Die sonntagabends in der ARD laufende „Lindenstraße“ wurde von Hans W. Geißendörfer erfunden und wird inzwischen von seiner Tochter Hana betreut. Die Serie sorgte gerade in ihren Anfangsjahren immer wieder für öffentliche Debatten, etwa durch das Thematisieren von Homosexualität. Allerdings litt die „Lindenstraße“ seit Jahren unter sinkenden Zuschauerzahlen. Das Aus begründete die ARD mit wirtschaftlichen Zwängen.
Bei aller Beständigkeit hatte sich in der Dauerserie auch einiges geändert im Laufe der Zeit. Viele Schauspieler kamen und gingen – allein 262 Hauptrollen gab es in der Seriengeschichte, Stars wie Til Schweiger nutzten die „Lindenstraße“ als Karrieresprungbrett. Diejenigen, die von den Anfängen bis in die letzten Jahre geblieben sind, sind zusammen mit den Zuschauern gealtert, etwa Marie-Luise Marjan, Joachim Hermann Luger, Georg Uecker und Ludwig Haas.
Mitte der 80er Jahre, als es nur wenige TV-Programme gab, war die „Lindenstraße“ Montagfrüh geradezu Pflichtgesprächsthema in Büros und Schulen. Immerhin hatten durchschnittlich zwölf Millionen Menschen die Folge am Sonntagabend gesehen. Anlass zur Diskussion gab die Serie in den ersten Jahren immer wieder: Der legendäre Schwulenkuss zwischen Carsten Flöter und Robert Engel zum Beispiel war ein Dammbruch im deutschen Fernsehen, und die „Lindenstraße“ war auch die erste TV-Serie, die Aids thematisierte.
„Sitten- und Sozialgeschichte“
„Das Wichtigste in den 30 Jahren war die Freiheit, die wir hatten, solche Tabus erzählen zu dürfen“, sagte Geißendörfer anlässlich des 30-jährigen Jubiläums vor einigen Jahren rückblickend. Tabubrüche waren schließlich in der Serie nur noch schwerlich möglich: Angesichts der Vielzahl der Sender und unzähliger Reality-Formate ist im Fernsehen kaum noch etwas tabu. Nach WDR-Angaben schalteten im Schnitt der vergangenen Jahre noch 2,5 Millionen Zuschauer sonntags um 18.50 Uhr die „Lindenstraße“ ein, hinzu kommen Abrufe über Mediatheken, Internetlivestream und App.
Ihrem Anspruch, aktuelle Themen aufzugreifen, ist die Serie treu geblieben. Damit sei sie ein Stück „Sitten- und Sozialgeschichte Deutschlands“, sagte Herres zum Jubiläum. „Die ‚Lindenstraße‘ hat bewiesen, dass man ein Breitenmedium mit gesellschaftlicher Relevanz verbinden kann.“