„Aus jetziger Sicht findet der Warnstreik wie geplant statt“, sagte am späten Sonntagabend eine Sprecherin der Gewerkschaft vida laut ORF-Radio. Ob sich daran noch etwas ändert, dürfte sich erst am Montagvormittag weisen. Um 10.00 Uhr sei ein neuer Verhandlungstermin angesetzt. Es bleibt somit nur noch wenig zeitlicher Spielraum für eine rechtzeitige Einigung.
Konkret muss bis spätestens Mittag ein Verhandlungsergebnis auf dem Tisch liegen, sonst stehen wie bereits am Donnerstag von vida angekündigt von 12.00 bis 14.00 Uhr „österreichweit die Züge still“.
„Substanziell verbessertes Angebot“
Beim Versuch, den Streik noch abzuwenden, setzen die Arbeitgeber alles auf eine Karte: Chefverhandler Thomas Scheiber kündigte am Sonntagabend ein „substanziell verbessertes Angebot“ an. Erklärtes Ziel sei es, „die morgige Beeinträchtigung für unsere Kunden zu verhindern“, so Scheiber vor einem Vieraugengespräch mit seinem Gegenüber, vida-Chef Roman Hebenstreit.
Eine Streikabsage könne sich zeitlich noch ausgehen, sagte Scheiber gegenüber dem Ö1-Abendjounal – zunächst ging es aber am Sonntag darum, überhaupt einen inhaltlichen Rahmen für eine mögliche weitere Verhandlungsrunde abzustecken. „Die Streikvorbereitungen laufen jedoch weiter wie gehabt“, teilte die Gewerkschaft via Twitter mit.
Es wird „sehr knapp“
Dem Wunsch der Arbeitgeber, noch in der Nacht auf Montag über den Kollektivvertrag zu verhandeln, ist die Gewerkschaft nicht nachgekommen – sie will stattdessen das Angebot im Detail bewerten. Ob sich der Warnstreik noch abwenden lässt, ist damit völlig offen.
Scheiber sagte nach dem Treffen mit Hebenstreit, es werde „sehr knapp“, aber es sei noch möglich. „Wenn die Gewerkschaft wirklich willens ist, kann es sehr schnell einen KV-Abschluss geben und der Streik noch verhindert werden“, so Scheiber. „Wir haben alles getan, um den angekündigten Streik zu verhindern.“ Das Angebot sei hart an der Grenze des Finanzierbaren.
Umfangreiche Verzögerungen erwartet
Wird am Montag gestreikt, müssen Bahnfahrer wohl mit umfangreichen Verzögerungen rechnen. Das betrifft auch die Zeit nach Beendigung der Arbeitsniederlegung. Die Ö3-Verkehrsredaktion verwies auf den großen organisatorischen Aufwand, um den Betrieb wieder zum Laufen zu bringen. Wahrscheinlich sei aus diesem Grund, dass es den ganzen restlichen Tag oder sogar bis Dienstagfrüh dauern könne, bis alles wieder normal fährt – und zwar egal, ob es sich um Nahverkehrs- oder Fernzüge handelt.
Laut ÖBB gibt es bisher kaum Informationen, wo gestreikt wird – ein zweistündiger und österreichweiter Stillstand im Bahnverkehr könne nicht ausgeschlossen werden. Die ÖBB riefen ihre Kunden auf, sich im Internet oder über die Telefonhotline zu informieren und auf die Durchsagen auf Bahnhöfen und in Zügen zu achten. Auch bereits abgefahrene Züge könnten zwei Stunden in Bahnhöfen stehen bleiben.
Auch der ÖBB-Rivale Westbahn schloss Einschränkungen im Betrieb nicht aus, nachdem auch der Westbahn-Betriebsrat angekündigt hatte, sich dem Warnstreik anschließen zu wollen. Ob wie von der Westbahn-Führung angekündigt im Streikfall dennoch Westbahn-Züge verkehren werden, bleibt laut Ö3-Verkehrsredaktion auch aus anderen Gründen fraglich – da das ÖBB-„Bodenpersonal“ ebenfalls streiken könnte.
Auch S-Bahn betroffen
Kommt es nicht in letzter Minute zu einer Einigung, und der Warnstreik wird noch abgeblasen, müssen sich auch S-Bahn-Fahrgäste am Montag auf Probleme einstellen – mehr dazu in wien.ORF.at. Nicht betroffen sind Busverbindungen, Straßenbahnen und U-Bahnen. Abzuwarten bleibt jedenfalls, ob es am Montag zu einem Verkehrschaos kommen wird. Die Staus im Pendlerverkehr könnten stärker sein, falls einige Bahnpendler sicherheitshalber zum Auto wechseln sollten.
ÖBB kritisierten Gewerkschaft
Im Ringen um den neuen Kollektivvertrag für die 40.000 Eisenbahner hatten sich alle Seiten unmittelbar vor den am Sonntag wieder geöffneten Gesprächskanälen nochmals in Position gebracht. Die ÖBB betonten, das Streikrecht keinesfalls infrage zu stellen, kritisierten aber, dass Mitarbeiter und Fahrgäste in die Auseinandersetzung hineingezogen würden.
„Darüber hinaus finden wir es unverantwortlich, dass wir nach wie vor keine konkreten Informationen erhalten und somit Tausende Fahrgäste nicht rechtzeitig im Detail über Zugsausfälle und Alternativen informieren können“, so ÖBB-Kommunikationschef Sven Pusswald. Gerade in sicherheitsrelevanten Bereichen sei es wichtig zu wissen, wer sich am Streik beteiligt.
Vida schrieb am Wochenende indes einen offenen Brief an den Westbahn-Gesellschafter Hans-Peter Haselsteiner. Anlass ist eine Rundmail der Westbahn-Geschäftsführung mit der Aufforderung an die Mitarbeiter, dem Streikaufruf nicht Folge zu leisten. Vida-Chef Hebenstreit forderte Haselsteiner auf, dazu Stellung zu nehmen.
Acht Verhandlungsrunden
Bahngewerkschaft und Arbeitgeber haben inzwischen acht Verhandlungsrunden für einen neuen Kollektivvertrag ohne Einigung hinter sich gebracht. Die Arbeitgeber bieten nach eigener Berechnung drei Prozent mehr Lohn, die Arbeitnehmer sehen eine deutlich geringere Steigerung nur knapp über der Inflationsrate, unter anderem weil es seit dem Auslaufen des alten KV im Juni eine mehrmonatige Lücke gibt.
Hebenstreit nennt das Angebot der Arbeitgeber „unwürdig“. Konkrete eigene Forderungen nennt die Gewerkschaft nicht, die Arbeitgeber sagen aber, dass die Summe aller Forderungen zu einer Mehrbelastung von zehn Prozent führen würde.