Villa Torlonia
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Erbstreit in Rom

Mussolini-Villa und Kunst beschlagnahmt

Eine der größten privaten Sammlungen griechischer und römischer Statuen der Welt mit Milliardenwert ist von der italienischen Justiz beschlagnahmt worden – zudem ein ehemals von Benito Mussolini bewohnter Palast nahe Rom. Hintergrund ist der Streit um das Erbe des Bankiers und Unternehmers Alessandro Torlonia.

Ein Gericht stellte am Mittwoch mehrere Paläste und Kunstwerke der Familie Torlonia vorläufig unter staatliche Zwangsverwaltung, wie aus einem am Donnerstag in italienischen Medien veröffentlichten Urteil hervorgeht. Das Gericht stellte somit sicher, dass die Kunstsammlung, deren Wert auf 1,8 Milliarden Euro geschätzt wird, vorerst in Italien bleibt. Dabei geht es vor allem um ein außergewöhnliches Ensemble aus 623 Marmorstatuen, die griechische und römische Gottheiten und Helden darstellen.

Einer der Söhne, Carlo Torlonia, hatte Zweifel am Testament seines Vaters angemeldet. Laut seinem Anwalt sollen einige Familienmitglieder in Verhandlungen über den Verkauf einiger Statuen sein, darunter mit dem Paul Getty Museum in Los Angeles. Das älteste von vier Kindern des 2017 verstorbenen Bankiers gibt in seiner Klage an, von seinem Vater vor dessen Tod ferngehalten worden zu sein. Er sei auch nicht über die Gründung einer „Torlonia-Stiftung“ informiert worden.

Paläste unter Zwangsverwaltung

Das Gericht stellte nun sowohl den Torlonia-Palast an der Verbindungsstraße zwischen Roms historischem Zentrum und dem Vatikan als auch die Villa Albani in Rom unter Zwangsverwaltung. Der Torlonia-Palast diente Mussolini von Mitte der 30er Jahre bis 1943 als Wohnsitz, Mussolini ließ unter dem Gelände einen Luftschutzbunker errichten – mitten in den jüdischen Katakomben aus dem 3. und 4. Jahrhundert nach Christus. In der Villa ist mittlerweile das Museum Villa Torlonia untergebracht.

Marmorstatue
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Zu den Kunstschätzen der Familie gehört auch diese Skulptur des Odysseus, wie er vor Polyphem flieht

Carlo Torlonia will die Statuen laut Medienberichten ausstellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Statuen sollen den im Vatikan, im Louvre in Paris und anderswo in Rom ausgestellten um nichts nachstehen. Bis jetzt waren sie vor allem der Familie vorbehalten. Die Skulpturen stammen größtenteils von den Grundstücken der Familie, manche Kunstwerke wurden von der Bankiersfamilie zugekauft.

Sparsamer Patriarch

Die Familie Torlonia stammt aus Frankreich, von wo sie im 18. Jahrhundert nach Rom übersiedelte. Der Sohn des Patriarchen wurde Finanzverwalter im Vatikan und legte so den Grundstein für das Vermögen der Torlonia. Die zerstrittenen Erben sind Aktionäre der in Schwierigkeiten geratenen Banca del Fucino, deren Präsident Alessandro Torlonia bis zu seinem Tod war. Carlo Torlonia fürchtet jetzt auch, dass das Vermögen zur Rekapitalisierung der Bank genutzt werden könnte.

Der mit 93 Jahren verstorbene Alessandro Torlonia legte auf seine Privatsphäre und sein Image viel Wert, berichteten italienische Medien. So soll er sehr sparsam gewesen sein und etwa auf die Einleitung von Strom und damit elektrisches Licht verzichtet haben. In der Nacht sollen daher nur Kerzen die Villen erleuchtet haben. Seine Einladungen zur Fuchsjagd waren laut „Corriere“ sehr begehrt.