„Balcony Project“: Künstler riefen Europäische Republik aus

Vor genau hundert Jahren haben sich in Wien Hunderttausende zur Ausrufung der Republik versammelt. Auch viele weitere Republiken entstanden nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Europa. Daran wollte gestern die Kunstaktion „European Balcony Project“ anknüpfen und ließ von rund 150 Balkonen in 24 Ländern die Europäische Republik ausrufen.

Dem Aufruf des Autors Robert Menasse und der Politikwissenschafterin Ulrike Guerot waren Künstlerinnen und Künstler auf dem ganzen Kontinent gefolgt. Die zentrale Forderung ist dabei, für alle Bürgerinnen und Bürger der EU gleiche Rechte zu ermöglichen. Notwendig sei dafür die Auflösung der Nationen, so die Initiative. „Das ist kein Aktionismus, sondern es ist eine künstlerische Intervention, mit dem Ziel, eine Diskussion anzustoßen, die höchst notwendig ist“, so Menasse.

In Wien machten mehrere Institutionen mit, zentral war aber das Burgtheater: Hier verlas Schauspieler Peter Simonischek auf dem Josef-Meinrad-Platz das Manifest des „European Balcony Project“, eingeleitet von der Europahymne, die mit einer E-Gitarre und von einem Bläserensemble interpretiert wurde.

„Universales Erbe der Menschenrechte“

„Wir erklären alle, die sich in diesem Augenblick in Europa befinden, zu Bürgerinnen und Bürgern der europäischen Republik. Wir nehmen unsere Verantwortung für das universale Erbe der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an und geloben, sie endlich zu verwirklichen“, so Simonischek unter den Augen von rund 250 Zuschauern und Zuschauerinnen. An die Stelle der Souveränität der Staaten soll laut Manifest die Souveränität der Bürger treten. Es gehe um den Grundsatz der allgemeinen politischen Gleichheit jenseits von Nationalität und Herkunft.

Peter Simonischek im Rahmen einer Vorlesung anlässlich der Veranstaltung „European Balcony Project“ am Direktions-Balkon des Burgtheaters in Wien
APA/Herbert Pfarrhofer

Mit einem Flugzettelregen erfolgte die Ausrufung der Europäischen Republik am Wiener Volkstheater, wo Jan Thümer den von Menasse und Guerot verfassten Text per Megafon vor rund 50 Menschen verlas. Am Schauspielhaus Graz beteiligte man sich mit einem Kurzfilm. „Setzen wir ein Zeichen für ein gemeinsames, vereintes Europa. Dem grassierenden Mangel an Solidarität und menschlicher Empathie in unserer Gesellschaft müssen wir gemeinsam ein friedliches, entschlossenes ‚Wir‘ entgegensetzen“, forderte Intendantin Iris Laufenberg in einer Aussendung. Auch das Werk X, die Kunsthalle Wien, das Landestheater Niederösterreich und zahlreiche weitere Kulturinstitutionen oder Privatpersonen beteiligten sich in Österreich an der Aktion, die europaweite Unterstützung fand. An der Aktion nahmen auch das Nationaltheater Gent (NTGent) und das Royal Conservatoire of Scotland sowie die Stadsschouwburg Amsterdam teil.