Saudischer Prinz Mohammed bin Salman
APA/AFP/Giuseppe Cacace
Fall Khashoggi

Mitschnitt soll saudischen Prinzen belasten

Hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman den Auftrag zum Mord am Journalisten Jamal Khashoggi erteilt? Nach einem Bericht der türkischen Zeitung „Hürriyet“ hat der US-Geheimdienst CIA eine Tonaufnahme, die darauf hinweist. Prinz Mohammed habe angeordnet, „Khashoggi so bald wie möglich zum Schweigen zu bringen“.

Demnach habe die Direktorin des US-Geheimdienstes, Gina Haspel, bei ihrem Türkei-Besuch im vergangenen Monat „signalisiert“, dass die CIA ein entsprechendes Gespräch zwischen dem Kronprinzen und seinem Bruder Khalid bin Salman, dem Botschafter Saudi-Arabiens in den USA, abgehört habe.

Bereits am Freitag hatte die „Washington Post“ berichtet, die CIA sehe den Kronprinzen nicht nur als Mitwisser, sondern sogar als Drahtzieher hinter dem gewaltsamen Tod Khashoggis am 2. Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul. Khaled bin Salman ist der Botschafter Saudi-Arabiens in Washington. Khashoggi hatte seit 2017 in den USA gelebt.

Reaktion auf Trumps Erklärung?

In dem „Hürriyet“-Beitrag heißt es weiter, dass der Kronprinz und sein Bruder in dem angeblichen Gespräch „Unwohlsein“ über die öffentliche Kritik des Journalisten Khashoggi an seinem Land ausgedrückt hätten. Der Autor deutet auch an, dass es weitere „atemberaubende“ Beweise gebe, denn die CIA habe mehr Gespräche abgehört, als die Öffentlichkeit wisse.

Die türkische Regierung lanciert über regierungsnahe Medien seit Wochen Details zu dem Fall. Angeblich verfügt sie über Tonaufnahmen aus dem Inneren des Gebäudes. Nur wenige Informationen ließen sich unabhängig überprüfen. Ein türkischer Beamter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er habe keine Informationen über eine derartige Aufnahme.

Saudischer Prinz Mohammed bin Salman zusammen mit US-Präsident Donald Trump
Reuters/Jonathan Ernst
Im März empfing Trump Kronprinz Mohammed bin Salman im Weißen Haus und sprach von einer „großartigen Freundschaft“

Der Zeitpunkt des Artikels ist deshalb kaum zufällig gewählt, sondern kann als Reaktion der türkischen Regierung auf die jüngsten Erklärungen von Donald Trump gewertet werden. Der US-Präsident hatte erklärt, dass Saudi-Arabien ein „unverbrüchlicher Partner“ der USA bleiben werde, selbst wenn der Thronfolger von der Ermordung Khashoggis gewusst haben sollte.

„Unsere Geheimdienste prüfen weiter“

„Unsere Geheimdienste prüfen weiterhin alle Informationen“, teilte Trump mit. Er halte eine Mitwisserschaft von Kronprinz Mohammed in dem Fall zwar für möglich, aber nicht für bewiesen: „Es könnte sehr gut sein, dass der Kronprinz Kenntnis von diesem tragischen Vorfall hatte – vielleicht hatte er das und vielleicht hatte er das nicht!“, so Trump.

„Davon abgesehen, werden wir vielleicht nie alle Fakten rund um den Mord an Herrn Jamal Khashoggi erfahren.“ Die Konsequenz aus der Sicht Trumps: „Die Vereinigten Staaten beabsichtigen, ein unverbrüchlicher Partner Saudi-Arabiens zu bleiben, um die Interessen unseres Landes, Israels und aller anderen Partner in der Region zu gewährleisten“, sagte Trump.

Den Mord an Khashoggi verurteilte der US-Präsident und verbreitete quasi im selben Atemzug Vorwürfe gegen den Toten. „Vertreter Saudi-Arabiens sagen, dass Jamal Khashoggi ein ‚Staatsfeind‘ war und ein Mitglied der Muslimbrüder, aber meine Entscheidung ist in keinster Weise darauf begründet – das ist ein inakzeptables und furchtbares Verbrechen“, so Trump.

Ölpreis und Milliardenaufträge

König Salman und Kronprinz Mohammed hätten „energisch“ dementiert, von der Tat gewusst zu haben, sagte der US-Präsident. Zwar haben die USA Sanktionen gegen 17 ehemalige saudi-arabische Regierungsmitarbeiter verhängt, die an Khashoggis Mord beteiligt gewesen sein sollen – das Königshaus blieb aber unangetastet

Trump dankte dem Königreich für die gefallenen Ölpreise. Zugleich lobte er sich selbst für die Milliardenaufträge, die er bei seinem Besuch in Riad im vergangenen Jahr unter anderem für die US-Waffenschmieden an Land gezogen haben will. Diese Aufträge nun „törichterweise“ aufzukündigen – wie auch aus den Reihen von Trumps Republikanern gefordert wird –, würde nur Russland und China zugutekommen, warnte der Präsident.

Riad warnt erneut vor „roter Linie“

Der saudi-arabische Außenminister Adel al-Dschubeir warnte unterdessen erneut davor, Kronzprinz Mohammed für die Tötung Khashoggis verantwortlich zu machen. Damit würde eine „rote Linie“ überschritten, sagte al-Dschubeir am Mittwoch dem britischen Sender BBC. Der Kronprinz und König Salman würden jeden einzelnen saudi-arabischen Bürger repräsentieren. „Und wir werden keine Diskussion oder irgendetwas tolerieren, das unserem König oder unserem Kronprinzen gegenüber verunglimpfend ist.“

Khashoggi war am 2. Oktober verschwunden, nachdem er das saudi-arabische Konsulat in Istanbul betreten hatte. Erst nach wochenlangem internationalen Druck gab die Führung in Riad zu, dass der regierungskritische Journalist von Agenten des Königreichs getötet wurde.

Im Zusammenhang mit der Tötung befinden sich nach Angaben der Behörden in Riad 21 saudi-arabische Staatsbürger in Gewahrsam. Elf von ihnen wurden bisher angeklagt, für fünf Beschuldigte fordert die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe. Wir haben laufende Ermittlungen und werden diejenigen bestrafen, die dafür (für Khashoggis Tod, Anm.) verantwortlich sind", sagte al-Dschubeir.

EU: „Verantwortliche“ zu Rechenschaft ziehen

„Die Verantwortlichen, die wirklich Verantwortlichen für diese schreckliche Tötung müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bei einer Pressekonferenz mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu und EU-Kommissar Johannes Hahn am Donnerstag in Ankara.

„Für uns bedeutet Rechenschaft nicht Rache“, fügte Mogherini hinzu. Sie forderte eine „vollständig transparente und glaubwürdige Ermittlung“ zu dem Fall. Die EU sei „schon immer etwa gegen jegliche Anwendung der Todesstrafe“ gewesen, erwarte aber „entsprechend unseren Prinzipien und Werten“ eine „umfassende, transparente und faire Ermittlung“, so Mogherini.

Türkei zweifelt an saudischer Kooperation

Cavusoglu stellte die Bereitschaft Saudi-Arabiens zur Kooperation mit der türkischen Justiz bei der Aufklärung des Falles infrage. „Wenn es ihr einziges Ziel ist, unsere Informationen einzuholen und die Akte zu schließen, ist das nicht korrekt“, stellte er fest. „Bis zum heutigen Tag haben wir keine Informationen vom saudischen Generalstaatsanwalt erhalten“, sagte Cavusoglu und rief erneut dazu auf, die wahren Verantwortlichen ans Licht zu bringen.

Erdogan könnte Kronprinzen treffen

Die Türkei und Saudi-Arabien sind Rivalen in der Region, zudem betrachtet die Türkei es als Affront, dass Khashoggis Verschwinden in Istanbul orchestriert wurde. Widersprüchliche Äußerungen gab es darüber, ob der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf dem G-20-Treffen kommende Woche in Argentinien mit Kronprinz Mohammed zusammentreffen wird. Erdogan selbst habe ein solches Treffen ausgeschlossen, berichtete der Rundfunksender A Haber. Sein Sprecher hatte zuvor erklärt, das hänge vom Programm ab und könne durchaus passieren. Es wäre das erste Treffen seit Khashoggis Ermordung.

Dänischer Ausfuhrstopp für Waffen

Der dänische Außenminister Anders Samuelsen kündigte indes in Kopenhagen einen Ausfuhrstopp von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien an und sprach sich für ein „deutliches Signal“ der europäischen Staaten aus. „Saudi-Arabien spielt eindeutig eine negative Rolle. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir auch von europäischer Seite ein deutliches Signal senden, dass die Grenze jetzt erreicht ist“, sagte Samuelsen in Hinblick auf den Fall Khashoggi und die Situation im Jemen. Er äußerte die Hoffnung, dass weitere EU-Länder ihre Rüstungsexporte beenden.