Arbeiter in einem Lager voller Kartons
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Zwölfstundentag

Polithickhack um Änderungen

Die Auseinandersetzungen in Sachen Arbeitszeitgesetz und Zwölfstundenarbeitstag zwischen der Regierung und der Opposition, allen voran der SPÖ, sind auch am Mittwoch weitergegangen. Während die SPÖ auf Änderungen im Gesetz pocht, gibt es ein Nein von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).

Die SPÖ drängt auf eine Neuverhandlung. Die dokumentierten Einzelfälle, in denen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mehr Überstunden verlangen, seien die „Spitze des Eisbergs“, sagte SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner am Mittwoch vor Journalisten in Wien. „Die Dunkelziffer ist wesentlich höher.“

„Das Gesetz muss grundsätzlich verändert werden“, forderte die SPÖ-Parteichefin. Im Gegensatz zum Gesetzesbeschluss im Juli müssten diesmal für die Novelle des Arbeitszeitgesetzes die Sozialpartner und die Oppositionsparteien eingebunden werden. Das neue Arbeitszeitgesetz macht einen Zwölfstundentag und eine 60-Stunden-Woche leichter möglich. „Die Freiwilligkeit ist eine Farce“, so Rendi-Wagner. Die SPÖ will nun für die kommende Woche eine Sondersitzung des Nationalrats zur Causa Arbeitszeit beantragen.

Grafik zeigt die Aufschlüsselung der Arbeitszeitregelung
APA/ORF.at

AK will jeden Fall publikmachen

„Täglich grüßt der Einzelfall, täglich steigt die Dunkelziffer“, so SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch. Die SPÖ werde jeden arbeitsrechtlichen Fall im Zusammenhang mit dem neuen Arbeitszeitgesetz publikmachen, sagte Muchitsch in Richtung der ÖVP-FPÖ-Regierung. Ein neues Arbeitszeitgesetz dürfe keine Einkommensverluste bringen und müsse die unterschiedlichen Belastungen in den Branchen berücksichtigen.

Liste Pilz sieht „Marketing-Schmäh“

Eine Novelle des Gesetzes ist laut Muchitsch in zwei bis drei Monaten möglich. Im Frühjahr 2017 ist ein Kompromiss zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern zu flexibleren Arbeitszeiten knapp gescheitert. An der sechsten Urlaubswoche werde es diesmal nicht scheitern wie damals im Jahr 2017, sagte der SPÖ-Sozialsprecher.

Die Liste Pilz (LP) kritisierte unterdessen, dass Freiwilligkeit „im Gesetz nichts anderes als ein Marketing-Schmäh“ sei. „In der Realität stehen betroffene Arbeitnehmer ganz konkret der drohenden Arbeitslosigkeit und möglicherweise lang andauernden Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang gegenüber“, so LP-Sozialsprecherin Daniela Holzinger.

Hartinger-Klein sieht keinen Grund

Sozialministerin Hartinger-Klein sieht trotz der bekanntgewordenen Verstöße von Arbeitgebern gegen die Freiwilligkeit des Zwölfstundentages keine Notwendigkeit, die gesetzlichen Regelungen zu verschärfen. Vor dem Ministerrat am Mittwoch kündigte sie einen Erlass an die Arbeitsinspektorate für strenge Prüfungen an.

Arbeitszeitgesetz sorgt für Wirbel

Die SPÖ möchte das Arbeitszeitgesetz nächste Woche im Nationalrat in einer Sondersitzung thematisieren. Laut SPÖ müsste das Gesetz komplett erneuert werden. Sozialministerin Hartinger-Klein sieht das nicht so.

„Schwarze Schafe sind streng zu bestrafen“, sagte die Ministerin, der Strafrahmen sei höchstmöglich auszunützen. Das Gesetz nachbessern müsse man aber nicht. Viele Verfehlungen auf Unternehmerseite ortete sie nicht: Hartinger-Klein sprach von zuletzt 25.000 Überschreitungen, und das bei 300.000 Unternehmen und 3,2 Millionen Arbeitnehmern in Österreich.

Zusätzlich zum Erlass an die Arbeitsinspektorate soll die Arbeiterkammer (AK) in einem Brief aufgefordert werden, entsprechende Verfehlungen von Unternehmen zu melden. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) wiederum soll die Unternehmen beraten und auf die gesetzlich festgelegte Freiwilligkeit für die Arbeitnehmer hinweisen.

Ministerium kennt nur drei Verstöße

Das Kabinett von Hartinger-Klein präzisierte am Mittwoch die Aussagen der Ressortchefin. Die genannte Zahl 25.000 habe sich insgesamt auf Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz im Jahr 2017 bezogen. Seit dem Inkrafttreten per 1. September 2018 kenne man in Sachen Zwölfstundentag nur jene drei Fälle, die in Medien genannt worden seien, so ein Sprecher. Man habe bisher die Hälfte der Arbeitsinspektoren befragt, von diesen sei kein einziger Fall rückgemeldet geworden.

Die Kritik der Hoteliervereinigung (ÖHV) bezüglich mangelnder Rechtssicherheit bei der freiwilligen Mehrarbeit konnte Hartinger-Klein am Mittwoch nicht nachvollziehen: Eine Dienstplanerstellung ist aus ihrer Sicht auch möglich, wenn die Arbeitnehmer jeweils im Einzelfall die Zustimmung zu einer elften und zwölften Arbeitsstunde geben müssen. Die Hoteliers verlangen unterdessen eine präzisere Definition, was mit „Freiwilligkeit“ beim Zwölfstundentag gemeint sei – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Kopf: Merkblätter für Tourismusunternehmen

WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf kündigte am Mittwoch in der Causa Arbeitszeit eine nochmalige Informationsoffensive für Mitgliedsbetriebe an. Merkblätter seien für Tourismusbetriebe bereits verschickt worden. „Die Wirtschaftskammer Österreich bekennt sich zu 100 Prozent zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und zum Arbeitnehmerschutz“, so Kopf in einer Aussendung. Das schließe die Kontrolle der Arbeitszeitgrenzen und insbesondere auch die Freiwilligkeit und das Wahlrecht bezüglich Überstunden ein.

Streit AK vs. ÖHV

Die AK erwartet dennoch weitere Verstöße beim Arbeitszeitgesetz. „Die bisher bekanntgewordenen Fälle, u. a. mit Vertragsschablonen in der Hotellerie, zeigen: Es geht hier nicht nur um einzelne schwarze Schafe unter den Arbeitgebern. Das wird sich ausbreiten“, kommentierte AK-Präsidentin Renate Anderl die Fälle in einer Aussendung.

Die ÖHV weist die „pauschale Kritik“ der AK an der Branche zurück. Zwölfstundendienste seien die Ausnahme, so ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer. „Arbeiterkammer-Präsidentin Anderl soll sich mit dem Lohnbüro auseinandersetzen, das solche Verträge unter die Leute bringt, statt eine ganze Branche pauschal anzupatzen“, so Gratzer Mittwochnachmittag in einer Aussendung. Die ÖHV prüft nun rechtliche Schritte gegen das Lohnbüro. „Was hier geleistet wurde, wirft einen Schatten auf alle Betriebe, die sich sehr um ihre Mitarbeiter bemühen.“

Sprecher: „ÖVP ist für Verschärfung“

Nachdem bekanntgeworden war, dass Arbeitgeber die Freiwilligkeit des Zwölfstundentages ignorieren, hatte sich die Kanzlerpartei ÖVP für eine Nachschärfung ausgesprochen – und dabei am Montag auch eine Gesetzesnovelle nicht mehr ausgeschlossen. „Die ÖVP ist für eine Verschärfung. Ob über gesetzlichen Weg, Erlass, Weisung oder Verordnung, muss noch geklärt werden. Jedenfalls muss es zu einem verschärften Vorgehen durch die Arbeitsinspektorate kommen“, so ein ÖVP-Sprecher schriftlich gegenüber der APA.

Zuvor hatte es Montagvormittag aus dem ÖVP-Parlamentsklub noch geheißen, dass eine Novelle des Arbeitszeitgesetzes kein Thema sei. Und ÖVP-Klubobmann August Wöginger schloss in den „Salzburger Nachrichten“ (Montag-Ausgabe) eine Neuverhandlung aus: „Das Gesetz ist ja erst seit zwei Monaten in Kraft.“