Geldscheine
ORF.at/Christian Öser
Verfahren droht

Trotz Protesten: Rom bleibt bei Budgetplan

Italien geht mit der EU auf Konfrontationskurs: Trotz Warnungen und Widerstands aus Brüssel besteht die populistische Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung auf ihren Budgetplänen, die eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent beinhalten. Damit will sie unter anderem die Einführung eines Grundeinkommens finanzieren.

Die von der EU mit Nachdruck geforderte Nachbesserung ihres Haushaltsentwurfs lehnt Rom ab. Der Budgetplan bleibe unverändert, sagte Vizeregierungschef Luigi Di Maio am Dienstagabend. „Wir sind der Überzeugung, dass das der Haushalt ist, den das Land braucht, um wieder in Gang zu kommen“, sagte Di Maio nach einer Kabinettssitzung in Rom. Finanzminister Giovanni Tria habe fristgerecht die überarbeitete Version des Haushalts mit Begleitbrief an die Kommission geschickt, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA Mittwochfrüh.

Die EU-Kommission hatte im Oktober in dem Fall erstmals überhaupt den Haushaltsentwurf eines Mitgliedsstaates zurückgewiesen. Die Kommission kritisiert, dass Italiens Neuverschuldung für 2019 dreimal so hoch liegt wie von der Vorgängerregierung mit Brüssel vereinbart. Diese hatte noch 0,8 Prozent in Aussicht gestellt. Rom droht nun ein Defizitverfahren, das zu hohen Geldbußen oder zur Kürzung von EU-Hilfen führen kann.

IWF macht Druck auf Rom

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte Italien vor negativen Auswirkungen der Haushaltspläne. Der Fonds stellte Italiens Wirtschaft am Dienstag ein schlechtes Zeugnis aus. „Das reale persönliche Einkommen ist auf dem Niveau von vor zwei Jahrzehnten, die Arbeitslosigkeit liegt im Berichtszeitraum um die zehn Prozent, und die Lebensbedingungen für Menschen mittleren Alters und jüngere Generationen sind erodiert“, heißt es in einem Bericht. Sollte Italien an seinen Plänen festhalten, würde das Wachstum bei nur einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Jahre 2018 bis 2020 liegen, danach würde es weiter fallen.

Die anderen Länder Europas hatten sich großteils schon zuvor in dem Streit positioniert: Die Euro-Finanzminister forderten wie Brüssel einen neuen Haushaltsplan, der im Einklang mit dem Euro-Stabilitätspakt stehen sollte. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel betonte am Dienstag bei einer Rede zur Zukunft Europas im EU-Parlament in Straßburg: „Wer darauf setzt, Probleme alleine durch neue Schulden zu lösen, und eingegangene Verpflichtungen missachtet, der stellt die Grundlagen für die Stärke und die Stabilität des Euro-Raumes infrage“. Sie habe die „inständige Hoffnung“, dass im Gespräch mit der EU-Kommission eine Lösung gefunden werde.

Schäden für Italien befürchtet

Der gesunde Menschenverstand müsse stärker sein als irgendwelche Launen, sagte der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani. Die „Arroganz“ führe dazu, dass eine Haltung verteidigt werde, die „wirtschaftlich unhaltbar“ sei. Rom riskiere „enorme Schäden für die Italiener in den kommenden Jahren“, sagte der Italiener weiter.

Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in der Euro-Zone und schon jetzt hoch verschuldet. Sie Staatsschulden belaufen sich auf 2,3 Billionen Euro, gut 130 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Koalition will Wahlversprechen umsetzen und das Wachstum unter anderem mit Steuersenkungen und höheren Sozialausgaben ankurbeln, etwa eine Grundsicherung einführen.

Warten auf Antwort

Die Regierung will zudem Mechanismen einführen, um das Defizit zu kontrollieren, hieß es am Dienstagabend. Das Defizit soll nicht die vorgesehene Schwelle von 2,4 Prozent übersteigen. Hinzu sollen mehr Immobilien veräußert werden.

„Wir arbeiten an einem Haushalt, der mehr Arbeitsplätze schafft, mehr Recht auf Pensionen und weniger Steuern, nicht für alle, aber für viele. Wenn das Europa gefällt, sind wir zufrieden, wenn nicht, gehen wir unseren Weg dennoch weiter“, sagte der Innenminister und zweite Vizepremier Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega. Eine direkte Reaktion aus Brüssel gab es am Dienstag nicht. Am 21. November will die EU-Kommission ihre Einschätzungen zu sämtlichen Haushaltsentwürfen abgeben.

Österreich würde Defizitverfahren unterstützen

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) untermauerte am Mittwoch seine Kritik am italienischen Budgetentwurf noch einmal. „Italien ist mehr denn je gefordert, Disziplin einzuhalten“, sagte der Ressortchef vor der Ministerratssitzung in Wien. Sollte Italien keine Schritte machen, so wäre Österreich bereit, ein eventuelles Defizitverfahren der EU-Kommission zu unterstützen bzw. auch einzufordern.

Nachdem Löger bereits am Abend zuvor die italienische Regierung noch einmal aufgefordert hatte, einen überarbeiteten Budgetentwurf vorzulegen und nicht am geplanten Defizit von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung festzuhalten, betonte der Minister am Mittwoch, dass es sich hier nicht um eine interne italienische Angelegenheit, „sondern um eine europäische Angelegenheit“ handle.

Italien als „Griechenland-Nachfolgemodell“

Österreich wisse aus eigener Erfahrung, dass es bei derartigen Budgetdaten erforderlich sei, „deutliche Maßnahmen zu setzen“. Es bestehe „Anlass zu großer Sorge“, sagte Löger mit Verweis auf das Beispiel Griechenland. „Italien droht die Gefahr, in Richtung Griechenland-Nachfolgemodell abzurutschen“ – und das gelte es zu verhindern. Sollte Italien am Budgetentwurf nicht nachbessern, so sei die EU-Kommission gefordert, Schritte in Richtung Defizitverfahren zu machen, so der Minister.