Bundespräsident Alexander van der Bellen
ORF.at/Dominique Hammer
Ausstieg aus Migrationspakt

Van der Bellen fürchtet um Österreichs Ruf

Am Freitag hat auch Bundespräsident Alexander Van Bellen auf den Beschluss der ÖVP-FPÖ-Regierung reagiert, dem UNO-Migrationspakt fernzubleiben. In einem Facebook-Beitrag äußerte er sich besorgt über die Folgen, die der Austritt für Österreich international haben könnte. Die Bundesregierung verwehrte sich unterdessen gegen Kritik aus dem Ausland.

„Ich hoffe sehr, dass die österreichische Bundesregierung alles daransetzen wird, den drohenden Verlust von Ansehen und Glaubwürdigkeit Österreichs auf internationaler Ebene abzuwenden“, heißt es in dem Beitrag.

Van der Bellen schrieb weiter, er begrüße den „globalen Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration“, den Österreich mit ausverhandelt habe. Der Pakt entfalte keine bindende Wirkung für Einzelstaaten, beinhalte aber zahlreiche vernünftige Vorschläge, „wie den Herausforderungen der weltweiten Migration mit Augenmaß, Menschlichkeit und Kontrolle begegnet werden kann“.

Konstruktiver Dialog ist „österreichisch“

„Die großen Herausforderungen unserer Zeit, von der Klimakrise über geopolitische Konflikte und Handelskriege bis hin zur Migration, können nicht auf nationalstaatlicher Ebene alleine gelöst werden. Wir brauchen dazu die multilaterale Zusammenarbeit“, so das Staatsoberhaupt.

Van der Bellen fürchtet um Österreichs Ruf

Nach der Entscheidung der Regierung, aus dem UNO-Migrationspakt auszusteigen, zeigt sich Bundespräsident Van der Bellen besorgt. Er warnt vor einem Ansehensverlust.

Auch wenn sich die Regierung in diesem Punkt anders entschieden habe: „Österreichisch ist es jedenfalls, im Gespräch zu bleiben. Österreichisch ist es, den konstruktiven Dialog zu suchen. Das gilt gerade auch dann, wenn es auf internationaler Ebene unterschiedliche Positionen zu wichtigen Fragen gibt.“

Präsident will mit Regierung sprechen

Van der Bellen will nun in Gesprächen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) „ausloten, was wir tun können, damit wir angesichts der vielen globalen Herausforderungen die gute Gesprächsebene mit unseren internationalen Partnern in Zukunft beibehalten“. Schließlich sei die „Stärkung eines effektiven Multilateralismus“ auch als Ziel im Regierungsprogramm festgeschrieben, und Österreich trage gerade als derzeitiges EU-Vorsitzland hier besondere Verantwortung.

Der Bundespräsident verwies auf das Engagement Österreichs in internationalen Organisationen und Wien als einen der vier UNO-Amtssitze. In Fragen der Menschenrechte, der Abrüstung und beim Einsatz für eine nuklearwaffenfreie Welt habe sich die Republik „den Ruf eines aktiven und verlässlichen Partners in der Weltgemeinschaft erworben. Diesen Ruf sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen“, mahnte Van der Bellen.

Autoren sehen „Schritt in Isolation“

Der Bundespräsident ist nicht der Einzige, der in den vergangenen Tagen den Beschluss der Regierung mit Sorge aufgenommen hat. Nach teils harscher Kritik von Opposition und Experten in den vergangenen zwei Tagen äußerten sich am Freitag auch 56 heimische Autoren und Autorinnen sowie Kunstschaffende. In einem Aufruf bezeichneten sie den Beschluss der ÖVP-FPÖ-Koalition als „Schande“ und „Schritt in die internationale Isolation“. „Wir protestieren entschieden gegen diese ebenso widerwärtige wie widersinnige Politik“, heißt es in der von Gerhard Ruiss und Olga Flor initiierten Erklärung.

Eine Protestkampagne gegen den Ausstieg findet indes im Internet großen Zuspruch. Bis zum späten Freitagabend erklärten auf der Plattform des Vereins #aufstehn über 111.000 Menschen ihre Unterstützung für die 23 Ziele des UNO-Migrationspakts. Konkrete politische Konsequenzen sind aber nicht wahrscheinlich.

Meinungsumschwung von Kurz

Auch international zog die Entscheidung Kritik nach sich. Bereits in der Nacht auf Donnerstag hatte die UNO-Sonderbeauftragte für Migration, Louise Arbour, von einer „extrem bedauerlichen“ Entscheidung gesprochen. Österreich sei in dem Verhandlungsprozess „sehr aktiv“ und „geschickt“ gewesen. Als aktiver Teilnehmer sollte man den Text gut kennen und hätte jegliche Bedenken äußern können, so die Sonderbeauftragte.

Tatsächlich hatte Kurz vergangenes Jahr – damals noch als Außenminister – den Migrationspakt mit Vorschusslorbeeren bedacht. „Ich begrüße, dass die UNO einen Migrations- und Flüchtlingspakt erarbeitet. Das wird sicherstellen, dass es eine stärker geordnete internationale Herangehensweise an diese Herausforderungen gibt“, sagte Kurz 2017 vor der UNO-Vollversammlung.

Blümel greift Asselborn an

Inzwischen hat sich der Ton deutlich verändert. Am Freitag warnte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn im Inforadio des deutschen Senders rbb davor, dass die deutsche Migrationspolitik nie auf die Linie von Kurz und FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) kommen dürfe.

Auf kein Verständnis stieß Asselborn damit bei EU-Minister Gernot Blümel. In einer schriftlichen Stellungnahme verwehrte er sich gegen „Ratschläge oder Zurufe“. „Einem Politiker, der für eine verfehlte Willkommenspolitik wie im Jahr 2015 steht, mag das vielleicht nicht gefallen. Gerade von ihm brauchen aber weder Österreich noch die CDU Ratschläge oder Zurufe“, so Blümel.

Rechte Stimmungsmache beschäftigt Berlin

Das deutsche Außenamt hat innerhalb der deutschen Koalition zwar nicht die Union, sondern die SPD inne. Dort herrscht aber jedenfalls ebenso Sorge. Es gebe Versuche, durch „irreführende Informationen“ die öffentliche Meinung gegen das Abkommen zu mobilisieren, hieß es laut den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Freitag-Ausgaben) aus dem Auswärtigen Amt.

Künftig solle Falschmeldungen entgegentreten werden, wie sie unter anderem von der AfD verbreitet würden. So widerspricht das Auswärtige Amt der Darstellung der AfD, mit einem Beitritt zu dem Abkommen nehme die deutsche Regierung „eine Beschleunigung und Vervielfachung der Zuwanderung in Kauf“. Vorhersagen, wonach sich durch den Migrationspakt die Zuwanderung in bestimmte Länder erhöhen werde, seien „vollkommen unseriös und entsprechen auch nicht der Zielrichtung des Paktes“, hieß es dazu laut RND-Zeitungen im Auswärtigen Amt.

Der von der UNO initiierte erste „weltweite Pakt für sichere, geordnete und regulierte Migration“ soll im Dezember bei einer Konferenz in Marokko offiziell angenommen werden. Er beinhaltet eine Reihe von Leitlinien sowie rund 20 konkrete Maßnahmen, deren Umsetzung allerdings rechtlich nicht bindend ist. Es geht um eine bessere internationale Zusammenarbeit in der Migrationspolitik und um Standards im Umgang mit Flüchtlingen.

FPÖ spricht von „Vorreiterrolle“

Nach den USA und Ungarn hatte allerdings am Mittwoch auch Österreich angekündigt, den Migrationspakt nicht zu unterschreiben. Auch Australien hatte zuvor bereits Skepsis angemeldet. Die Regierung in Polen erwägt ebenfalls, die Unterschrift zu verweigern. „Wir sind der Ansicht, dass unsere souveränen Prinzipien absolute Priorität haben“, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Freitag nach deutsch-polnischen Regierungsberatungen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Warschau. Bereits am Donnerstag hatte sich auch der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis gegen das Abkommen gewandt. „Mir gefällt dieser Pakt nicht“, sagte er vor Abgeordneten.

Die FPÖ sieht Österreich denn auch bereits in einer „Vorreiterrolle“. In einer Aussendung sprach EU-Mandatar Harald Vilimsky am Freitag von entsprechenden Signalen aus Tschechien, Kroatien und Italien. Im Austritt Österreichs aus dem Migrationspakt sah der FPÖ-Generalsekretär „die starke Handschrift der FPÖ in der Bundesregierung“.