Parlamentspalast mit rumänischer Fahne in Bukarest
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Nächstes EU-Vorsitzland

EU stellt Rumänien verheerendes Zeugnis aus

Wenige Wochen bevor Rumänien den EU-Ratsvorsitz übernimmt, hat die EU-Kommission Bukarest am Dienstag in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Auch das Europaparlament zeigte sich „zutiefst besorgt“ über die Entwicklungen im Land.

Seit dem EU-Beitritt 2007 überwacht die Europäische Union die Entwicklung des Justizsystems und der Antikorruptionsmaßnahmen in Rumänien. Am Dienstag wurde der aktuelle Bericht zur Lage veröffentlicht. Er fällt vernichtend aus: In den vergangenen zehn Jahren habe es deutliche Fortschritte gegeben; in den vergangenen zwölf Monaten große Rückschritte. Das sei eine „traurige“ Sache, sagte EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans.

Timmermans zufolge gilt das vor allem in Bezug auf die umstrittenen Gesetzesänderungen bei der Justiz und den Druck auf die nationale Antikorruptionsbehörde. Daher gebe es für Rumänien acht weitere Empfehlungen, die sofort umzusetzen seien. „Wir wollen, dass Rumänien sofort die umstrittenen Gesetze stoppt.“

„Keine Diskussion“ über Artikel-7-Verfahren

Alle laufenden Ernennungen und Entlassungen von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten müssten sofort eingestellt werden, und es sei ein oberster Sonderermittler einzusetzen, sagte Timmermans, der auch die Entwicklung im Medienbereich in Rumänien kritisierte.

Erster Vizepräsident und EU-Kommissar Frans Timmerman
Reuters/Vincent Kessler
Timmermans: „Wir wollen, dass Rumänien sofort die umstrittenen Gesetze stoppt.“

Die Medien müssten in der Lage sein, frei von Druck zu agieren. Auch das werde die Kommission aufmerksam verfolgen, so Timmermanns. Über die Einleitung eines Rechtsstaatlichkeitsverfahrens nach Artikel 7 gebe es derzeit aber keine Diskussion, sagte der Kommissionsvizepräsident. Ein solches Verfahren läuft im Moment gegen Polen und Ungarn.

„Verunglimpfung“ Rumäniens unter Strafe

Auch das Europaparlament äußerte sich „zutiefst besorgt“ über die Strafrechtsreform der rumänischen Regierung. Die neuen Vorschriften seien geeignet, die Unabhängigkeit der Justiz und damit die Rechtsstaatlichkeit zu schwächen, warnte das Parlament in einer am Dienstag verabschiedeten Resolution. Zugleich werde die Fähigkeit „zur wirksamen Korruptionsbekämpfung“ eingeschränkt. Die Regierung in Bukarest müsse sämtlichen Maßnahmen entgegentreten, durch die Korruption entkrimininalisiert werden könnte, heißt es in dem mit großer Mehrheit angenommenen Text.

Besorgt äußerte sich das Parlament auch über die neuen Rechtsvorschriften, welche die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen einschränken. Zudem kritisierte das Europaparlament Pläne, die „Verunglimpfung Rumäniens im Ausland“ unter Strafe zu stellen und den Straftatbestand „Verleumdung“ erneut ins Strafgesetz aufzunehmen. Diese Maßnahmen zielten auf eine „politische Einschränkung der Medienfreiheit“ ab.

Die EU-Volksvertretung verwies auch auf die in Rumänien laufende Debatte über eine mutmaßliche Einmischung des rumänischen Nachrichtendienstes in die Tätigkeit der Justiz. Angesichts solcher Vorgänge müsse die parlamentarische Kontrolle über den Nachrichtendienst verstärkt werden.

Rumäniens Regierung weist Kritik zurück

Rumäniens Ministerpräsidentin Viorica Dancila und ihr Parteivorsitzender Liviu Dragnea wiesen die Kritik der Kommission zurück. Die Politiker der rumänischen Sozialdemokraten (PSD) betonten, die Positionen seien weniger bedeutend als die realen Probleme des Landes. Die Vorbereitungen für die rumänische EU-Ratspräsidentschaft liefen planmäßig, sagte Dancila.

Rumänische Premierministerin Viorica Dancila
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Rumäniens Premierministerin Dancila verteidigte ihre Regierung gegen die Kritik der Kommission

Dragnea betonte: „Die großen Themen Rumäniens liegen jenseits aller Berichte und Prüfverfahren.“ Dragnea ist wegen Wahlmanipulationen vorbestraft und darf deswegen nicht selbst Ministerpräsident werden. Er gilt als Strippenzieher im Hintergrund.

Präsident: Land nicht fit für EU-Vorsitz

Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis dagegen sieht sein Land als nicht fit für die Übernahme des EU-Ratsvorsitzes von Österreich am 1. Jänner 2019. Der EU-Vorsitz sei „eine sehr ehrenvolle, aber auch anspruchsvolle“ Aufgabe. „Ich bin der Meinung, dass wir darauf nicht vorbereitet sind“, sagte er. „Die politische Notwendigkeit besteht jetzt darin, diesen Unfall der rumänischen Demokratie, nämlich die Regierung Dragnea-Dancila, zu ersetzen.“

Romäniens Präsident Klaus Werner Johannis
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Präsident Iohannis sieht Rumänien nicht vorbereitet für den Ratsvorsitz

Iohannis, der der sozialliberalen Opposition nahesteht, beklagte Chaos in der Regierung nach dem Rücktritt von Europaminister Viktor Negrescu. Der 33-Jährige hatte am Freitag seinen Rücktritt erklärt, nach einem Streit im Kabinett zum Stand der Vorbereitungen für die EU-Ratspräsidentschaft. Negrescus Nachfolger wird George Ciamba, der als enger Vertrauter Dragneas gilt.

Positive Entwicklung in Bulgarien

Parallel zum Rumänien-Bericht legte die EU-Kommission indes auch einen Bericht zu Bulgarien vor, der deutlich positiver ausfällt. „Falls diese positive Entwicklung anhält und die erzielten Fortschritte nachhaltig konsolidiert und unumkehrbar werden, bin ich sehr zuversichtlich, dass das Kooperations- und Kontrollverfahren für Bulgarien noch vor Ende des Mandats der derzeitigen Kommission abgeschlossen werden kann“, kommentierte Timmermans. Das Mandat endet zum 1. November 2019.