Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber
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BVT-U-Ausschuss

„Aufräumen“ hängt Goldgruber nach

Sein Name fällt, wenn die BVT-Affäre zur Sprache kommt: Peter Goldgruber. Der oberste Beamte im Innenministerium stand am Dienstag den Abgeordneten im BVT-U-Ausschuss Rede und Antwort. Den Vorwurf, er habe die Razzia im Staatsschutz initiiert, wies er zurück. Das „Prädikat aufräumen“ hänge dem Generalsekretär bis heute nach.

Laut einem Tagebucheintrag der fallführenden Staatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Ursula Schmudermayer, habe Goldgruber von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) den „Auftrag“ erhalten, im „BMI aufzuräumen“. Goldgruber betonte bei seiner Befragung, dass das so nicht stimme. „Ich habe vom Minister nie den Auftrag erhalten, irgendwo aufzuräumen“, so der Beamte. Er habe lediglich die Vorwürfe, die um die BVT-Affäre seit 2017 in Umlauf sind, überprüfen müssen.

Konkret geht es um das anonyme Konvolut mit zum Teil haltlosen Vorwürfen gegen Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Das Dossier war der Grund, warum die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufgenommen und Zeugen vorgeladen hatte, deren Aussagen zur Hausdurchsuchung im BVT und in vier Privatadressen führten. Goldgruber erhielt laut eigenen Angaben das Konvolut Anfang des Jahres von Anwalt Gabriel Lansky. Dieser wurde bereits im Ausschuss befragt, Antworten lieferte der SPÖ-nahe Jurist aber keine.

Goldgruber: Konvolut von Lansky erhalten

Lansky habe dem Generalsekretär gesagt, dass er glaube, Ermittlungen seien bereits anhängig. Goldgruber, der seit 38 Jahren im Ressort tätig ist, wollte den „Verfahrensaufwand durch eine Doppelanzeige“ vermeiden, weshalb er dann mit dem Konvolut zur WKStA gegangen sei. „Ich bin ein Anhänger davon, wirtschaftlich zweckmäßig vorzugehen“, sagte Goldgruber am Dienstag. Der Gang bzw. das direkte Gespräch am 19. Jänner mit Schmudermayer sei ein „logischer Schritt gewesen“. Dort habe man ihm dann indirekt erklärt, dass bereits ermittelt werde.

Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber
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Der Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber, vor der Befragung im U-Ausschuss

„Die Staatsanwaltschaft hat den Eindruck vermittelt, dass sie ermitteln möchte, aber nicht genau wisse, wie“, so der Generalsekretär, der ihr seine Unterstützung für Ermittlungshandlungen angeboten habe. Druck auf die WKStA, wie der Vorwurf von ÖVP-Justizminister Josef Moser vor wenige Wochen gelautet hatte, übte er laut eigenen Aussagen nicht aus. Das wäre gar nicht möglich gewesen, da er über den Ermittlungsstand nicht informiert gewesen sei. Die Einsatzgruppe zur Bekämpfung von Straßenkriminalität (EGS) sei deshalb einbezogen worden, weil sie eine der „erfolgreichsten Einheiten“ sei.

Das eigentlich dafür zuständige Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) konnte laut Goldgruber nicht involviert werden, da es auch Vorwürfe gegen BAK-Beamte gäbe. Die Frage, ob es korrekt sei, dass er laut Weisungskette bei einer Einbindung des BAK die Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) hätte informieren müssen, bejahte der Generalsekretär, der dies nach eigenen Angaben aber auch getan hätte.

Von Vorwürfen „überrascht“ gewesen

Auch dass er es war, der eine Anzeige erstattet hatte, sei nicht richtig, so Goldgruber, weil er ja der WKStA nichts Neues erzählt habe. Der Beamte des Innenressorts sei zwar von den Inhalten des Konvoluts „überrascht“ gewesen. Aber er habe sich an Fakten zu halten, nicht an Gerüchte. Kickl, der bereits zu seiner Zeit als FPÖ-Generalsekretär vom 39 Seiten langen Pamphlet wusste, habe er „jederzeit“ über die Ermittlungen informiert, so Goldgruber.

Die Treffen mit Belastungszeugen

Der Innenministeriumsgeneralsekretär bestätigte, dass er mit zwei von vier Belastungszeugen vor der Hausdurchsuchung im BVT Kontakt hatte. Mit der ehemaligen BVT-Beamtin Ursula-Ria P., die sich seit September 2017 in Karenz befindet und am 21. Februar 2018 von der WKStA einvernommen wurde, habe er im Innenressort gesprochen. Anwesend seien auch Kickl und dessen Kabinettsmitarbeiter Udo Lett gewesen. Aber einiges sei Goldgruber „nicht erinnerlich“. Auch an das Treffen mit Ex-BVT-Abteilungsleiter Martin W., der am 22. Februar von der WKStA im Beisein von Lett befragt wurde und seit 31. März karenziert ist, könne er sich nur vage erinnern.

Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber
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Der Medienandrang bei Goldgrubers Befragung am Dienstag war enorm

Grundsätzlich sei über die Zukunft von W. gesprochen worden. So hatte es auch der Ex-BVT-Abteilungsleiter vor wenigen Wochen vor dem Ausschuss angegeben. Das Gespräch am 9. Februar – eines fand am 2. Februar mit Lett statt – soll sich größtenteils um dessen Karenzierung gedreht haben. Um das Konvolut sei es auch gegangen, „da kann ich Ihnen aber keine Details sagen, weil ich mich einfach nicht mehr erinnern kann“, sagte Goldgruber. Dass W. in seiner Befragung gesagt hat, dass der Generalsekretär nach dem Autor des Konvoluts gefragt hatte, wurde nicht thematisiert.

Die Aussage von W., dass Goldgruber ihm mitgeteilt habe, dass der Generalsekretär wegen des anonymen Konvoluts Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstatten werde und W. wohl mit einer Vorladung rechnen müsse, relativierte Goldgruber am Dienstag. Er habe W. nur grundsätzlich belehrt, dass es eine Anzeigepflicht gebe. Die Zeugen habe er mündlich von der Amtsverschwiegenheit entbunden. Der Verdacht lautet, dass das nicht der Fall war. Die Entbindung von der Amtsverschwiegenheit ist deshalb wichtig, weil eine Nichtentbindung ein Nichtigkeitsgrund wäre und die Zeugen sich womöglich der Verletzung des Amtsgeheimnisses schuldig gemacht hätten.

Pensionierung von Sibylle G.?

Breiten Raum in der Befragung nahm der angebliche Versuch ein, die Leiterin des Extremismusreferats im BVT, Sibylle G., aus ihrem Amt zu drängen. Dass es entsprechende Überlegungen gab, erklärte die Referatsleiterin bei ihre Befragung. Goldgruber bestätigte bloß, BVT-Vizechef Dominik Fasching damit beauftragt zu haben, zu schauen, ob dienstrechtliche Verfehlungen G.’s bestanden hätten, und allfällige Missstände abzustellen. Was die Vorwürfe angeht, blieb er eher vage. Verwiesen wurden beispielsweise auf die chaotischen Zustände, die in ihrem Büro geherrscht haben sollen.

Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber
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Goldgruber verteidigte sich im U-Ausschuss gegen die Vorwürfe, Initiator der BVT-Razzia gewesen zu sein

Dass G. gedrängt worden sei, statt der Extremismus- die Sportabteilung im BVT zu übernehmen, sieht der Generalsekretär nicht als Abstieg. Zudem sei diese Überlegung entstanden, weil die Leitung dieser Abteilung gerade frei gewesen sei. Indirekte Vorwürfe, dass so das Extremismusreferat quasi lahmgelegt werden sollte, wies Goldgruber scharf zurück: „Das Wissen ist nicht exklusiv bei der Frau G. geparkt“, verwies auf die Fachkompetenz der anderen Beamten ihrer Abteilung.

G. hatte in ihrer Befragung Mitte Oktober berichtet, dass sie von der Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, aufgefordert wurde, ihre „Frontalangriffe“ gegen Generalsekretär Goldgruber zu unterlassen. G. hatte nach der Razzia eine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung eingebracht und das aus ihrer Sicht fahrlässige Vorgehen dabei kritisiert. „Ich nehme an, dass das der Hintergrund der Aussage war“, so die BVT-Beamtin, die laut einem anderen Zeugen trotz des Chaos im Büro immer schnell die Unterlagen fand, die sie gerade benötigte.

„Freiwilliger“ Rückzug aus „Berner Gruppe“

Vor der Befragung Goldgrubers war ein neuer Aspekt in der Affäre um den Geheimdienst aufgetaucht: Wie der „Falter“ berichtete und das Innenressort bestätigte, ist das BVT aus der „Berner Gruppe“ von internationalen Geheim- und Nachrichtendienste vorübergehend „freiwillig“ ausgetreten. Laut „Falter“ wurde Österreich „nahegelegt, von sich aus zeitweilig das Gremium zu verlassen, solange die BVT-Affäre nicht geklärt“ sei. BVT-Chef Peter Gridling habe verfügt, dass sich Österreich freiwillig aus dem „Berner Club“ zurückzieht – „sonst wären wir rausgeworfen worden“, wird ein BVT-Beamter zitiert.

Aktenwagen beim BVT Untersuchungsausschuss
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Am Dienstagnachmittag wird Udo Lett, Kabinettsmitarbeiter von Herbert Kickl, im U-Ausschuss befragt

Das Innenministerium bestätigte diesen Sachverhalt, stellte das Motiv aber anders dar: „Österreich war zu keinem Zeitpunkt vom Informationsfluss mit den Partnerdiensten und innerhalb des Berner Clubs abgeschnitten“, sagte die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Kardeis. Ein Ausschluss aus der „Berner Gruppe“ sei nicht zur Debatte gestanden.

Jedoch habe sich das BVT aus freien Stücken vorübergehend aus den Arbeitsgruppen des „Clubs“ zurückgenommen. „Dadurch wurde Vertrauensvorbehalten bewusst entgegengewirkt“, die allerdings nicht aus der medial breit berichteten „BVT-Affäre“ herrührten, sondern in Zusammenhang mit einem Spionageverdachtsfall aus dem Jahr 2017 gegen einen ehemaligen BVT-Mitarbeiter gestanden seien.