Bundeskanzler Sebastian Kurz , Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidauer
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100 Jahre Republik

‚Das Gemeinsame vor das Trennende stellen‘

Auf den Tag genau 100 Jahre nach der Ausrufung der „Republik Deutschösterreich“ vor dem Parlament haben die Spitzen der Republik am Montag einen Staatsakt in der Wiener Staatsoper begangen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen machte mit seiner Ansprache den Auftakt. Er erinnerte an den „holprigen“ Start der Ersten Republik und den Erfolg des Neubeginns Österreichs nach 1945: „Das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen.“

Zwar sei die Einführung des Frauenwahlrechts eine große Errungenschaft dieser Republik gewesen. Doch der Anfang der Ersten Republik sei vom Ende des Ersten Weltkriegs, von Hunger und Arbeitslosigkeit geprägt gewesen, sagte Van der Bellen: „Der Hoffnung, dass die Republik diese Herausforderung bewältigt, stand viel Skepsis gegenüber.“

Ängste und Feindseligkeit hätten den Alltag geprägt. Van der Bellen: „Prompt ging es schief.“ Engelbert Dollfuß habe die Demokratie ausgeschaltet und einen autoritären Ständestaat errichtet. 1938 marschierte Adolf Hitler in Österreich ein. Van der Bellen: „Österreich wurde ausgelöscht. Es begann ein neuer Weltkrieg, die Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten kam in Gang.“

„Gibt keine Abkürzungen“

Auch die Errichtung der neuen Republik sei ein „mühsamer Neubeginn“ gewesen. Es habe aber einen Unterschied gegeben, sagte der Bundespräsident: „Wir stellten jetzt das Gemeinsame vor das Trennende. Gemeinsam gründeten sie die Zweite Republik, gemeinsam verhandelten sie den Staatsvertrag, die immerwährende Neutralität und die Integration Österreichs in die EU.“ Das Talent, Gemeinsamkeit herzustellen, mache im Herzen das Österreichische aus: „Die Welt ist nicht schwarz-weiß, besteht nicht aus unversöhnlichen Positionen. Die Lösungen liegen fast immer in der Mitte.“

Van der Bellen zum Republiksjubiläum

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erinnerte in seiner Festrede zum Staatsakt anlässlich der Gründung der Republik an die Geschichte des Landes.

Demokratie bedeute Diskussion, sich auf andere einzulassen, zuzuhören: „Das kostet Zeit“, so Van der Bellen. Manche würden sich wünschen, dass es einfacher und schneller gehe: „Das ist ein Trugschluss. Es gibt keine Abkürzungen. Der Weg zur gemeinsamen Lösung mag steinig sein. Aber es lohnt sich.“ Das gemeinsame Tun habe Österreich in den vergangenen Jahrzehnten zum Aufschwung verholfen. Van der Bellen: „Die liberale Demokratie ist mehr als die Herrschaft der Mehrheit. Sie verlangt nach einer Vielfalt der Stimmen. Unveräußerliche Minderheitenrechte sind wesentlich.“

„Demokratische Miteinander in Defensive“

Dazu brauche es freie und unabhängige Medien. Heute kämen noch die neuen Medien dazu: „Sie erlauben es mehr Menschen als je zuvor, ihre Meinung kundzutun. Die Schattenseite: Der Rückzug in die Echokammern und Blasen von Social Media, wo nur die eigene Meinung bestätigt wird, kann zu Gesprächsverweigerung und Intoleranz führen.“ Das sei keine Lösung.

Publikum beim Staatsakt zu „100 Jahre Republik Österreich“
ORF
Mit einem Staatsakt wurde am Montag der Gründung der Ersten Republik vor 100 Jahren gedacht

Jeder sei verantwortlich für die Gestaltung unserer Gesellschaft: „Dieses demokratische Miteinander gerät hin und wieder in Defensive. Feindbilder werden aufgebaut“, warnte der Bundespräsident. Zuschreibungen mündeten fast immer in die Aushöhlung von Freiheitsrechten und soziale Diskriminierung. Jeder könne in Situationen kommen, in denen man auf Hilfe und Solidarität angewiesen sei. „Verhalten wir uns so, wie wir es uns selbst wünschen würden“, appellierte Van der Bellen. „Die Suche nach dem Gemeinsamen hat Österreich erfolgreich gemacht. Erneuern wir diese Gemeinsamkeit, dieses spezifisch Österreichische. Dann muss uns vor der Zukunft nicht bange sein.“

Kurz: „Einer der größten Wendepunkte“

Bundeskanzler Sebastain Kurz (ÖVP) bezeichnete zu Beginn seiner Rede den 12. November als „einen der größten Wendepunkte in der Geschichte“ Österreichs. Mit der Gründung der Republik habe nach Jahrhunderten der Monarchie das Volk bestimmen können. Mit dem 12. November sei Österreich als Nation geboren worden – wenngleich es „alles andere als ein Wunschkind“ gewesen sein.

Festrede von Bundeskanzler Kurz

Der 12. November 1918 war ein Wendepunkt für Österreichs Geschichte, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in seiner Festrede. Er erinnerte außerdem an die Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus.

Kurz zeichnete den Weg der Ersten Republik als Geschichte der Krisen nach: Auf die Auseinandersetzungen im Parlament, folgten die Auseinandersetzungen auf der Straße. „Die Gewalt der Worte führte zu Gewalt der Taten“, so der Kanzler. In den 30er Jahren sei es zum Untergang der Demokratie gekommen, dann zu Gewalt, Krieg und schließlich zu den unvorstellbaren Verbrechen der Schoa.

Erst mit der neuerlichen Unabhängigkeit Österreichs habe das Land den Erfolgsweg beschreiten – und ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln, „das uns heute nicht nur sagen lässt: vielgerühmtes Österreich oder vielgeprüftes Österreich. Sondern das uns von ganzem Herzen sagen lässt: vielgeliebtes Österreich.“

Applaus für Holocaust-Überlebende

Jede Generation müsse sich aufs Neue Friede, Freiheit und Wohlstand erkämpfen, sagte Kurz. Wie vor ihm Van der Bellen verwies der Kanzler darauf, dass „all das nur gemeinsam funktionieren“ könne. Das heiße nicht, dass jeder die Meinung haben müsste, aber „dass jeder das Recht hat, seine Meinung zu haben“.

Bundeskanzler Sebastian Kurz
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Für Kurz war die Geschichte der Ersten Republik eine von Krisen

Kurz gestand ein, dass sich Österreich „viel zu lange“ schwergetan habe „mit den dunkelsten Seiten unserer Geschichte“. Bei seinen Reisen nach Israel habe er jedes Mal auch mit aus Österreich vertriebenen Menschen geredet. Viele hätten ihm gesagt, dass ihr größter Herzenswunsch sei, nach Österreich zurückzukehren. „Ich freue mich sehr, dass wir einigen diesen Herzenswunsch erfüllen konnten“, sagte der Kanzler und begrüßte Holocaust-Überlebende, die für den Staatsakt nach Wien gekommen waren. „Auch Sie haben uns einen Herzenswunsch erfüllt – indem Sie heute hier sind, uns die Ehre erweisen und mit uns feiern“, so Kurz unter Applaus des Publikums.

Strache fordert Verantwortung

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) kam im Anschluss auf die „unglaublichen Höhen und Tiefen“ in der Geschichte der Republik Österreich zu sprechen. Er erinnerte daran, dass viele in der Republik umgesetzten Forderungen bereits während der Revolution von 1848 laut geworden waren. Der Ersten Republik sei aber leider „kein langes Leben beschieden“ gewesen. 1938 habe Österreichs Unabhängigkeit mit dem Einmarsch der Wehrmacht geendet – „leider unter allzu gerne verdrängtem Jubel vieler unserer Landsleute“, so Strache.

Festrede von Vizekanzler Strache

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) erinnerte in seiner Rede sowohl an die Erste als auch an die Zweite Republik.

Das „ideologische Konstrukt des Nationalsozialismus“ habe einen entsetzlichen Leidensweg ausgelöst. Strache sprach von einer „maschinellen Tötungsmaschine“ und erinnerte an die Verantwortung, welche die Nachfolgenden Generationen tragen würden. Zugleich kam er auf die Aufbauarbeiten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu sprechen. „Unsere Großeltern und Urgroßeltern haben zu dieser Stunde null ihre Ärmel aufgekrempelt“, so der Vizekanzler.

Einmal mehr Ruf nach Zusammenhalt

„Freiheit und Selbstbestimmung unseres Landes sind ein hohes Gut“, sagte Strache. Wie seine Vorredner sprach er sich für den Zusammenhalt aus: „Wenn wir die Lehren aus der wechselvollen Geschichte unseres Landes ziehen, dann muss es klar sein, dass wir das Verbindende über das Trennende stellen.“ Es gehe darum, den anderen zu respektieren und zu achten. „Das heißt nicht, seine Meinung zu teilen, dass man ihm aber seine Meinung zugesteht.“ Strache schloss mit einem Gedicht des 1863 in Wien verstorbenen Dramatikers Friedrich Hebbel. „Dies Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält“, lauten dessen erste Zeilen.

Niessl über die Bedeutung der Länder

Als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ging der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) auf den Beitrag und die Bedeutung der Länder für die Gründung der Republik und die Entwicklung Österreichs ein. Schon mit der Konstituierung der Provisorischen Nationalversammlung am 21. Oktober 1918 durch die Vertreter der Wiener Länder im Palais in der Herrengasse – noch während der letzten Kämpfe des Ersten Weltkriegs und vor der Abdankung des letzten Kaisers der österreichisch-ungarischen Monarchie – sei ein wesentliches Fundament für die Gründung der Republik geschaffen worden.

Niessl: „Das bundesstaatliche Prinzip hat Österreich in seiner Entwicklung positiv geprägt.“ Die Länder hätten von Anfang an das Miteinander zu einem Postulat ihres Wirkens erhoben. Das gelte bis heute. Das Miteinander der Länder sei auch für die Zukunft Österreichs von ganz großer Bedeutung.

Niessl spricht über Rolle der Länder

Hans Niessl (SPÖ) als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz hielt seine Rede über den Beitrag und die Bedeutung der Bundesländer für die Gründung der Republik.

Es gebe bei den Ländern ein „klares Bekenntnis zu den Grundprinzipien unserer Republik, zur föderalen Zusammenarbeit und zu einem Europa starker Regionen“. Dieses Europa habe sich zu einem Garanten für Frieden entwickelt. „1938 wurde Österreich Teil einer verbrecherischen und menschenverachtenden Diktatur“, so Niessl und lud zum Gedenken an alle Opfer der NS-Zeit ein. „Ehren wir die Opfer durch unseren energischen Einsatz für Demokratie, Toleranz, Menschlichkeit und ein friedliches Zusammenleben in der Gegenwart und in der Zukunft.“

„Modell des sozialen Friedens“

Auch an der Wiedererrichtung der demokratischen Republik Österreich 1945 hatten die Länder einen wesentlichen Anteil, so Niessl. Einstige verfeindete Lager hätten zueinandergefunden. Österreich sei zu einem „Modell des sozialen Friedens geworden, das auch international Anerkennung und Bewunderung gefunden hat“, so Niessl. Wirtschaftlich, kulturell, wissenschaftlich und in vielen anderen Bereichen sei ein Aufstieg gelungen. Dieser Aufstieg sei eine gemeinsame Leistung der Österreicher und Österreicherinnen.

Niessl: „Wir müssen uns unsere Stärken bewahren. Dazu zählt auch der Zusammenhalt und das Miteinander.“ Zusammenarbeit und Föderalismus hätten sich bewährt. „Föderalismus bedeutet Bürgernähe, mehr Partizipation und mehr Teilhabe am politischen Leben in unserem Land“, sagte der burgenländische Landeshauptmann. Für die Zukunft sei wichtig, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren, die Fähigkeit zum Dialog, den Willen zum Miteinander, Solidarität, Menschlichkeit, aber vor allem Zusammenhalt.

Erste Republik brachte „Wende“

Als „Freudentag“ bezeichnete Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) den 12. November 1918: „Die Vision, der Mut, die Kraft und die Entschlussfreudigkeit, die Republik aus der Taufe zu heben, sollte uns zur Freude Anlass geben.“ In den Tagen des Oktobers bis zum 12. November sei klar eine Wende signalisiert worden: „Die Demokratie hat sich Bahn gebrochen. Die Gesellschaft hat sich verändert.“

Der 12. November vor 100 Jahren markiere den Beginn der Selbstfindung einer eigenständigen Nation, „mit vielen Brüchen, Rückschlägen und Umbrüchen, mit viel Leid. (…) Aber mit noch mehr Erfolgen, freudvollen Erfahrungen und positiven Alltagserlebnissen.“ Dieser Tag sei Abschluss und Anfang zugleich gewesen. „Die Leute erwarteten etwas Besonderes“, so Sobotka.

„Feinde der Demokratie gescheitert“

Er skizzierte die genauen Abläufe dieses Tages bis zur Ausrufung der Republik und den Tumult, der dabei entstand. „Auch wenn die Republik nicht 100 Jahre durchhielt, gescheitert sind die Feinde der Demokratie, wie es auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Rede ansprach. Jene, die die Parlamente ausgeschaltet haben, (…) die sie als Quatschbude bezichtigten, die die Verbrechen des Nationalsozialismus und des Holocausts zu verantworten hatten.“

Nationalratspräsident Sobotka über die Ereignisse des 12. November 1918

Wolfgang Sobotka (ÖVP), Präsident des Nationalrats, bezeichnete den 12. November vor 100 Jahren als „Freudentag“ – auch wenn die Republik nicht 100 Jahre durchgehalten habe.

Sobotka sagte, er habe keine Sorge um die Kraft der Demokratie: „Es braucht trotzdem eine klare Haltung gegen Rassismus. Es darf keinen Generalverdacht gegen religiöse Gemeinschaften geben. Es darf keine Tolerierung von Parallelgesellschaften geben, die unsere staatlichen Werte und Grundordnungen ablehnen. Es braucht eine Politik der Nulltoleranz gegenüber Antisemitismus und Antizionismus. Es geht uns alle an. Es ist die Verantwortung unserer Geschichte.“

„Wie wird kollektive Geschichte sichtbar?“

Auf Deutsch und Slowenisch begrüßte die Schriftstellerin Maja Haderlap die Festgäste – ließ allerdings FPÖ-Chef Strache aus. Ihre Rede eröffnete die Kärntner Slowenin dann mit einem Zitat Ingeborg Bachmanns: „Dem Orkan voraus fliegt die Sonne nach Westen, zweitausend Jahre sind um, und uns wird nichts bleiben.“ „Wie wird kollektive Geschichte sichtbar, anschaulich?“, fragte die Literatin. Durch Familienerinnerungen, lautete ihre Antwort. Durch sie ziehe „vornehmlich und sichtbar“ „der lange Atem der Geschichte“.

Auf das Bild der Familie kam Haderlap auch in ihren weiteren Ausführungen zu sprechen. Die Demokratie sei das „Antimodell zur autoritären Familie, an deren Spitze meist ein Patriarch waltet“, so die Bachmannpreisträgerin. In der Ersten Republik habe sich die junge Demokratie „gegen ein Schattenreich aus Ängsten und totalitären Tendenzen behaupten“ müssen. So wies Haderlap darauf hin, dass die Erste Republik versucht habe, „alle vielsprachigen Bezüge zu den ehemaligen Kronländern zu unterbinden“. Man könne sagen, dass die „meisten Österreicher nichts lieber wollten, als Deutsche zu werden“. Rasch sei die österreichische Demokratie in die Autokratie und schließlich in die Diktatur getaumelt.

Vertrauen auf „Nie wieder“

Zwar sage man, dass Österreich zwischen 1938 und 1945 von der Landkarte verschwunden sei. „Aber die Österreicher sind auf alles Seiten der Kriegsfront dabei gewesen. Auch beim apokalyptischen Morden an der Ostfront“, erinnerte die Literatin. Zugleich seien es nur Einzelne gewesen, die in der Nazi-Zeit für Österreich gekämpft hätten. „Der Widerstand war in den meisten Fällen individuell“, sagte Haderlap. Sie erinnerte auch an die vielen Künstlerinnen und Künstler, die vom NS-Regime ermordet oder vertrieben wurden.

Haderlaps Festrede anlässlich 100 Jahre Republik

Die Schriftstellerin Maja Haderlap warnte in ihrer Rede unter anderem vor der Ökonomisierung des Menschen.

Nach der „großen Katastrophe“ des Zweiten Weltkriegs sei die tiefe Erschütterungen aller Überlebenden in dem Satz „Nie wieder“ zusammengefasst worden. Dem müssten wir vertrauen, denn „wenn wir das nicht tun, sind wir verurteilt, politische Fehler zu wiederholen“. Die aktuellen Herausforderungen verlangen laut Haderlap nach internationaler und politischer Zusammenarbeit. Auch wenn nationalistische Parteien meinten, „den verunsicherten Bürgerinnen und Bürgern als Ersatz für den zerrütteten Gemeinsinn die nationale Zugehörigkeit als Domizil anbieten zu können. Die Krise reicht tiefer.“

„Instinkt für Demokratie“ als Geburtstagswunsch

Die Krise sei „weniger fassbar, aber doch fundamentaler als zu Beginn des 20. Jahrhunderts“, so die Literatin. Sie warnte davor, dass „unsere Leben und Körper bis zur letzten Faser ökonomisiert werden“. Würden wird das zulassen, „haben wir die Vorstellung von uns als ethisch handelnden sozialen Individuen endgültig aufgegeben. Das ethisch handelnde Individuum aber ist der Kern, der Angelpunkt jeder Demokratie“, so Haderlap. Die Demokratie sei die einzige Herrschaftsform, die andere und Minderheiten einbezieht. Als einzige Herrschaftsform sei sie in der Lage, auch Menschen aus anderen Ländern und Traditionen einzubinden.

„Nur eine Bindung an das Land uns seine demokratischen Werte könnte die vielfältigen Parallelgesellschaften aufbrechen und allen Beteiligten helfen, Konflikte auszutragen und auszuhalten.“ Im Hinblick auf flüchtende Menschen in die Zerstörung der Umwelt „werden die Fragen der Zukunft ethischer und ökologischer Natur sein. Wir werden zu den Grundfragen ethischen Handelns zurückkehren müssen und das Unerhörte, den Menschen und seine Würde ins Zentrum rücken“, mahnte Haderlap. „Demokratie muss so sicher führen wie Instinkt“, zitierte die Literatin zum Abschluss den Maler Oskar Kokoschka. „Diesen Instinkt für Demokratie im geeinten Europa wünsche ich uns und der immer noch jungen Republik Österreich zum Geburtstag.“

Erinnerung an Ereignisse vor 100 Jahren

Am Montag vor 100 Jahren wurde vor dem Parlament in Wien die „Republik Deutschösterreich" ausgerufen. Einen Tag zuvor hatte Kaiser Karl I. „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ verzichtet. Der Sozialdemokrat Karl Renner stand als Staatskanzler einer Großen Koalition vor. Die Koalition aus Sozialdemokraten und Christlichsozialen bestätigte auch die erste Wahl der Republik am 16. Februar 1919 – erstmals durften auch Frauen ihre Stimme abgeben.

Wie der gewählte Staatsname deutlich machte, war der Zusammenschluss mit Deutschland erklärtes Ziel des jungen Staatsgebildes. So stand auch in Artikel zwei des am 12. November beschlossenen Staatsgesetzes, dass das Land Teil der deutschen Republik sei. Den Plänen machten die alliierten Siegermächte freilich einen Strich durch die Rechnung. Im Staatsvertrag von Saint-Germain wurde 1919 ein Unabhängigkeitsgebot für Österreich festgeschrieben. Der am 21. Oktober 1919 ratifizierte Vertrag legte auch „Republik Österreich“ als Namen des jungen Staates fest.