Ein Mann hält ein Smartphone, auf dem Apps zu Sozialen Medien zu sehen sind
APA/AFP/Kirill Kudryavtsev
Frankreich

Debatte über Instagram-Steuerjäger

Im Kampf gegen Steuerbetrug wollen Frankreichs Finanzbehörden künftig verstärkt in Sozialen Netzwerken auf Spurensuche gehen. Geht es nach Finanzminister Gerald Darmanin, könnten auf Instagram, Facebook und Twitter gepostete Bilder Aufschluss über den Lebensstil und damit möglicherweise vor der Finanz verschwiegene Einkünfte geben. Der Vorstoß sorgt für Debatten – und reichlich bunte Blüten im Netz.

Auf Grundlage eines erst im Oktober verabschiedeten neuen Gesetzespakets sollen Steuerfahnder bereits mit Beginn des kommenden Jahres die im Netz zelebrierte Selbstdarstellung für eigene Zwecke nutzen.

Erhöhte Gefahr einer Steuerprüfung gibt es Medienberichten zufolge dann für all jene, die etwa mit Bildern von teuren Autos, Urlaubsfotos von den Seychellen und geolokalisierten Postings aus bekannten Steueroasen Hinweise geben, die Fragen zur Steuererklärung aufwerfen könnten. Wenn jemand ständig Bilder von sich mit einem an sich zu teuren Luxusauto postet, dann könne dieses zwar durchaus von einem Verwandten bzw. Freund geliehen sein, wie Darmanin laut France24 dazu sagte: „Oder auch nicht.“

„Big Brother besteuert Sie“

Medienberichten zufolge hat Frankreichs Datenschutzaufsichtsbehörde (CNIL) bereits ihren Segen für das anstehende Steuerfahndungs-„Experiment“ gegeben. Die nach Darmanins Ankündigung lautgewordenen Daten- und Persönlichkeitsschutzbedenken werden vom Finanzministerium aber ohnehin nicht geteilt, da lediglich Bilder und Informationen aus öffentlich zugänglichen Profilen ins Visier genommen werden sollen.

Abseits der Frage, was Steuerfahnder bereits jetzt davon abhalten sollte, einen Blick auf den in Sozialen Netzwerken öffentlich zur Schau gestellten Alltag der Franzosen zu werfen, ist unter dem Motto „Big brother is taxing you“ auch eine lebhafte Debatte rund um das Thema Überwachung entbrannt.

„Ich ziehe es vor, jetzt zu gestehen“

Frankreichs Regierung werde etwa das Vorhaben einer „allgemeinen Überwachung“ vorgeworfen, die sich vor allem gegen die kleinen Steuerzahler richte. Mit mehr oder weniger orginellen „Selbstanzeigen“ finden Frankreichs Steuerbeamte derzeit zudem einen ersten Vorgeschmack auf das, was ihr künftiges neues Einsatzgebiet alles zu bieten hat.

Illustriert mit einem mit Goldbarren gefüllten Raum gibt ein Twitter-User beispielsweise Einblick in seinen „einfachen Keller“, ein anderer „zieht es vor, jetzt zu gestehen“, und postete dazu das Bild eines Sportwagenmodells, das er, wenn auch nur im Maßstab von 1:30, sein Eigen nennt.

Vom Schweiz-Wochenende bis zur Hundehütte

Auf die Sportwagenmetapher setzt wie viele andere auch Twitter-User „Lion epuise #matricule 7857“, der „nach einem schönen kleinen Wochenende in der Schweiz“ über die anstehende Rückkehr in die Fabrik stöhnt. Weit bescheidener zeigt sich „Noemie PAYA“, die zusammen mit einem Bild eines Citroen 2CV offen eingesteht: „Ich habe betrogen! Ich habe mein Land ruiniert, indem ich mein Vermögen versteckt habe.“

„Laurent_Potelle“ gibt schließlich zu Protokoll, dass er zwar immer wieder Tweets mit einem Foto illustriere, auf dem stapelweise Geld zu sehen ist, dieses aber „nicht in meiner Garage aufgenommen wurde“. Kommentiert mit „Mein zweites Zuhause … Darmanin ermittelt!“, teilte Twitter-User „SgeDeres“ ein Bild einer Hundehütte, und „RaymondPierre“ kündigte an, nun „regelmäßig Fotos aus meinem täglichen Leben veröffentlichen“ zu werden, um nicht irrtümlich ins Visier der „#Fisc“ (Finanzbehörden, Anm.) zu geraten.

In anderen Ländern gelebte Praxis

Darmanin zeigte sich angesichts des anhaltenden Protest um Beschwichtigung bemüht und beteuerte zuletzt etwa, dass es ihm nicht um eine totale Überwachung, sondern lediglich um ein weiteres Werkzeug im Kampf gegen Steuerbetrug gehe. France24 erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass andere Länder wie Großbritannien, Kanada, Indien und Australien schon lange damit begonnen hätten, Steuerbetrügern gezielt mit Hilfe der Sozialen Netzwerke auf die Spur zu kommen.

Die verschärfte Vorgangsweise erklärt sich dann auch mit dem in Frankreich geschätzten Ausmaß von Steuerbetrug. Laut einem Bericht der Steuerbeamtengewerkschaft Solidaires Finances Publiques waren es im Vorjahr rund 100 Milliarden Euro und damit rund 20 Milliarden mehr als 2013. Das Magazin „Le Point“ verwies zum Vergleich dazu auch auf Schätzungen der Nichtregierungsorganisation Oxfam und des gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung auftretenden Tax Justice Network, wo von einer Summe von bis zu 80 Milliarden bzw. über 200 Milliarden Euro die Rede ist.