Bundespräsident Alexander Van der Bellen
ORF/Roman Zach-Kiesling
Kritik an Regierung

„Kein Hehl daraus gemacht“

Dass er mit der Bundesregierung nicht in allen Punkten übereinstimmt, hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen zuletzt in mehreren Interviews deutlich gemacht. Auch gegenüber Ö1 bestätigte er nun seine kritische Sicht auf manche Schritte der Regierung. Zugleich plädierte das Staatsoberhaupt für weniger Aufgeregtheit – etwa in der aktuellen Spionageaffäre mit Russland.

„Ich habe kein Hehl daraus gemacht, dass ich den einen oder anderen Punkt kritisch sehe“, sagte Van der Bellen am Samstag in der Ö1-Interviewreihe „Im Journal zu Gast“. Dazu gehört etwa die Indexierung der Familienbeihilfe, also die Anpassung der Leistung an die Erhaltungskosten in jenem Land, in dem das Kind von in Österreich beschäftigten Menschen lebt. „Ich befürchte, dass die Indexierung der Familienbeihilfe dem Unionsrecht widerspricht“, sagte Van der Bellen. Voraussehen könne er das zwar nicht, aber „das wird dann allenfalls in einem Vetragsverletzungsverfahren zu klären sein“, so der Präsident – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Wenig Freude hatte Van der Bellen bekanntermaßen auch mit dem Ausstieg Österreichs aus dem UNO-Migrationspakt. Gegenüber Ö1 wies der Bundespräsident noch einmal darauf hin, dass er sich vor allem an der Art und Weise des Ausstiegs gestört habe. „Inhaltlich kann man viel kritisieren. Ich nehme diese Argumente auch ernst.“ Aber dass die Regierung nun „erst nach einem rund zweijährigen Verhandlungsprozess“ damit den Ausstieg begründe, sei „für das Ansehen der österreichischen Diplomatie nicht sehr hilfreich“.

„Wollen die Sache nicht aufbauschen“

Die ÖVP-FPÖ-Koalition, konkret FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl, führte freilich ins Feld, dass der Migrationspakt mit einer Reihe von Punkten im Regierungsprogramm nicht vereinbar sein. Der Frage, ob sich seine Kritik denn nun nicht auch gegen das Regierungsprogramm richte, wollte Van der Bellen nicht direkt beantworten: „Wir wollen die Sache nicht aufbauschen“, so der Bundespräsident. Ebenfalls nicht kommentieren wollte Van der Bellen die Frage, ob vor allem die FPÖ den Ausstieg aus dem Migrationspakt vorangetrieben habe.

Um den UNO-Standort Wien fürchte er jedenfalls nicht. „Die Geschichte ist, glaube ich, erledigt und wird keine größeren Auswirkungen haben“. Ihm sei es nur wichtig gewesen, auf das Ansehen Österreichs als „sogenannter Brückenbauer“ hinzuweisen. Das sei auch wirtschaftspolitisch von größtem Interesse. Österreichs Ruf sei viel größer und besser, als er oft im Inland wahrgenommen werde.

Unterstützung für Wallner beim Bleiberecht

Dissonanzen zwischen der Regierungslinie und Van der Bellens Einschätzung tun sich auch beim humanitären Bleiberecht auf. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und sein Kärntner Kollege Peter Kaiser (SPÖ) machten sich zuletzt dafür stark, Länder und Gemeinden bei den Entscheidungen dazu einzubeziehen. Anders als die Regierung, die eine Änderung als unnötig bezeichnet, unterstützt der Bundespräsident das Ansinnen.

„In aller Regel handelt es sich um Familien, wo beurteilt werden muss: gehen die Kinder in die Schule, ist der Vater in irgendeiner Art von Ausbildung, wird Deutsch gelernt, was alles zu einer erfolgreichen Integration in Österreich gehört.“ Am besten beurteilt werden könne das eben in dem Dorf oder in der Stadt, wo die entsprechende Familie wohne, sagte Van der Bellen. Das sei auch ein „starkes Argument von Landeshauptmann Wallner“.

VfGH-Meinung im Vorfeld wünschenswert

Keinen direkten Widerspruch, aber zumindest mahnende Worte äußerte Van der Bellen hinsichtlich der Neuregelung der Mindestsicherung. „Wenn man im Vorhinein weiß, dass der Verfassungsgerichtshof vermutlich Gelegenheit haben wird, eine Sache inhaltlich zu entscheiden“, setzte Van der Bellen an, ohne den Satz fertig zu sprechen. Man müsse jedenfalls „mit großer Sorgfalt vorgehen, dass niemand der in Not ist, ganz alleingelassen wird. Und ich vertraue darauf, dass die Bundesregierung das so sieht wie ich“, so das Staatsoberhaupt.

Bezüglich des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) würde sich Van der Bellen überhaupt wünschen, dass er diesen in manchen Fällen im Vorfeld fragen könnte. „Manchmal hätte man gerne gewusst, wie der VfGH entscheiden würde, wenn es denn so weit kommt“, sagte er. Zurzeit würde er wohl im Zweifel ein Gesetz „unterschreiben müssen und darauf vertrauen, dass der Verfassungsgerichtshof dass dann später entscheiden wird“, sagte Van der Bellen.

Spionageaffäre noch nicht „dramatisieren“

Kein Problem mit dem Abwarten hat der Bundespräsident hingegen im Fall des mutmaßlichen russischen Spionagefalls, der unlängst bekanntgeworden ist. „Die ganze Affäre muss jetzt einmal untersucht werden. Mal sehen, ob das mehr ist als eine sogenannte Raubersgschicht, und dann werden entsprechend Konsequenzen zu treffen sein.“ Es sei zu untersuchen, zu welchen Informationen der Offizier Zugang hatte, so Van der Bellen. „Momentan sehe ich noch keinen Anlass, das zu dramatisieren.“

Van der Bellen reiste am Samstag zu den Feiern zum Ende des Ersten Weltkriegs nach Paris. Dort zu Gast ist auch der russische Präsident Wladimir Putin. Ansprechen werde er Putin auf die Vorwürfe aber nicht, so der Bundespräsident. „Es werden ja mehrere Dutzend Staatsoberhäupter, Präsidenten und so weiter in Paris anwesend sein“, sagte Van der Bellen. Ein bilaterales Gespräch zwischen ihm und Putin sei nicht geplant.