US-Regisseur Wes Anderson mit seiner Lebensgefährtin Juman Malouf im Kunsthistorischen Museum
APA/AFP/Joe Klamar
Hollywood im KHM

Die kuriose Welt des Wes Anderson

Von „Grand Budapest Hotel“ bis hin zu „Isle of Dogs“ – die Filme des Kultregisseurs Wes Anderson sind geprägt von malerisch verträumten Szenerien, die nicht selten Inspiration aus der Welt der bildenden Künste beziehen. Jetzt bringt Anderson gemeinsam mit seiner Partnerin Juman Malouf viel Kurioses und eine Portion Magie in das Kunsthistorische Museum (KHM) in Wien.

Die vom US-Regisseur und der gefeierten libanesischen Illustratorin sowie Kostümbildnerin kuratierte Ausstellung bringt genau das, was die Marke „Wes Anderson“ verspricht. Sie ist eine Sammlung an teils kuriosen Objekten und Artefakten des KHM Wien – verfeinert mit einer Prise kindlicher Neugier und einem Schuss Skurrilität: Zutaten, die dem Regisseur von „Rushmore“ und „Die Royal Tenenbaums“ bereits eine Reihe an Preisen für seine Filme einbrachte.

Von der Neben- zur Hauptrolle

Eines der 423 Objekte, die das seit 2013 liierte Paar über zwei Jahre aus allen 14 Sammlungen sowie aus insgesamt vier Millionen Exponaten des KHM herauspickte, ist der Sarg einer Spitzmaus aus der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung. Jener ist Teil des Andersonesken Ausstellungstitels „Spitzmaus Mummy in a Coffin and Other Treasures“, der zugleich an die Kinderbücher des Briten Roald Dahls erinnert – einen davon hat der 49-jährige Regisseur verfilmt („Die fantastische Welt des Mr. Fox“).

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Ausstellungsansicht
KHM-Museumsverband
Der Sarg einer Spitzmaus aus dem 4. Jahrhundert vor Christus gibt der Ausstellung ihren Titel
Ausstellungsansicht
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Das traditionsreiche KHM bietet den idealen Kontrast zu der verspielten Schau – die zum Teil einzig nach Farben arrangiert ist
Ausstellungsansicht
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Ähnlich wie in einigen Anderson-Filmen werden Kinder im Zuge der Schau wie Erwachsene inszeniert
Ausstellungsansicht
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Anderson und Malouf wählten 423 Objekte aus vier Millionen Exponaten des KHM aus
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Das Paar pickte überdies Objekte aus allen 14 KHM-Sammlungen heraus
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Viele davon wurden ob ihrer mangelnden Bedeutung noch nie von Kuratoren zur Schau gestellt
Ausstellungsansicht
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Zu sehen ist die Ausstellung in den Hallen der Kunstkammer
Bleistiftzeichnung „Phönix“
Juman Malouf
Maloufs Zeichnungen sollen die entnommenen Objekte für die Zeit der Schau vorübergehend ersetzen

Normalerweise wird der Sarg aber wenig prominent in einem Seitenkabinett der ägyptischen Sammlung ausgestellt. Ein Großteil der Objekte der Schau stammt aus den Depotbeständen des Museums und wird sogar erstmals im KHM präsentiert – weil die Objekte ob mangelnder Bedeutung zuvor nie für eine Schau ausgewählt wurden.

Abseits des bewährten Kunstkanons

Im wirr zusammelgewürfelten Sammelsurium an Artefakten finden sich außerdem eine aus Keramikperlen geknüpfte Kette aus dem Alten Ägypten sowie ein rund 5.000 Jahre jüngerer, hölzerner Affe aus Indonesien. Ein Bereich ist einzig nach der Farbe Grün arrangiert, ein weiterer widmet sich einer Variation an Kinderbildern der höfischen Repräsentationskultur samt Kinderrüstung.

Wes Anderson und die Spitzmausmumie im KHM

Aus sagenhaften vier Millionen Exponaten hat Regisseur Wes Anderson gemeinsam mit seiner Frau Juman Malouf 400 Objekte herausgepickt.

Für Fans des texanischen Regisseurs klar ersichtlich ist wohl die Anlehnung an seine Filmwelten, in denen sich Kinder oft wie Erwachsene verhalten und umgekehrt. Einen ersten Einblick in die Schau gewährte das KHM bereits im September: So wurde ein Trailer des Filmemachers – ganz in Anderson-Manier mit Musik untermalt – veröffentlicht.

Auch dass sich das Künstlerpaar mit seiner Ausstellung weit abseits des bewährten Kunstkanons bewegt, wird schnell bemerkbar. Die traditionsreichen Räumlichkeiten des KHM bilden dabei den idealen Kontrast zur verspielt zusammengestellten Schau. So reihen sich etwa Gemälde alter Meister der Kunstgeschichte neben solche unbekannter Künstler. „Wes und Juman sind Menschen, die eher in die Gegenrichtung gehen, wenn sie ein großes, historisches Gemälde sehen“, sagt Kurator Jasper Sharp über den Auswahlprozess: „Es war für uns eine Herausforderung, die Kontrolle über unsere Sammlungen aufzugeben.“

Anderson folgt auf Ruscha und de Waal

„Wir hoffen allerdings, dass wir mit der Ausstellung Licht in einige Ecken richten, die bislang zu düster waren, um sie bequem in Augenschein zu nehmen“, wird Anderson selbst im Katalog zur Ausstellung zitiert. „Es ist ihm gelungen, unseren Blickwinkel auf die Sammlungen auf den Kopf zu stellen“, sagt KHM-Generaldirektorin Sabine Haag.

Wes Anderson und Juman Malouf
KHM-Museumsverband
Anderson und seine Partnerin Malouf durchforsteten die umfassenden Depotbestände des KHM über zwei Jahre lang

Ausstellungshinweis

„Spitzmaus Mummy in a Coffin and Other Treasures“ ist von 6. November 2018 bis 28. April 2019 dienstags bis sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags bis 21.00 Uhr im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen.

Es ist bereits das dritte Mal, dass das KHM berühmten, wenngleich fachfremden Künstlern die Möglichkeit bietet, aus den umfassenden Beständen des Hauses eine Ausstellung zusammenzustellen. Den Anfang machte der Zeichner Ed Ruscha mit „The Ancients Stole All Our Great Ideas“ im Jahr 2012, gefolgt von dem britischen Keramikkünstler und Autor Edmund de Waal mit der Ausstellung „During the Night“ 2016. Die Anderson-Ausstellung wird zudem ab Oktober 2019 in der Fondazione Prada in Mailand zu sehen sein. Zudem gibt es im Wiener Votivkino ab Mittwoch einen Fokus auf Anderson-Filme.

Eine Ästhetik, die die Welt erobert

Dem KHM ist mit der aktuellen Schau jedenfalls ein weiterer Coup gelungen. Das Ausstellungsdebüt des Paars lockte gar Hollywood-Stars wie Bill Murray und Tilda Swinton, die zudem die Viennale-Premiere von „Suspiria“ besucht, nach Wien. Der preisgekrönte Filmemacher gilt als einer der tonangebenden Persönlichkeiten der Populärkultur, der auch abseits der Kinoleinwand weltweit großen Einfluss übt – der reicht von Kunst, Mode bis hin zu den Sozialen Netzwerken. So zählt etwa der Instagram-Account „Accidentally Wes Anderson“ mittlerweile eine halbe Million Abonnenten. Das Prinzip dahinter: Menschen schicken Bilder ein, die der Ästhetik des Filmemachers entsprechen.

„Vieles in der modernen Kultur basiert auf der Idee, das eigene Bild sorgfältig zu kuratieren“, wird der Kritiker Danny Leigh vom British Film Institute im „Guardian“ zitiert. Andersons Beliebtheit in Sozialen Netzwerken ist daher wenig überraschend, gilt dieser doch schon seit Jahren als Meister des Kuratierens. „Das ist eine Sache, für die Anderson den Weg bereitete: die Idee, dass alles zutiefst bewusst und zutiefst maßgeschneidert ist“, sagt auch Leigh.

Ein Gros seiner Filme ist anhand der liebevoll ausgewählten Musik, der sorgfältigen Komposition der Aufnahmen sowie der schrillen Kostüme erkennbar – sein Stil formte gar eine gesamte Subkategorie des US-Kinos. Und diese Liebe zum Detail wie auch die neuartig verträumte Komposition der Objekte im KHM – wenngleich sie gerade Kunstkennerinnen und Kunstkenner überraschen mag – macht den Charme von „Spitzmaus Mummy in a Coffin and Other Treasures“ aus.