Der französische Präsident Emmanuel Macron
Reuters/Philippe Wojazer
EU-Wahl

Macron dockt bei den Liberalen an

Die wochenlangen Spekulationen sind vorbei: Die En-Marche-Bewegung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron wird bei der Europawahl 2019 ein Bündnis mit der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) eingehen. Das wurde am Freitag auf dem ALDE-Kongress in Madrid bekanntgegeben.

„Lasst es mich euch in aller Klarheit sagen: ALDE ist der Kern der Koalition, die En Marche bauen will“, sagte En-Marche-Mitbegründerin Astrid Panosyan bei einer Rede vor den knapp 1.000 Delegierten auf dem Parteikongress. Neben einem Partner, der potenziell viele Stimmen bringt, gewinnt die liberale Parteienfamilie mit der Allianz auch Einfluss im Europäischen Rat: Acht Staats- und Regierungschefinnen und -chefs aus der Europäischen Volkspartei (EVP) stehen hier sieben der ALDE gegenüber. Mit Macron würde Gleichstand herrschen.

Seit Macrons Sieg bei der französischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2017 war gerätselt worden, mit wem seine La-Republique-en-Marche-Bewegung bei der Europawahl zusammenarbeiten wird. Im Raum stand auch die Bildung eines losen Bündnisses, bestehend aus mehreren Parteien. Vertraute Macrons hatten in den vergangenen Wochen Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der EVP, der Sozialdemokratie (SPE) und den Grünen geführt.

Weitere Parteien mit an Bord

NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger, deren Partei Teil der ALDE ist, zeigte sich auf auf dem Kurznachrichtendienst Twitter erfreut über das Bündnis, das auch nach der EU-Wahl bestehen bleiben soll: „Wir müssen Kräfte bündeln, um mit den Europäischen Liberalen als Herz eine neue Bewegung für Europa zu formen, die den immer stärker werdenden Nationalisten die Stirn bietet“, schrieb Meinl-Reisinger.

Auf dem Kongress in Madrid wurden unterdessen noch drei weitere Parteien in die liberale Familie aufgenommen. Es handelt sich bei den Neumitgliedern um Momentum aus Ungarn, die Progressive Slowakei (Progresivne Slovensko) sowie die Liste Marjan Sarec (LMS) des gleichnamigen slowenischen Ministerpräsidenten.

Kein Spitzenkandidat, sondern ein Team

Zudem wurde eine Entscheidung getroffen, die sich im Rennen um die EU-Topjobs nach der Wahl 2019 als entscheidend erweisen könnte: Anders als etwa EVP und Sozialdemokraten werden die Liberalen nicht mit einem einzelnen Spitzenkandidaten, sondern einem Team in den Wahlkampf ziehen.

Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager
APA/AFP/Francisco Leong
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager: Die Liberalen rücken vom Spitzenkandidatensystem ab

„Wir haben uns entschieden, nicht einen einzelnen Mann eines gewissen Alters zu nominieren“, sagte ALDE-Präsident Hans van Baalen in Madrid. „Wir werden eine Kampagne über Ideen führen, nicht über die Posten für uns.“ Das gibt den Liberalen die Möglichkeit, ihre hochrangigen weiblichen Parteimitglieder ins Rampenlicht zu stellen, etwa EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und EU-Justizkommissarin Vera Jourova. Über die genaue Zusammensetzung des Teams wird bei einem Kongress in Berlin kommenden Februar entschieden.

Macron lehnt Spitzenkandidatensystem ab

Das Spitzenkandidatensystem basiert auf Bestimmungen des 2009 in Kraft getretenen EU-Vertrags von Lissabon. Darin ist festgelegt, dass der Europäische Rat mit qualifizierter Mehrheit – 55 Prozent der Mitgliedsländer, die zusammen auf 65 Prozent der EU-Bevölkerung kommen – den Kommissionspräsidenten vorschlagen darf. Dabei muss er das Ergebnis der EU-Wahl berücksichtigen. Das letzte Wort hat das EU-Parlament.

In die Praxis umgesetzt wurde das System erstmals bei der EU-Wahl 2014. Jede Fraktion stellte einen Spitzenkandidaten bzw. eine Spitzenkandidatin auf. Stimmenstärkste Kraft wurde damals die EVP, ihr Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker wurde vom EU-Parlament zum Kommissionschef gewählt. Macron hatte diese Art der Entscheidungsfindung stets abgelehnt. Im September nannte einer seiner wichtigsten Berater das Spitzenkandidatensystem eine „demokratische Anomalie“.

Die Liberalen hatten den Prozess anfangs befürwortet. Ebenfalls im September änderten sie ihre Linie, was als Zugeständnis an Macrons Bewegung gewertet wurde. Der ALDE-Fraktionschef im Europaparlament, Guy Verhofstadt, erklärte in einem Interview, das System mache nur Sinn, wenn europaweite Listen mit Kandidatinnen und Kandidaten eingeführt werden. Ein entsprechender Vorstoß wurde heuer vom EU-Parlament abgelehnt.