Blick auf den Plenarsaal
ORF.at/Roland Winkler
Arbeitszeitgesetz

Regierung und Opposition weiter im Clinch

Auf Verlangen der SPÖ hat am Freitag im Nationalrat eine Sondersitzung zum neuen Arbeitszeitgesetz stattgefunden. Die SPÖ forderte darin, dass das Gesetz von Grund auf neu verhandelt wird. Kritik kam auch von anderen Oppositionsparteien, die Regierung dagegen ist unverändert von der Arbeitszeitflexibilisierung überzeugt und sieht dadurch den Standort gestärkt.

Die Freiwilligkeit sei eine Farce, Überstundenzuschläge würden nicht mehr gezahlt, ein Freizeitausgleich sei nicht garantiert, hielt die SPÖ in ihrem Antrag fest. Gemeinsam mit Sozialpartnern und Parlamentsparteien solle nun ein neuer Anlauf genommen werden, um bis Jahresende praxistaugliche und für alle Betroffenen rechtssichere Arbeitszeitregeln auszuarbeiten. Zustimmung für den Antrag der SPÖ kam am Freitag freilich nur von der Liste Pilz.

„Das neue Arbeitszeitgesetz in der Praxis: Keine Freiwilligkeit, weniger Lohn, weniger Freizeit – lernen Sie aus Ihren Fehlern, Herr Bundeskanzler!“, lautete der Titel des Dringlichen Antrags. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) allerdings war – sehr zum Ärger der SPÖ – gar nicht anwesend. An seiner Stelle verteidigte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) die Regierungsregelung.

Fritz Jungmayr aus dem Parlament

Ist es realistisch, dass das Arbeitszeitgesetz neu verhandelt wird? Fritz Jungmayr berichtete aus dem Parlament.

Die Bedenken der Opposition wischte Schramböck vom Tisch: In Schweden könne man bis zu 13 Stunden pro Tag arbeiten, und Gesundheit und Lebenserwartung seien besser als in Österreich. Zudem habe die Regierung die Freiwilligkeit sogar gestärkt, indem man ein generelles Ablehnungsrecht für Arbeitnehmer etabliert habe. Aufgabe der Regierung sei es, den Standort zu sichern und nach vorne zu bringen – und genau das werde mit der Regelung bezweckt.

SPÖ sieht nur Unternehmer als Profiteure

SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner hatte davor in der Begründung des Dringlichen Antrags der Regierung vorgeworfen, nur die Interessen der Großindustriellen zu vertreten: „Sie setzen auf das Recht des Stärkeren.“ Das Gesetz diene ausschließlich wenigen Unternehmern, bringe aber Nachteile für Millionen von Arbeitnehmern: „Arbeitende Menschen sind Ihnen einfach nichts wert.“

Wie schon in der schriftlichen Begründung des Antrags forderte die SPÖ-Chefin, die derzeitige gesetzliche Regelung zurückzunehmen: „Ich halte es keineswegs für ein Zeichen der Schwäche, einen Fehler einzugestehen, sondern für ein Zeichen der Vernunft.“ Das Arbeitszeitgesetz sei schlecht – „und Sie wissen das“. Auch die SPÖ ist laut Rendi-Wagner für flexiblere Arbeitszeiten und eine moderne Arbeitswelt: „Aber es muss eine Modernisierung zum Vorteil aller sein.“ Was jetzt vorliege, bedeute hingegen weniger Lohn, weniger Gesundheit und weniger Zeit mit der Familie.

Grafik zeigt die Aufschlüsselung der Arbeitszeitregelung
APA/ORF.at

NEOS: „Speed and ignorance kill“

Kritik an dem „Husch-Pfusch-Gesetz“ kam auch von NEOS. Man habe der dringend notwendigen Flexibilisierung ursprünglich zwar zugestimmt, aber auch auf Fehler hingewiesen – und nun gebe es immer mehr Fälle von Rechtsunsicherheit, sagte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Sie forderte die Koalition daher auf „von ihrem hohen Ross“ zu steigen und über Verbesserungen zu verhandeln, denn „speed and ignorance kill“.

Daniela Holzinger von der Liste Pilz (LP) warf der Regierung vor, ihren Unterstützern aus der „Wirtschaftslobby“ Profite auf Kosten der Lebensqualität der Mehrheit der Menschen ermöglichen zu wollen. Die Koalition habe „ein Konzept für Sozialabbau“ wie unter Schwarz-Blau I vorgelegt – und dazu komme noch die geplante Senkung der Körperschaftssteuer zulasten des Sozialstaats.

Hartinger-Klein: „Die Chance habt ihr vergeigt“

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sagte, nur wegen einiger Missbrauchsfälle wolle sie nicht allen die Gestaltung einer flexibleren Arbeitszeit nehmen. Ohnehin sei geklärt, dass man nicht zu zwölf Stunden Arbeit gezwungen werden könne. Wem das geschehe, der könne die Kündigung vor Gericht anfechten. Die Klagen, dass die Sozialpartner nicht eingebunden worden seien, wies Hartinger-Klein gegenüber der Gewerkschaft zurück: „Ihr wolltet ewig verhandeln, die Chance habt ihr damals vergeigt. Man kann nicht kurz vor einer Einigung alles kippen.“

ÖVP-Klubchef August Wöginger wollte dagegen gar nicht von einem Zwölfstundentag sprechen, denn schon vor der Reform seien zehn Stunden täglich möglich gewesen, und trotzdem habe niemand von einem Zehnstundentag gesprochen. „Wir bleiben grundsätzlich beim Achtstundentag und der 40-Stunden-Woche.“ Die Reform war aus Wögingers Sicht nötig. „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Wir wollen bleiben, Sie werden gehen“, so der Klubchef in Richtung SPÖ.

Nationalrat: Sondersitzung zum Arbeitszeitgesetz

Den Zwölfstundentag möchte die SPÖ wieder abschaffen – und fordert eine Neuverhandlung des Gesetzes zur Arbeitszeitflexibilisierung unter Einbindung von Sozialpartnern und Opposition.

Gudenus preist „neues soziales Gewissen“

Für FPÖ-Klubchef Johann Gudenus garantiert das Arbeitszeitgesetz, dass die elfte und zwölfte Arbeitsstunde nur freiwillig geleistet werden und dass Überstunden abgegolten werden müssten. Die Aufregung der SPÖ rühre nicht daher, dass die Reform eine Verschlechterung bedeute, so Gudenus: „Sie sind aufgeregt, weil Ihnen die Felle davonschwimmen.“ Denn die FPÖ sei das „neue soziale Gewissen“ der Regierung.

„Fakt ist, dass Ihr Arbeitszeitgesetz nicht funktioniert, dass Arbeitnehmer zu zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden pro Woche gezwungen werden“, hielt SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch dagegen. Dass die Zahl der Arbeitszeitverstöße laut Sozialministerium zurückgegangen ist, beeindruckt ihn nicht, habe das neue Gesetz doch vieles vorher Illegale legalisiert: „Das ist so, als würde ich bei der Autobahn von 130 auf 180 km/h gehen und hintennach feiere ich, dass es keine Raser mehr gibt.“