Tschechischer Ministerpräsident Andrej Babis
Reuters/David W Cerny
Nach Entführungsvorwurf

Druck auf Tschechiens Premier steigt

In Tschechien steht eine Misstrauensabstimmung gegen die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Andrej Babis bevor. Das gaben örtliche Medien am Mittwoch bekannt. Grund dafür ist die „Storchennest“-Affäre, die erneut aufflammte, da Babis’ Sohn angab, er sei von seinem Vater 2017 auf die von Russland annektierte Krim verschleppt worden – offenbar aus Angst, er würde Familiengeheimnisse ausplaudern.

In der Affäre „Storchennest“ geht es um angeblichen EU-Subventionsbetrug seitens des Ministerpräsidenten und Multimilliardärs Babis. Die Polizei ermittelt, weil Babis vor Jahren das mittelböhmische Wellnessresort namens Capi Hnizdo (Storchennest, Anm.) zeitweise auf Familienangehörige überschrieben haben soll, um zu verschleiern, dass es in Wahrheit seinem Großkonzern Agrofert gehörte. Eigentlich waren die knapp zwei Millionen Euro EU-Förderung für klein- und mittelständische Betriebe bestimmt gewesen.

Der heute in der Schweiz lebende Babis junior soll einer dieser Familienangehörigen sein. Jedoch habe er „überhaupt nicht gewusst“, was er unterschrieben habe, zitierte das Nachrichtenportal Seznamzpravy.cz den Sohn am Dienstag. Sein Vater habe dann gewollt, dass er (Babis jr.) wegen der Ermittlungen rund um „Storchennest“ aus Tschechien verschwinde. Unterdessen gerieten die tschechischen Ermittlungsbehörden in Erklärungsnot, warum sie den Babis’ Sohn bisher nicht selbst in der Sache befragt haben.

CSSD als Zünglein an der Waage?

Sechs oppositionelle Parteien reichten laut Medienberichten vom Mittwoch den entsprechenden Antrag auf ein Misstrauensvotum ein und forderten Babis zum Rücktritt auf, was dieser ablehnt. Der Ausgang der Misstrauensabstimmung dürfte vor allem von der Position der Sozialdemokraten (CSSD) abhängen. Innerhalb der Partei gibt es seit längerem Stimmen, die einen Abbruch der Zusammenarbeit zwischen der CSSD und Babis Protestbewegung (ANO) fordern. ANO, CSSD und KSCM verfügen über 108 Stimmen im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus. Der Termin der Misstrauensabstimmung steht noch nicht fest. Polizei und Staatsanwaltschaft kündigten ebenfalls an, sich mit dem Fall zu befassen.

Wellnessresort Storchennest
APA/AFP/Michal Cizek
Zentrum der Affäre ist das Wellnessresort Storchennest in Mittelböhmen

Am Mittwoch versuchte Babis die Gemüter zu beruhigen und führte mit dem Innenminister und CSSD-Vorsitzenden Jan Hamacek und dem KSCM-Vorsitzenden Vojtech Filip Gespräche. Es gab auch eine Unterredung zwischen Babis und dem Chef der rechtspopulistischen Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD), Tomio Okamura. Zu den Ergebnissen der Gespräche wurde zunächst nichts mitgeteilt. Nur Okamura sprach über die Bereitschaft seiner Partei, die CSSD in der Regierung „programmatisch zu ersetzen“. Dabei stellte er eine eventuelle Duldung einer ANO-Expertenregierung in Aussicht.

Babis bestreitet Vorwürfe

Der Ministerpräsident bestreitet indes jegliche Schuld rund um die Affäre „Storchennest“, obwohl die Ermittlungen in dieser Sache seit Monaten laufen. Deswegen wurde ihm schon vor einiger Zeit die parlamentarische Immunität entzogen. Babis sprach von einer „Jagd auf seine Familie“. „Die Fakten sind klar: Mein Sohn ist psychisch krank“, so der 64-jährige Gründer der liberal-populistischen Partei ANO via Facebook. Er müsse daher unter Aufsicht stehen. „Nur gefühllose Fanatiker sind in der Lage, die Diagnose meiner Kinder anzuzweifeln“, sagte Babis. „Das sind gemeine Lügen, und ich werde das beweisen“, fügte er hinzu und sprach von einem Putschversuch.

In der Regierung sind die Protestbewegung ANO und die CSSD vertreten. Geduldet wird das Kabinett durch die Kommunisten (KSCM). „Ich kann keinerlei Schritte ausschließen und nicht vorhersagen, was aus der Regierungskoalition wird“, drohte Hamacek. Er forderte Babis zu „klareren und konkreteren Antworten“ auf. Der Vorsitzende der konservativen Partei TOP09, Jiri Pospisil, rief Babis zum Rücktritt auf. Er sprach von einer der schlimmsten politischen Affären seit der demokratischen Wende von 1989. Der Ruf des Landes stehe auf dem Spiel, sagte der Chef der Bürgerdemokraten (ODS), Petr Fiala.

Am Dienstagabend äußerte sich auch noch Präsident Milos Zeman zu dem Fall. „Mir kommt das alles wie eine wilde Verschwörungstheorie vor“, sagte der 74-Jährige dem Privatfernsehsender TV Nova. Zeman empfahl Babis, „die Nerven nicht zu verlieren“. Er wolle das Thema mit ihm in der nächsten Woche persönlich erörtern.