SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner
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97,8 Prozent

Rendi-Wagner zur SPÖ-Parteichefin gewählt

Seit Samstagnachmittag ist Pamela Rendi-Wagner nun auch offiziell Parteichefin der SPÖ. Mit 97,81 Prozent der Stimmen wurde sie im Rahmen des Bundesparteitages in Wels zur Vorsitzenden gewählt. Schon am Vormittag umriss Rendi-Wagner den künftigen Kurs der Partei – und teilte auch gegen die Regierung aus.

Rendi-Wagner ist damit die erste Frau an der Spitze in der Geschichte der SPÖ. „Ich danke euch von jeder Faser meines Herzens“, so die SPÖ-Chefin. „Jede einzelne Stimme von euch ist mein Benzin zum Rennen. Ich werde nicht alleine rennen – ihr rennt mit mir.“

Von 645 Wahlberechtigten haben 91,94 Prozent ihre Stimme abgegeben. Bestätigt wurden auch die 17 Stellvertreterinnen und Stellvertreter. Das schlechteste Ergebnis im Präsidium erzielte dabei der burgenländische Landeschef Hans Peter Doskozil mit 82,29 Prozent der Stimmen. Ebenfalls unter 90 Prozent blieb Wiens Bürgermeister Michael Ludwig mit 89,5 Prozent.

Im oberen Bereich

Die 97,8 Prozent für Pamela Rendi-Wagner beim SPÖ-Parteitag in Wels sind eines der besseren Ergebnisse bei einem Erstantritt. Der Bestwert stammt von Bruno Pittermann, der 1957 auf 99,6 Prozent kam. Werner Faymann wählten 98,4 Prozent bei seiner Premiere im Jahr 2008.

Freilich war Christian Kern vor zwei Jahren mit einem ähnlich guten Ergebnis wie Rendi-Wagner ausgestiegen. Ihn wählten 96,8 Prozent der Delegierten. Eine schwache Premiere hatte dagegen etwa Viktor Klima mit 90,2 Prozent. Franz Vranitzky musste sich mit 93,6 Prozent begnügen.

Rendi-Wagner „bereit“ für Verantwortung

Schon am Vormittag skizzierte Rendi-Wagner ihre eigenen Zukunftspläne und gab den Kurs für die Partei vor. „Ja, ich bin bereit“, sagte sie im Hinblick auf die Verantwortung als Parteivorsitzende. Sie wolle die „erste Kanzlerin“ des Landes sein. „Vor unseren Augen sind so viele, die sich im Stich gelassen fühlen“, so Rendi-Wagner, die wiederholt eine „Verbesserung der Lebensumstände“ für die Menschen forderte. „Um nichts anderes geht es uns.“

Grafik zu den SPÖ-Parteivorsitzenden seit 1945
Grafik: APA/ORF.at; Fotos: APA; Quelle: APA/ORF.at

„Lieber Sebastian, was genau hast du gemacht?“

Neben eigenen Zielen und Vorstellungen teilte die künftige Parteichefin vor allem gegen die Regierung aus. Im Hinblick auf Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), seine Positionen in bisherigen Regierungen und das Thema Migration fragte sie: „Lieber Sebastian, was genau hast du in all diesen Jahren eigentlich gemacht?“

Sie warf ihm vor, er würde „beschreiben“, „kommentieren“ und „kritisieren“, aber als Politiker würde man „handeln und tun“ und die „Lebensumstände der Menschen verbessern“. Ringe sich Kurz dann doch einmal zu einer Entscheidung durch, sei diese falsch wie das Nein zum UNO-Migrationspakt.

Zwölfstundentag als „Husch-Pfusch-Gesetz“

Zum Zwölfstundentag sagte sie: „Es ist beschämend, den Zwölfstundentag mit einem ‚Husch-Pfusch-Gesetz‘ festzuschreiben, nur weil man sich vor Verhandlungen mit der Gewerkschaft fürchtet, weil man den Diskurs im Parlament nicht führen und sich dem Urteil der Experten entziehen will.“ Auch sonst kritisierte sie die Regierung mehrfach, so würden ÖVP und FPÖ etwa die Institutionen des Sozialstaats „ganz unverblümt“ angreifen.

Dass sich die Regierung weigere, eine Volksabstimmung zum Rauchen in der Gastronomie durchzuführen, nannte die geschäftsführende SPÖ-Vorsitzende „armselig“. Die Kassenreform sieht Rendi-Wagner als „Startschuss für eine schleichende Privatisierung unseres solidarischen Gesundheitssystems“.

Ende für Mehrwertsteuer auf Mieten gefordert

Die eigene Partei soll einen anderen Weg einschlagen. Die SPÖ sei die Partei für jene, die nicht „auf die Butterseite gefallen“ seien, sondern jeden Tag kämpfen müssen, so Rendi-Wagner, die aber gleichzeitig ein Leistungsbekenntnis ablegte. Ihre eigene Biografie könne hier als Beispiel stehen. Allerdings müsste allen auch die Möglichkeit gegeben werden, Leistung zu bringen. Dafür brauche es mehr Geld für Brennpunktschulen, den flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschulen und vieles mehr.

Rede von Pamela Rendi-Wagner

In ihrer Antrittsrede gibt Pamela Rendi-Wagner den Kurs für die Zukunft der SPÖ vor. Sie sei „bereit“, Verantwortung als Parteivorsitzende zu übernehmen. Sie übt auch scharfe Kritik an der Arbeit der Regierung.

Einen neuen Vorschlag brachte die künftige SPÖ-Chefin zur Wohnpolitik ein. Ginge es nach Rendi-Wagner, soll es künftig keine Mehrwertsteuer mehr auf Mieten geben. Damit würde mehr als eine Miete pro Jahr eingespart werden.

Rendi-Wagner dankt Kern

In Richtung ihres Vorgängers sagte sie: „Lieber Christian, danke, dass du mir vor zwei Jahren die Möglichkeit gegeben hast, gestaltend in die Politik einzutreten“, so Rendi-Wagner. „Du hast mir diese Chance eröffnet, und das werde ich dir nie vergessen.“ Sie sei „überzeugt, egal wo dich dein Weg hinführt“, dass Kern „unsere Werte weitertragen“ werde. Daraufhin gab es Standing Ovations für den Ex-Parteichef.

SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Alt-Parteichef Christian Kern
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Rendi-Wagner unterbrach für eine Umarmung von Ex-Parteichef Christian Kern ihre Rede

Am Nachmittag lobte Kern dann Rendi-Wagner. In seiner Abschiedsrede bezeichnete er die neue Parteichefin als „wandelnde Kampfansage“. Niemand sei besser geeignet für diese Aufgabe als sie. Kern freue sich schon jetzt auf Fernsehduelle von Rendi-Wagner mit Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache.

Migration: „Humanität und Ordnung“

Beim Thema Migration sagte Rendi-Wagner in ihrer Rede: „Unser Ansatz ist Humanität und Ordnung“. Man bekenne sich „uneingeschränkt“ zur Genfer Flüchtlingskonvention und zur humanitären Verpflichtung, Geflüchteten vor Terror und Gewalt Schutz zu bieten. Sie sagte aber auch, dass „vor Ort“ immer „am besten geholfen“ werden könne. Das würde zwar viel kosten, aber „immer noch weniger als die Bankenrettung der vergangenen Jahre“.

„Ich bin Feministin“

Kurz vor Ende ihrer gut einstündigen Rede sagte sie: „Ich bin Feministin“, und das solle jeder, der sie am Samstag wähle, wissen. Sie skizzierte unter anderem Ideen zu Teilzeitarbeit für Frauen – so soll sich jede Frau entscheiden können, ob sie Teilzeit arbeiten wolle – aber nicht dazu gezwungen sein.

„Ja, ich bin bereit“, sagte Rendi-Wagner abschließend. Sie „renne für bessere Lebensumstände“ und sie „renne für die Jungen und die Alten“. „Rennt mit mir“, so der Appell an die Delegierten, die sie wenig später zur Parteichefin wählten.

Parteiprogramm angenommen

Die SPÖ nahm zum Abschluss des ersten Tages auch ihr neues Parteiprogramm sowie den inhaltlichen Leitantrag an. Gefordert wird darin etwa eine Arbeitszeitverkürzung auf (im Endausbau) 30 Stunden. Beim Parteiprogramm gab es eine einstellige Zahl an Ablehnungen, der inhaltliche Leitantrag wurde ohne eine einzige Wortmeldung einstimmig angenommen.

Als Ziel im Parteiprogramm wird „ein gutes Leben für alle“ vorgegeben. Das soll etwa über eine gerechtere Verteilung des Wohlstands und einen leistungsfähigen Sozialstaat, der auch mit Hilfe einer Wertschöpfungsabgabe mitfinanziert wird, geschehen. Neue Arbeitsformen müssten abgesichert werden, die Vollbeschäftigung nötigenfalls auch mittels öffentlich finanzierter Arbeitsplätze erreicht werden. Die Arbeitszeit soll sinken.

Lebenslanges Lernen

Die Pensionen sollen gesichert werden, die Mindestsicherung muss ein würdevolles und angstfreies Leben ermöglichen. Ein Fokus wird auch auf Bildung und Umwelt gelegt. Bildung wird auch über lebenslanges Lernen definiert, Hochschule und Forschung verdienten mehr Mittel.

1.700 Euro steuerfreier Mindestlohn

Konkreter wird der inhaltliche Leitantrag des Parteitags, dem am Sonntag noch einer zu Europafragen folgen wird. Was die Arbeitszeit angeht, soll es in einem ersten Schritt auf 35 Stunden runtergehen. In weiterer Folge sollen es nur noch 30 Stunden sein. Dazu kommt der Wunsch nach leichterer Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche. Als Mindestlohn stellt man sich 1.700 Euro steuerfrei vor.

Wieder beleben wollen die Sozialdemokraten auch die Wiedereinführung der Ausbildungsgarantie sowie der Aktion 20.000 für Langzeitarbeitslose und das Integrationsjahr für Asylwerbende. Steuerlich ist die Erbschafts- und Vermögenssteuer dabei. Weiter wollen die Sozialdemokraten eine Art Wertschöpfungsabgabe vulgo Robotersteuer.

Polizei und Heer sollen ausreichend finanziert und ordentlich ausgerüstet werden. Umweltpolitisch will die SPÖ Österreich bis 2040 CO2-neutral machen.