Italienisches Schiff Cavour im Mittelmeer
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Streit über Gerettete

EU-Mission im Mittelmeer droht das Aus

Der EU-Marinemission „Sophia“ im Mittelmeer droht das Aus. Die Verteidigungsministerinnen und -minister der EU-Staaten einigten sich am Dienstag zwar auf eine Verlängerung der Anti-Schlepper-Operation – Italien will dem aber nur zustimmen, wenn die geretteten Flüchtlinge auch auf andere EU-Länder verteilt werden.

Das Mandat für die im Juni 2015 gestartete Mission vor der Küste Libyens läuft am 31. Dezember aus. Die neue Regierung in Rom fordert, dass von „Sophia“ gerettete Flüchtlinge anders als bisher nicht mehr automatisch nach Italien gebracht werden. Dazu müssten die Einsatzregeln geändert werden.

Die EU-Staaten müssten vor Jahresende eine Zwischenlösung für die im Zuge der Mission geretteten Migrantinnen und Migranten finden, „ansonsten muss ‚Sophia‘ beendet werden“, sagte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstag in Brüssel. Die Fortführung der Operation müssen die EU-Staaten einstimmig beschließen.

Vermeidung von „Präzedenzfällen“

Die EU-weite Verteilung von Flüchtlingen ist politisch heikel. Staaten wie Polen und Ungarn hatten sich in der Vergangenheit vehement dagegen ausgesprochen. Jede Lösung für die im Rahmen von „Sophia“ geretteten Menschen dürfe keine Präzedenzwirkung auf andere Regelungen zur Migration haben, erklärte auch Mogherini. Sie hoffe auf eine Lösung in den kommenden zwei Wochen. Die meisten EU-Staaten würden anerkennen, dass Italien mit den Geretteten nicht alleine gelassen werden dürfe.

Flüchtlinge nach ihrer Rettung auf der deutschen Fregatte Werra
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Italien fordert die Verteilung der Geretteten auf andere EU-Staaten

Der Auswärtige Dienst der EU hatte laut der Nachrichtenagentur AFP für das Treffen der Verteidigungsministerinnen und Verteidigungsminister vorgeschlagen, die Mission befristet bis zum 31. Dezember 2019 zu verlängern. Bis zu einer abschließenden Lösung zur Flüchtlingsverteilung sollten dabei auch andere Länder zur Aufnahme aufgefordert werden können. Diese hätten das aber ablehnen können. Rom hatte vorgeschlagen, dass die Schiffe abwechselnd Häfen in verschiedenen Ländern ansteuern sollten. Das lehnten aber Länder wie Malta oder Frankreich ab.

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini
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Mogherini warnt vor einem Ende der Mission „Sophia“

„Sophia“ habe zu einem Rückgang von 85 Prozent der Migrationsbewegung im Vergleich zu den Vorjahren beigetragen, sagte die EU-Außenbeauftragte. Insgesamt habe die Operation zur Glaubwürdigkeit der europäischen Verteidigung beigetragen. „Sie zu verlieren, wäre ein Verlust für Europas Sicherheit.“ Sowohl Italien als auch die ganze EU hätten von der Mission profitiert. Pro Monat würden durch „Sophia“ 180 Personen gerettet, aufgeteilt auf 28 EU-Staaten ergebe das etwa sechs Personen pro Mitgliedsland im Monat.

Bisher fast 50.000 Menschen gerettet

Die Operation „Sophia“ war im Juni 2015 gestartet worden. Anlass war ein Schiffsunglück, bei dem 700 Flüchtlinge ums Leben kamen. Derzeit sind vier Marine-Schiffe sowie sechs Flugzeuge und Hubschrauber im Einsatz. In den vergangenen drei Jahren wurden an die 50.000 Menschen aus Seenot gerettet. Die Zahlen waren zuletzt deutlich zurückgegangen. In diesem Jahr waren es bisher 2.300 Personen, die nach Italien gebracht wurden.

Hauptaufgabe der Operation ist aber das Vorgehen gegen Schlepperbanden, die Flüchtlinge nach Europa bringen. Daneben soll „Sophia“ auch Waffen- und Ölschmuggel verhindern und bildet die libysche Küstenwache aus. „Wenn es keine einstimmige Entscheidung gibt, wird die Operation enden“, warnte Mogherini. Das würde bedeuten, dass alle Teile der Operation eingestellt werden müssten – auch die Ausbildung libyscher Küstenschützer oder die Kontrolle des Waffenembargos.

Italien will „Aquarius“ beschlagnahmen

Die italienische Regierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtspopulistischen Lega wehrt sich seit ihrem Amtsantritt im Juni gegen die Aufnahme von auf See geretteten Flüchtlingen. Innenminister Matteo Salvini von der Lega verweigerte mehreren Schiffen von Nichtregierungsorganisationen mit Flüchtlingen das Einlaufen in italienische Häfen.

Nun geht die italienische Justiz gegen das Rettungsschiff „Aquarius“ vor, das von den Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee betrieben wird. Sie forderte von Frankreich, das in Marseille liegende Schiff zu beschlagnahmen, wie Ärzte ohne Grenzen mitteilte. Grund seien angebliche Fehler bei der Entsorgung von Bordabfällen.

Lega-Innenminister Matteo Salvini
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Salvini verweigerte NGO-Schiffen mit Flüchtlingen an Bord das Einlaufen in italienische Häfen

Die Vorwürfe der illegalen Müllentsorgung treffen auch ein zweites Schiff von Ärzte ohne Grenzen, die „Vos Prudence“. Die Staatsanwaltschaft wirft den Betreibern vor, insgesamt 24 Tonnen mutmaßlichen Sondermülls als normalen Müll ausgegeben zu haben. Demnach handelt es sich um Hygieneartikel, Kleidungsstücke von Flüchtlingen und Lebensmittelreste.

„Politisch motivierter Angriff“

SOS Mediterranee sah „einen politisch motivierten Angriff“ und warf Italien „die Kriminalisierung von humanitärer Hilfe auf See“ vor. Ärzte ohne Grenzen wies die Vorwürfe zurück: Bei allen Aktivitäten im Hafen habe man die Standardverfahren stets eingehalten, hieß es. Die Hilfsorganisation werde deshalb Widerspruch beim italienischen Berufungsgericht einlegen.