Szene aus dem Kamasutra
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„Unanständige“ Bücher

Wovor Oxford-Studenten geschützt werden

Die altehrwürdige Universitätsbibliothek von Oxford sammelt obszöne Bücher – immer schon. Bis heute dürfen sich Studenten den „Schweinkram“ nur mit einer unterschriebenen Sondererlaubnis ausleihen. Nun werden die 136 Jahre der Sexzensur in einer Ausstellung gezeigt – eine Geschichte nicht zuletzt des Puritanismus und der Zensur.

In der Oxford Bodleian Library gibt es eine Art schummriges Hinterzimmer, wie man es früher von Videotheken kannte. Hier heißt das Schmuddelkammerl „Phi Collection“ und beinhaltet 3.000 obszöne Werke der Literaturgeschichte – beziehungsweise solche Bücher, die von Bibliothekaren im Lauf der letzten 136 Jahre als obszön erachtet wurden. Die Bücher sind bis heute eigentlich weggesperrt und haben den griechischen Buchstaben Phi in der Signatur.

Studenten dürfen sie nur mit der schriftlichen Sondererlaubnis von Tutoren oder Professoren ausleihen. Die kulturgeschichtliche Relevanz der Bücher wurde dennoch erkannt, und so ließ man Kuratorin Jeniffer Inglehart, eigentlich Lateinprofessorin an der Universität von Durham im nordöstlichen England, die international viel beachtete Schau zusammenstellen.

Das Cover des Buchs „Sex“ von Madonna
AP/Mark Lennihan
Madonnas Coffee-Table-Buch „Sex“ aus dem Jahr 1992 war puritanischen Bibliothekaren zu schweinisch für Studenten

Pornoliteratur seit dem 17. Jahrhundert

Bei der Präsentation der Sammlung sagte sie: „Kaum jemand würde annehmen, dass eine der größten akademischen Bibliotheken wie die Bodleian eine der weltgrößten Sammlungen von Büchern beinhaltet, die als ‚öbszön‘ verdammt wurden.“ Sie interessiert nicht so sehr die explizite Darstellung von Sexualität in Büchern, egal ob verbal oder visuell, sondern vor allem die Frage, „wie sich das Denken über Sexualität verändert hat und auch das, was man als ‚passendes‘ Lesematerial für Studenten erachtet“.

Gar nicht passend fand man unter anderem zahlreiche Klassiker der Literaturgeschichte, wie etwa ein signiertes Exemplar von D. H. Lawrence’ Roman „Lady Chatterley’s Lover“, das wegen eines entsprechenden Verbots in einer Diplomatentasche nach Großbritannien geschmuggelt worden war. Das Prunkstück der Sammlung ist jedoch eines der ältesten neuzeitlichen pornografischen Werke aus Europa, das „Satyra Sotadic“ aus dem 17. Jahrhundert.

Vom Kamasutra bis Monty Python

Wer jedoch glaubt, die Sammlung sei irgendwann entstanden und habe dann ewig vor sich hin geschlummert, irrt. Der „Gourmet Guide to Lovemaking“, wie der Klassiker aus dem Jahr 1974 „The Joy of Sex“ im Untertitel heißt, kam in die Phi-Ecke, und nicht nur er. So bildeten sich Bibliothekare noch in den 90er Jahren ein, die Studenten vor Madonnas Coffee-Table-Buch „Sex“ schützen zu müssen. Das Buch wurde immerhin hunderttausendfach verkauft – es ausgerechnet in der Bibliothek zu verstecken, war sinnloser Puritanismus.

Sogar die Komikertruppe Monty Python hat es mit ihrem „The Brand New Monty Python Bok“ auf den Oxford-Index geschafft – und zwar nur deshalb, weil auf dem Covern ein Hintern zu sehen ist. Wenig überraschend, dass den prüden Bibliothekaren auch das Kamasutra zu schweinisch war, ganz zu schweigen vom Pop-up-Kamasutra, einem 3-D-Porno aus Karton. Wer das entsprechende YouTube-Video sehen will, muss übrigens ebenfalls nachweisen, dass sie oder er erwachsen ist (siehe eingebettetes Video weiter oben).

„Schutz der Leser“

Einerseits puritanisch, ist man in Oxford andererseits auch stolz auf die Sammlung sexuell expliziter Werke. Bibliothekar Richard Ofvenden sagt, die nunmehr eine Zeitlang für die Öffentlichkeit zugänglichen Bücher seien zum Großteil „faszinierend und wenig bekannt. Die Ausstellung zeigt auch durchaus überraschend, welch wichtige Funktion Bibliotheken beim Erhalten des kulturellen Erbes zuteil wird – und sie zeigt das Spannungsfeld zwischen dem Bewahren solcher Werke und dem Schutz der Leser und nicht zuletzt der Bücher selbst.“

Die Leser können froh sein, vor Schund wie Ovids „Ars amatoria“ geschützt zu werden. Übrigens ein Buch, das teilweise aus US-Vorlesungen an Unis verbannt wird, weil sich Studentinnen und Studenten durch die explizite Sexualität angegriffen fühlen könnten – hier trifft der alte auf den neuen Puritanismus. Was wohl Oscar Wilde dazu gesagt hätte? Sein „Das Bildnis des Dorian Gray“ findet sich in Oxford auch im Schmuddelkammerl.