass das Gebiet nur zu friedlichen Zwecken genutzt werden darf.

Lediglich vier Prozent der Meere geschützt

Im nächsten Jahr soll zwar ein neuer Anlauf für eine Schutzzone gemacht werden. Bis dahin müssen aber die Nationen überzeugt werden, die in erster Linie kommerzielle Interessen verfolgen. Geschützt werden sollte ein Gebiet von mehr als 1,8 Millionen Quadratkilometern, eine Fläche rund 20-mal so groß wie Österreich. Derzeit sind gerade einmal vier Prozent der Weltmeere geschützt.

Karte zeigt geplante Meeresschutzgebiete am Südpol
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BBC/CCAMLR

Die CCAMLR, die sich aus 24 Staaten und der EU zusammensetzt, beschloss 2002 als erste internationale Organisation, rund um den antarktischen Kontinent ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten einzurichten. Durch die Kommission wurden in den internationalen Gewässern des Südpolarmeeres zwei Schutzgebiete erfasst: 2009 wurden die Südlichen Orkneyinseln, die nördlich der Antarktischen Halbinsel liegen, unter Schutz gestellt – 2016 folgte mit einem Gebiet von 1,5 Mio. Quadratkilometern das Rossmeer.

Greenpeace: „Historische Chance“ verpasst

Auf das Scheitern der Pläne für das Weddell-Meer reagierten die Umweltschutzorganisationen mit großer Enttäuschung. Greenpeace zufolge sind die Meere den Bedrohungen wie „Erderhitzung, Plastikmüll und Überfischung“ ohne ausgedehnte Schutzgebiete nicht gewachsen. Der World Wildlife Fund (WWF) meinte: „Wir laufen Gefahr, eine der letzten unberührten Regionen des Ozeans zu verlieren.“

Streit um Südpolarmeer

Der Vorschlag der EU, im südpolaren Weddell-Meer ein Schutzgebiet einzurichten, wurde abgelehnt. Widerstand kommt von Russland und China.

Vom kommerziellen Fischfang besonders bedroht ist dabei der Krill, der in Form von Krillmehl für die Fischzucht verwendet wird. Als besonders profitabel gilt aber das Geschäft mit Krillöl, aus dem Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel produziert werden. In den Gebieten nördlich der bis zuletzt geplanten Schutzgebiete werden jährlich bereits Hunderttausende Tonnen des antarktischen Krebstiers gefischt – und das Interesse am Krillfang steigt laut WWF weiter.

Ohne Krill kein Pinguin?

„Fischereiflotten, die in Zukunft weiter in bislang verschonte Gebiete vordringen, bedrohen somit (durch den Krillfang, Anm.) die Lebensgrundlage der antarktischen Tierwelt“, sagt Greenpeace-Meeressprecher Lukas Meus auf Anfrage von ORF.at. Denn für Wildtiere wie Pinguine, Robben und Wale ist das kleine Krebstier das Hauptnahrungsmittel. Gibt es im Meer keinen Krill mehr, so leidet das gesamte Ökosystem darunter.

Im Juli verkündete der Branchenverband der Krillindustrie laut Angaben von Greenpeace noch, zukünftig auf Fischerei in großen Gebieten rund um die Antarktische Halbinsel zu verzichten. Auch die Einrichtung eines Netzwerks von Meeresschutzgebieten in der Antarktis wollte der Verband damals unterstützen. Ob er sich an dieses Versprechen nach Scheitern der Pläne halten möchte, ist unklar. Greenpeace zeigte sich am Freitag gegenüber ORF.at vorsichtig optimistisch: „Wir gehen weiter davon aus, dass sich der Krillverband aus ökologisch wichtigen Regionen fernhält und auch in Zukunft ein Netzwerk an Schutzgebieten in der Antarktis unterstützt.“

NGOs hoffen auf UNO-Abkommen

Die NGOs setzen nun auf die UNO-Verhandlungen über ein globales Abkommen zum Hochseeschutz. Die erste von vier Verhandlungsrunden, in denen die Staatengemeinschaft ein Regelwerk für den Schutz der Gewässer außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) erwirken will, fand im September statt.

Pinguine in der Antarktis
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Im Weddell-Meer leben mehr als 300.000 Kaiserpinguine

Dabei handelt es sich um jene Meeresgebiete, die weiter als 370 Kilometer vom jeweiligen Küstenstaat entfernt liegen und damit keinen nationalen Hoheitsbefugnissen unterliegen. Bisher ist ein Großteil dieser internationalen Gewässer noch ungeschützt. Ziel der Vereinten Nationen ist es außerdem, dass bis 2020 insgesamt zehn Prozent der Meere geschützt sein sollen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern sogar, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Ozeane unter Schutz zu stellen.

Umweltministerium: Sehr bedauerlich

Österreich unterstütze das Ziel, zehn Prozent der Küsten- und Meeresgebiete als Schutzgebiete auszuweisen, hieß es aus dem Umweltministerium gegen ORF.at. Dass es zu keiner Einigung für die Errichtung eines weiteren Schutzgebietes im Rahmen des Antarktis-Vertrages gekommen ist, sei „sehr bedauerlich“. Zudem verwies man im Ministerium auf die Ausarbeitung der neuen globalen Biodiversitätsziele. Der Startschuss erfolge bei einer UNO-Konferenz im November in Ägypten, Österreich als derzeitiger Vorsitz im Rat der Europäischen Union, arbeite maßgeblich daran mit.