Bundespräsident Alexander van der Bellen
AP/Ronald Zak
„Gibt Dissens“

Mehrfache Kritik an ÖVP-FPÖ-Regierung

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat in mehreren Zeitungsinterviews Kritik an der ÖVP-FPÖ-Regierung geübt. Darunter auch an einem der zentralen umgesetzten Projekte bisher, dem Zwölfstundentag. Aber auch ein Lob gab es.

Im Interview mit dem „Standard“ (Wochenendausgabe) machte das Staatsoberhaupt einmal mehr klar, dass er im Umgang der Regierung mit Aslywerberinnen und Asylwerbern eine andere Position vertritt. Die Behörden würden über das Ziel schießen. Van der Bellen tritt dafür ein, öfter das humanitäre Bleiberecht zu gewähren, das unter dem derzeitigen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nur sehr restriktiv gehandhabt werde. Mit Kickl habe er in diesem Punkt „nicht ganz übereinstimmende Ansichten, um es einmal milde auszudrücken“, sagte der Bundespräsident dem „Standard“.

Van der Bellen unterstützt das Anliegen des Vorarlberger Landeshauptmannes Markus Wallner (ÖVP), der ein Mitspracherecht der Länder bei der Gewährung des Bleiberechts fordert. Die Behörden an Ort und Stelle seien besser über die aktuelle Sachlage informiert als das Innenministerium. Eine Gesprächsbasis mit Kickl gebe es, betonte Van der Bellen, und fasste diese so zusammen: „We agree to disagree“ („Wie sind uns einig, dass wir nicht einer Meinung sind“, Anm.).

„Dissens zwischen Regierung und mir“

Auch beim Ausstieg der Regierung aus dem UNO-Migrationspakt wiederholte Van der Bellen seine Kritik. Hier gebe es einen „Dissens zwischen der Regierung und mir“. Man müsse das in einem „übergeordneten Rahmen“ betrachten: Österreich sei ein kleines Land, aber habe ein Kapital als verlässlicher Dialogpartner. Das gelte es, zu erhalten und auszubauen.

Zu wenig Sorgfalt bei Arbeitszeitgesetz

Bei der Arbeitszeitflexibilisierung hätte er der Regierung zu mehr Sorgfalt geraten, vor allem in der Frage der Freiwilligkeit. „Das kommt eben davon, wenn man sich nicht genügend Zeit lässt und zu wenig in die Gesprächsbereitschaft investiert. Das fällt einem später auf den Kopf. Hätte man länger darüber geredet, hätte man sich viel Ärger bei den Betroffenen erspart“, sagte Van der Bellen in der Tageszeitung „Österreich“ (Samstag-Ausgabe).

Klar gegen Deutschpflicht

Van der Bellen spricht sich auch offen gegen Pläne aus, ausschließlich den Gebrauch der deutschen Sprache in den Schulen zuzulassen, das sei ja gar nicht exekutierbar: „Soll jetzt hinter jedem Schüler eine Lehrerin stehen, die das kontrolliert? Natürlich ist es wichtig, dass alle Schüler im eigenen Interesse gut Deutsch lernen, aber man darf auch seine eigene Muttersprache pflegen dürfen, und wenn zwei Schüler die gleiche Sprache sprechen, müssen sie das dürfen.“

Würden diese Pläne umgesetzt, würde sie Van der Bellen verfassungsrechtlich genau prüfen lassen. In diesem Zusammenhang regt der Bundespräsident eine Gesetzesänderung an: „Ich würde ja gerne initiieren, dass es in Österreich möglich wird, dass der Verfassungsgerichtshof gefragt werden darf, bevor eine Sache Gesetz wird. Derzeit kann er ja erst danach darüber entscheiden. Es würde die Arbeit des Bundespräsidenten erleichtern, wenn er davon unterrichtet werden kann, dass ein Gesetz verfassungswidrig ist, bevor er es unterschreibt.“

Lob für Schoah-Mahnmal

Lob gibt es für die ÖVP-FPÖ-Regierung dagegen für den Umgang mit der Vergangenheit – konkret die jüngste Entscheidung im Ministerrat für die Errichtung der Erinnerungsmauer für die Opfer der Schoah sowie das Angebot der Doppelstaatsbürgerschaft für Nachfahren jener Menschen, die vor den Nazis flüchten mussten. Diese Initiativen begrüße er, so Van der Bellen.