Arbeiter in einer Stahlfabrik
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Metallerverhandlungen

Spaltungsvorwürfe auf beiden Seiten

Nachdem es in der Nacht auf Freitag zu keiner Einigung in den Metaller-KV-Verhandlungen gekommen ist, gibt es ab Montag Warnstreiks in Betrieben der Metalltechnischen Industrie (FMMI). Nun werfen einander Arbeitgeber und Arbeitnehmer Spaltung vor. Der Politologe Peter Filzmaier sieht darin vor allem eine politische Angelegenheit.

Dass die Arbeitgeber im Metaller-KV zumindest für die 1.200 Betriebe der Metalltechnischen Industrie überlegen, eine freiwillige Lohn-/Gehaltserhöhung von 2,7 Prozent umzusetzen, stößt bei der Gewerkschaft auf schwere Kritik. „Es scheint modern zu werden, dass die Arbeitgeber versuchen, die Belegschaft zu spalten“, kritisierte GPA-djp-Chef Karl Dürtscher im APA-Interview am Freitagvormittag.

„Das lassen wir uns nicht gefallen. Es wird versucht, die Arbeitnehmer mit einem Prozentsatz abzuspeisen, der den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht entspricht.“ Dürtscher spielte damit auf ein ähnliches Vorgehen beim Eisenbahner-KV an, das für die Gewerkschaften nicht akzeptabel sei. Man werde zeigen, dass die Beschäftigten hinter dem Vorgehen der Gewerkschaft stünden und es der Gewerkschaft nicht um den Selbstzweck gehe.

„Angebote, die es so nicht gegeben hat“

In der gescheiterten fünften Verhandlungsrunde sind die beiden Verhandlungsseiten einander vorerst etwas näher gekommen. Dann platzten die Gespräche doch. Den schwarzen Peter dafür schieben sich Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter gegenseitig zu.

Die Forderungen

Die Gewerkschaften fordern ein Lohn-/Gehaltsplus von fünf Prozent oder mindestens 100 Euro mehr. Dazu wollen sie umfangreiche Zugeständnisse im Rahmenrecht.

So ließ etwa der Gewerkschafter kein gutes Haar am Vorgehen der Arbeitgeberverhandler bei den KV-Verhandlungen. Am Donnerstag sei es zuerst einen Schritt nach vorne, dann aber zwei, drei Schritte zurückgegangen. Zuerst habe es Zusagen zu rahmenrechtlichen Forderungen der Gewerkschaft gegeben. „Plötzlich hat es geheißen, diese können nicht gehalten werden. Das ist eine absolut unübliche Vorgehensweise, eigentlich eine Frechheit“, sagte Dürtscher.

Es stimme auch nicht, dass die Arbeitgeber mehr als drei Prozent geboten hätten. Dürtscher griff am Freitag auch einmal mehr den Sprecher der Arbeitgeber, Christian Knill, an: Dieser sitze selbst nicht am Verhandlungstisch „und behauptet dann Angebote, die es so nicht gegeben hat“.

Knill wehrt sich gegen Vorwürfe

Knill verwehrte sich Freitagvormittag gegen „Unterstellungen der Gewerkschaft“. „Mir Unwahrheiten vorzuwerfen ist schlechter Stil und inakzeptabel“, hieß es dann von Knill in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA. „Das ist eine aggressive Sprachkultur ,die spaltet, anstatt dass sie zusammenführt.“ Er sagte, dass das Angebot der Arbeitgeber 2,7 Prozent mehr Lohn und Gehalt betragen habe. Dazu seien Verbesserungen im Rahmenrecht gekommen. „Damit kommt man auf ein Angebot, das mehr als drei Prozent wert ist.“

Die Arbeitgeberseite habe auch nicht ein Gesamtpaket umgeworfen, sondern bei einem einzigen Punkt im Rahmenrecht noch Diskussionsbedarf gesehen, so Knill in Richtung Dürtscher. „Das alles klärt man aber am Verhandlungstisch und nicht via Medien.“

„Es wird Gesprächsbasis geben müssen“

Wie sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der verfahrenen Situation nun doch noch zusammenfinden? „Es wird wieder eine Gesprächsbasis geben müssen. Es ist ganz klar, es wird ein Ergebnis geben. Auf Arbeitgeberseite muss aber Vernunft einkehren.“ Leider habe man derzeit aber den Eindruck, dass seitens der Arbeitgeber bisher „kein Abschlusswille vorhanden“ sei. Bisher seien die Arbeitgeber nicht bereit gewesen, die Beschäftigen am Ertrag teilhaben zu lassen. Die wirtschaftliche Lage sei sehr gut. „Die Gewinnmitnahmen der Unternehmenseigentümer sind auch hoch. Die Beschäftigten haben sich einen gerechten Anteil an den Gewinnen verdient“, so Dürtscher.

Grafik zu Metaller-Lohnabschlüssen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria

„Montag beginnen nun einmal die Warnstreiks – vorzugsweise ab Mittag.“ Diese Warnstreiks würden sich dann in die kommende Woche hineinziehen, aber nicht allzu lange dauern. Wo und wann genau, sei noch offen, sagte Dürtscher im Gespräch mit der APA. Dazu werden die zuletzt nur unterbrochenen Betriebsversammlungen wieder aufgenommen.

Die Warnstreiks habe er schon erwartet, so Knill. „Ich glaube, die Streiks waren schon vorgeplant.“ Ein Streiktag – vorerst sind nur einige Stunden geplant – in der Metalltechnischen Industrie koste zwischen 30 und 50 Mio. Euro. „Streiks bringen niemandem etwas – außer Verunsicherung und Kosten. Sie schaden dem Standort.“

Politische Tangente der Streiks

Die Warnstreiks richteten sich allerdings nicht gegen die Bundesregierung, sagte Pro-Ge-Chef Rainer Wimmer (FSG) zum Vorgehen der Gewerkschaft. „Es geht einfach darum, für die Kolleginnen und Kollegen ein ordentliches Ergebnis zu erzielen – wie alle Jahre; und so ist es natürlich auch heuer.“ Man wolle von den Arbeitgebern ernst genommen werden, so Wimmer im Ö1-Morgenjournal.

Grafik zu Streiks in Österreich seit 1945
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ÖGB

Anders sieht das Filzmaier. Denn während es bei den letzten Warnstreiks 2011 um die wirtschaftliche Situation ging, hätten diese nun einen starken politischen Rahmen, so Filzmaier im Ö1-Mittagsjournal. Der Arbeitgeberseite bei den Metallern könne man vorwerfen, von der wirtschaftsliberalen Gesinnung der Regierung zu wissen und den gegebenen Spielraum nutzen zu wollen.

Umgekehrt könne man der Gewerkschaft vorwerfen, in die Oppositionsrolle zu schlüpfen. Hier könnte es auch innerhalb der SPÖ darum gehen zu zeigen, wie wichtig man innerhalb der Sozialdemokratischen Partei sei, mutmaßte Filzmaier. Es gehe auch um die Frage, wie stark die Gewerkschaft die Organisationsarbeit in der SPÖ mit übernehmen solle. Denn sie sei „der stärkste Teil, den die SPÖ überhaupt noch hat“.

Politologe Dr. Peter Filzmaier
ORF.at/Roland Winkler
Filzmaier sieht Indizien, dass es nicht nur um Streitrituale geht

„Elchtest“ für die Sozialpartnerschaft

Schließlich sei die Sozialpartnerschaft nicht mehr so gut eingebunden, wie bei SPÖ-ÖVP-Koalitionen. Die FPÖ stelle zudem die Sozialpartnerschaft grundsätzlich infrage, gab der Politikwissenschaftler zu bedenken. Die großen Streitthemen zwischen der Regierung und der Opposition seien auch in den Metallerverhandlungen zu sehen.

„Es ist ein Elchtest für die Sozialpartnerschaft selbst“, sagte Filzmaier im Ö1-Mittagsjournal. In Österreich stelle sich durch die neue Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ nämlich eine „Grundsatzfrage: Welches Modell der Interessenvertretung wollen wir eigentlich?“ Es gehe darum, ob man ein konsensuales oder ein pluralistisches System mit einem freien Interessenwettbewerb haben wolle.

Filzmaier warnt vor Eskalation

Bis Donnerstag gegen 22.00 Uhr habe er noch „übliche Streitrituale“ gesehen, sagte Filzmaier konkret zu den Metallergesprächen. Durch die gescheiterte Runde sieht er die Sache jetzt etwas anders: „Es häufen sich die Indizien, dass es schon grundsätzlicher ist.“

Der Streit gehe wohl über den unmittelbaren Interessenbereich der beiden direkten Verhandlungspartner hinaus. „Es geht auch um die Grundsatzfrage: Wie verhält sich der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern? Auch im öffentlichen Interesse. Die Eskalationsspirale kann da natürlich noch weitergedreht werden.“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Die Industriellenvereinigung (IV) forderte die Gewerkschaft indes dazu auf, zu „mehr Sachlichkeit zurückzukehren“. Die Tages- und Parteipolitik gehöre aus den KV-Verhandlungen draußen gelassen, appellierte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer via Aussendung.