BVT-Chef Peter Gridling
ORF.at/Lukas Krummholz
U-Ausschuss

BVT-Direktor Gridling teilt aus

Stoisch, aber mit scharfer Zunge hat BVT-Direktor Peter Gridling am Mittwoch die Fragen im BVT-U-Ausschuss beantwortet. Nach der Hausdurchsuchung im Staatsschutz Ende Februar habe es einen Vertrauensverlust bei Partnerdiensten gegeben. Näher wollte er sich dazu nur unter Ausschluss der Medien äußern. Aber auch öffentlich sparte Gridling nicht mit Kritik an den großen Playern der Staatsschutzaffäre.

Bereits zu Beginn seiner Befragung teilte der langjährige BVT-Chef mit, dass 2018 ein „schwieriges Jahr“ für den Staatsschutz gewesen und noch immer sei. Gridling zitierte seinen Vorgänger im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Gert-Rene Polli, der im U-Ausschuss über einen „Tanz auf der Asche des BVT“ gesprochen hatte. „Ich möchte hier festhalten, dass es keinen BVT-Skandal gibt und keinen Skandal im BVT“, sagte Gridling und verwies auf Erfolge, die nur durch das Engagement seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten zustandekommen können.

In einer stoischen Haltung übte er scharfe Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die hätte bei „etwas mehr Sorgfalt“ die Razzia vermeiden können, sagte er im Ausschuss. Denn über die Qualität der Zeugenaussagen müsse man angesichts des Auftritts des Quartetts vor dem U-Ausschuss nichts mehr sagen, spielte der Generaldirektor auf die Aussagen von mindestens drei der vier Belastungszeugen an. Im U-Ausschuss konnten sie ihre Vorwürfe, die sich gegen Beamte des BVT richteten, nicht konkretisieren.

Kritik an der Staatsanwaltschaft

Ebenfalls missfallen hat Gridling, dass bei seiner Befragung in der Staatsanwaltschaft Udo Lett, Mitarbeiter im Innenministerium, im Vorzimmer gesessen sei. Seine Anwesenheit habe ihn überrascht, sagte der BVT-Chef. Lett agierte bei drei von vier Belastungszeugen als Vertrauensperson und hatte im Vorfeld der Hausdurchsuchung öfters Kontakt zu den ehemaligen BVT-Beamten. Er könnte somit mit Zeugen bei der WKStA gewesen sein, als auch Gridling befragt wurde. Lett spielte am Dienstag seine Rolle in der Causa ohnehin runter. Er wehrte sich gegen Vorwürfe, dass er Druck auf die WKStA ausgeübt habe und eine Art „Zeugenlieferservice“ (Liste Pilz) gewesen sei.

Direkt angegriffen wurde vom BVT-Chef Peter Goldgruber, der Generalsekretär des Innenministeriums, dem er zumindest eine indirekte Drohung vorhielt. So habe ihm Goldgruber gesagt, als er mit diesem über die Vorwürfe gegen das Bundesamt sprechen wollte: „Passen Sie auf, was Sie zu mir sagen, nicht dass ich als Zeuge gegen Sie aussagen muss, was ich auch würde“, zitierte Gridling den obersten Beamten im Innenressort. Auf die Frage, ob er sich dadurch unter Druck gesetzt fühlte, antwortete der BVT-Chef: „Wissen Sie, um etwas als Drohung zu sehen, muss sich jemand bedroht fühlen.“

BVT-Chef Peter Gridling
ORF.at/Lukas Krummholz
Das freundliche Lächeln setzte Peter Gridling im Ausschuss selbst nicht auf

Gridling selbst war, als die Hausdurchsuchung im BVT begonnen hatte, im Innenministerium. Er habe einen Termin mit Goldgruber gehabt. „Er wollte mir die Inhalte der Anordnung (für die Hausdurchsuchung, Anm.) erklären“, sagte Gridling. Im Generalsekretariat habe er „vor allem gewartet und gewartet“, das Gespräch selbst habe „äußerst kurz“ gedauert. Um die Mittagszeit sei er zurück ins BVT gefahren und habe dort gemeinsam mit der BVT-Rechtsreferentin Michaela K. auf den nötigen Schutz der klassifizierten Informationen gedrängt.

„Menschlich enttäuscht“ von Martin W.

Dass persönliche Befindlichkeiten zumindest Auslöser für die Aussagen der Belastungszeugen waren, bestätigte Gridling indirekt. Martin W., Ex-Abteilungsleiter im BVT, hat sich laut Gridling offenbar „nicht genug gefördert“ gefühlt. W. dürfte enttäuscht gewesen sein, dass sich unter ihm seine Karrierepläne nicht erfüllt hätten. Die Frage, ob es hier Revanchismus seitens W.s gegeben habe, bejahte Gridling, der von einer „menschlichen Enttäuschung“ sprach. Denn, so der BVT-Chef, er sei von einem freundschaftlichen Verhältnis mit W. ausgegangen. Das sei offenbar nur einseitig gewesen, so Gridling.

Dass ihm, Gridling, vorgeworfen wurde, nicht die nötigen Schritte veranlasst zu haben, um Daten im BVT, die rechtlich gelöscht werden mussten, zu löschen, wies der BVT-Chef zurück. „Die Abteilung von W. hat es mit der Datenskartierung nicht sonderlich ernst genommen. Sie ist mit der Datenlöschung zurück gewesen“, sagte Gridling. Deshalb habe er mit W. vereinbart, dass dieser wöchentlich Bericht erstattet. Auch den Vorwurf, der ehemalige Spionagechef im BVT, Bernhard P., habe Gridling gesagt, er habe Kopien von zu löschenden Daten gemacht, stritt der BVT-Direktor ab.

Leerer Platz der Auskunftsperson beim BVT Untersuchungsausschuss
ORF.at/Lukas Krummholz
Kein Kameraschwenk bei Peter Gridling, deshalb wurde der leere Platz fotografiert

Neu ins Feld führte er aber, dass eine Generallöschung von zu Hause nicht möglich sei. Dass die Fernlöschungsthese von der WKStA als „Gefahr in Verzug“ gewertet wurde und daraufhin die Razzia im BVT stattgefunden hat, habe Gridling erstaunt. Eine Datenlöschung vom Innenressort aus sei nur für Handys möglich – falls ein Beamter seines verliere, können so Daten gelöscht werden, erklärte Gridling. Dass Belastungszeuge und Ex-BVT-Beamte Anton H., der die These bei der WKStA am Rande seiner Einvernahme in den Raum stellte, weder IT-Experte noch für Handys zuständig war, bestätigte der BVT-Chef.

„Berner Gruppe“ nur unter Ausschluss der Medien

Zu einer Zwangspensionierung der Leiterin des Extremismusreferats, Sibylle G., hat Gridling nach eigener Darstellung keine Wahrnehmung. G. soll laut internen Dokumenten und eigenen Aussagen im Ausschuss von der Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, zur Pension gedrängt worden sein, sonst werde es „brutal“. G. werden „chaotische Zustände“ in ihrem Büro vorgeworfen. Datenträger mit sensiblen Informationen lägen herum. Gridling dazu: Wer viele Akten bearbeite, habe auch viele Akten herumliegen. Außerdem müsse man vier Hochsicherheitsschlösser überwinden, um in G.s Büro zu gelangen. Und ins BVT gelangt man nur über eine Anmeldung.

Äußerst sensibel reagierte er auf die Fragen nach der „Berner Gruppe“ internationaler Geheimdienste. Österreich habe sich nach der Razzia vorübergehend freiwillig aus den Arbeitsgruppen (bis Oktober) zurückgezogen, nicht aber vom Informationsfluss, sagte Gridling. Nähere Details wollte er nur unter Ausschluss der Medien erörtern. Auch Details zu einem Schreiben, das er verfasst hatte und in dem er vor einem Rauswurf aus der Gruppe warnte. Dass der Staatsschutz durch die Affäre Schaden bei den Partnern genommen hat, bestätigte Gridling zumindest indirekt.

Lokal 7 in der Hofburg
ORF.at/Lukas Krummholz
Wenn vertrauliche Informationen behandelt werden, müssen die Medien den Saal verlassen

Selbstverständlich gebe es Irritationen bei Partnerdiensten, basiere die Zusammenarbeit doch auf Vertrauen. Kritischen Fragen, ob Österreich in der Lage sei, sensible Informationen für sich zu behalten, müsse er sich auch heute noch stellen. Spekulationen gab es, wonach Gridling trotz seiner Suspendierung im April an einem Treffen des „Berner Clubs“ in Helsinki teilgenommen habe. Das wurde von ihm bestritten. Er sei zu diesem Zeitpunkt zwar in Finnland gewesen, jedoch gemeinsam mit seiner Frau aus privaten Gründen.

Frage nach verdeckten Ermittlern

Fragen nach Missständen im BVT, etwa ein Datenverwaltungssystem, das nicht zertifiziert ist, beantwortete Gridling mit Verweis auf die rechtlichen Vorgaben. Dass Datenträger „mehrere Tage“ herumliegen, bestätigte der Staatsschutzchef. Allerdings nur, wenn eine Sicherung der Daten (Backup, Anm.) vollzogen werde. Auch über Qualifikationen einer ehemaligen BVT-Beamtin durfte Gridling sprechen. Die Zeugin Ursula-Ria P. kam laut dem BVT-Direktor auf Intervention des (damals noch ÖVP-geführten) Kabinetts ins Bundesamt. Über ihre Qualifikation habe er keine Wahrnehmung.

BVT-Chef Peter Gridling
ORF.at/Lukas Krummholz
Gridling sichtlich gelassen nach der Befragung im BVT-U-Ausschuss

Dass es eine Anfrage Goldgrubers über den Einsatz verdeckter Ermittler und Ermittlerinnen im Rechtsextremismusbereich gegeben habe, bejahte Gridling. Goldgruber hatte das bei seiner Befragung am Dienstag zunächst bestritten und später relativiert, dass er sich nicht erinnern könne. Gridling konnte sich dagegen erinnern, dass so eine Anfrage gekommen sei, die ihn „irritiert“ habe. Denn eigentlich habe das Generalsekretariat gemeint, solche Informationen nicht erhalten zu wollen, damit nicht der Verdacht aufkomme, man wolle etwas politisch nutzen.

Showdown zwischen Goldgruber und Gridling?

Wegen diesen und anderen Widersprüchen will die SPÖ eine Gegenüberstellung von Gridling und Goldgruber im BVT-Ausschuss verlangen. Das kündigte die Partei nach der Befragung Gridlings an. Laut SPÖ wäre eine solche Gegenüberstellung möglich, die Verfahrensordnung lasse so etwas zu. Verfahrensrichter Eduard Strauss wollte sich gegenüber ORF.at dazu noch nicht näher äußern. Erstens kenne er diese Forderung noch nicht, und zweitens müsse er die Verfahrensordnung noch genau studieren. Nur so viel: Wenn es zu einer Gegenüberstellung kommt, würde man wohl Neuland betreten.

Ohnehin dürfte Goldgrubers Anfrage an den Staatsschutz nicht die einzige dieser Art gewesen sein. Denn wie Gridling nach Drängen des Ausschusses bekanntgab, hat auch der Kabinettschef einiger ÖVP-Innenminister, Michael Kloibmüller, solche Fragen an das Bundesamt herangetragen. Damals wollte man Informationen zum Fall des SPÖ-nahen Anwalts Gabriel Lansky erhalten, so Gridling. An Näheres könne er sich aber nicht mehr erinnern. Was der BVT-Chef hingegen betonte, war, dass er bis 2023 einen Vertrag habe, und versuchen werde, den auch zu erfüllen.

BVT-Vizechef Dominik Fasching
ORF.at/Lukas Krummholz
Am Nachmittag stellte sich auch BVT-Vizechef Dominik Fasching den Fragen im U-Ausschuss

Nach Gridling stellte sich auch dessen Stellvertreter und interimistischer Leiter, Dominik Fasching, den Fragen der Abgeordneten. Er sagte aus, dass vermutlich ein Insider das anonyme Konvolut mit teils haltlosen Vorwürfen gegen BVT-Beamte verfasst habe. Ausstehende hätten die Informationen, die verschriftlicht wurden, nicht wissen können, so Fasching. „Einigen Aspekten“ im Pamphlet, das die WKStA-Ermittlungen angestoßen hat, müsse man sich widmen. Selbst nachrecherchiert, wer der Autor ist, habe Fasching aber nicht. Das sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft.

Fasching: Kein Ausschluss aus „Berner Gruppe“

Fasching hielt auch fest, dass die „Berner Gruppe“ nie vorgehabt hätte, Österreich auszuschließen. Allerdings gab es Befürchtungen im BVT, dass es dazu kommen könnte, sagte der BVT-Vizechef. Details dazu könne auch er nur in einer geheimen Sitzung preisgeben. Fasching trat auch dem Vorwurf entgegen, er hätte den Auftrag erteilt, G.s Büro zu überprüfen. Er habe mit ihr ein Gespräch geführt, darin seien private Sachen besprochen worden, die Fasching im Ausschuss nicht ausführen möchte. Disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen die Leiterin des Extremismusreferats habe es nicht gegeben.

In Gesprächen habe Fasching rausgehört, dass G. sich den Job nach der Hausdurchsuchung und nach der Suspendierung Gridlings nicht mehr antun wolle. Deshalb habe er zu Kardeis (Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit, Anm.) gesagt, dass G. vielleicht die Pension anstrebe. Auf die Frage, warum er nicht bei G. nachgefragt hat, antwortete der Vizechef: „Möglicherweise ist mein Zeitmanagement verbesserungswürdig. Aber ich hatte zu dieser Zeit (März/April, Anm.) keinen Direktor, keinen Abteilungsleiter 4, keinen Stellvertreter und einen Ratsvorsitz aus BVT-Sicht vorzubereiten.“